Branchen | Algerien | Branchenüberblick
Energie und Bau unterstützen positive Wirtschaftsentwicklung
Der Energiesektor in Algerien profitiert von einer hohen Nachfrage nach Gas. Doch es lohnt ein Blick auch in andere Branchen. Germany Trade & Invest gibt einen Überblick.
14.06.2023
Von Friedrich Henle | Berlin
Die algerische Wirtschaft und der Staatshaushalt hängen von der Entwicklung des Öl- und Gassektors ab. Aktuell ist die Lage gut. Das führt dazu, dass öffentlich finanzierte Investitionsprojekte wieder mehr vorankommen. Aber auch private Investitionen, insbesondere in den Bereichen Bau, Nahrungsmittel und Automobil, führen zu Geschäftschancen für ausländische Unternehmen. Doch die weitere wirtschaftliche Entwicklung hängt auch davon ab, wie verlässlich und attraktiv Algerien seine Öffnungspolitik gegenüber ausländischen Investitionen fortsetzt.
Bauwirtschaft: Chancen für spezielle Beratungsleistungen
Die algerische Baubranche soll im Jahr 2023 mit real 5 Prozent deutlich stärker wachsen als die Gesamtwirtschaft. Im Hochbau liegt der Schwerpunkt auf dem Wohnungsbau und der Gesundheitsversorgung. Im Tiefbau vergibt der Staat die meisten Projekte. Hier steht der Ausbau der Infrastrukturen für die Energie- und Wasserversorgung sowie für den Transport im Vordergrund. Haupttreiber für viele Bauaktivitäten ist die Bevölkerungszunahme von etwa 1 Million Personen pro Jahr.
Den Markt dominieren zwar große, vor allem ausländische Unternehmen. Aber auch für kleine und mittlere Unternehmen bieten sich Chancen. Insbesondere bei speziellen Beratungs- und Planungsdienstleistungen oder den Themenbereichen Energieeffizienz und ressourcenschonendes Bauen kann deutsche Expertise gefragt sein.
Rohstoffe: Milliarden für neue Öl- und Gasförderprojekte
Die Förderung von Öl und Gas und deren Export dominiert nicht nur den Rohstoffsektor, sondern die gesamte Wirtschaft Algeriens. Hohe Preise und eine gestiegene Nachfrage aus dem nahe gelegenen Europa nach Energierohstoffen schaffen aktuell eine günstige Ausgangslage für den Sektor. Der staatliche Öl- und Gaskonzern Sonatrach plant im Zeitraum 2023 bis 2027 mit Ausgaben von 30 Milliarden US-Dollar (US$) für Investitionen in neue Explorations- und Produktionsprojekte. Dafür hat der Konzern in den letzten Monaten etliche Absichtserklärungen mit ausländischen Energieunternehmen unterschrieben.
Neben Öl und Gas schlummern weitere Bodenschätze in der algerischen Sahara. Deren Förderung und auch Weiterverarbeitung im Land will die Regierung voranbringen. Im Jahr 2022 begann beispielsweise die Erschließung des Eisenerzvorkommens Gara Djebilet im Südwesten des Landes. Im Osten soll in Tébessa mit chinesischer Beteiligung ein Phosphatvorkommen erschlossen und zu Düngemittel weiterverarbeitet werden. Die Projektpartner kalkulieren mit Kosten in Höhe von 7 Milliarden US$.
Nahrungsmittel: Politik der Importsubstitution geht weiter
Eine höhere Selbstversorgung mit Lebensmitteln ist das erklärte Ziel der algerischen Regierung. Durch diese Politik der Importsubstitution bestehen gute Lieferchancen für entsprechende Ausrüstungsgüter. Die wenigsten Maschinen und Anlagen werden nämlich im Land selber hergestellt. Im Bereich Nahrungsmittelproduktion führt in Algerien fast kein Weg am größten privaten Unternehmen des Landes - Cevital - vorbei. Zuletzt hat das Unternehmen im Mai 2023 einen großen Komplex in Béjaïa eröffnet, in dem täglich bis zu 22.000 Tonnen an Ölsaaten verarbeitet werden können. Die Branche zieht auch vermehrt das Interesse ausländischer Investoren, etwa aus der Golfregion, auf sich.
Dennoch ist Algerien weiter stark auf Lebensmittelimporte angewiesen, insbesondere bei Getreide. Rund ein Drittel der Einfuhrrechnung gehen auf dieses Konto. Laut Statistikamt ONS lagen die Importpreise für Nahrungsmittel in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 um mehr als 40 Prozent über den Preisen des Vorjahreszeitraums.
Wasser und Umwelt: Meerwasserentsalzung auf der Tagesordnung
Ausbleibende Niederschläge oder zu viel Regen auf einmal - das sind die Herausforderungen eines Landes, das laut internationalen Studien stark vom Klimawandel betroffen sein wird. Nach Angaben des Ministeriums für öffentliche Bauvorhaben sind aktuell Wasserbauprojekte im Wert von etwa 15 Milliarden US$ geplant oder bereits im Bau. Entsalzungsanlagen bleiben ein wichtiger Baustein der Wasserversorgung. Aktuell decken elf solcher Anlagen etwa 17 Prozent des jährlichen Wasserbedarfs. Bis 2024 sollen fünf weitere in Betrieb gehen, jeweils mit einer Kapazität von 300.000 Kubikmetern am Tag. Entwicklungspotenzial besteht auch bei der verstärkten Nutzung von gereinigtem Abwasser in der Landwirtschaft
Im Bereich Abfall und Recycling verlangt eine stark steigende Müllmenge nach Lösungen. Laut der algerischen Abfallagentur AND (Agence Nationale des Déchets) dürfte die gesamte Abfallmenge bis 2035 auf 73 Millionen Tonnen steigen. Das wäre mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2018. Kurzfristig steht der Neu- und Ausbau von Deponien auf der Tagesordnung. Recycling ist in Ansätzen vorhanden, aber stark vom informellen Sektor geprägt. Die internationale Entwicklungszusammenarbeit ist in diesem Themenfeld ebenfalls aktiv.
Automobil: Comeback der lokalen Autoproduktion?
Automobilhersteller und -zulieferer waren bisher kaum in Algerien aktiv. Experten begründen dies unter anderem mit sich ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit. Doch das Blatt scheint sich mit neuen, attraktiveren Investitionsregeln für den Sektor seit November 2022 etwas zu wenden. So ist die Stellantis-Gruppe gerade dabei, für etwa 200 Millionen Euro eine Montage für die Marke Fiat in der Nähe der Küstenstadt Oran zu errichten. In der Endausbaustufe soll die Fabrik eine Kapazität von 90.000 Einheiten pro Jahr besitzen. Ebenso will Renault wieder Autos in Algerien produzieren. Laut Presseberichten bereiten sich auch chinesische Hersteller für eine lokale Produktion vor.
Mit Local Content-Vorgaben (30 Prozent nach fünf Jahren) will die algerische Regierung den Aufbau einer lokalen Wertschöpfungskette im Automobilsektor voranbringen. Gleichzeitig hat sie Importbeschränkungen für Autos teilweise wieder zurückgenommen. Laut Experten beträgt der algerische Absatzmarkt an Autos jährlich potenziell etwa 300.000 Einheiten.
Mit den "Beratungsgutscheinen Afrika" fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Wirtschaftsnetzwerks Afrika externe Beratungsdienstleistungen für kleine und mittelständische Unternehmen. Ziel ist es, den Markteintritt in Afrika zu erleichtern. Unternehmen können eine individuelle und bedarfsorientierte Beratung zu ihren wirtschaftlichen Vorhaben erhalten. Das Angebot gilt branchenunabhängig für jedes Zielland auf dem afrikanischen Kontinent. |