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Branche kompakt | Algerien | Abfallwirtschaft

Müll noch zu wenig als Ressource genutzt

Algeriens Abfallsektor weist erhebliches Entwicklungspotenzial auf. Internationale Unternehmen treten dort bisher selten in Erscheinung.

Von Friedrich Henle | Berlin

  • Marktchancen

    Die Müllmenge steigt in Algerien schneller als die Bevölkerungszahl. Noch wird viel zu wenig recycelt.

    Die Abfallmenge in Algerien hat zuletzt um durchschnittlich 5 bis 6 Prozent pro Jahr zugenommen, deutlich schneller als das Bevölkerungswachstum von aktuell 1,8 Prozent. Strukturelle Probleme und die unzureichende Finanzierung sind die Hauptgründe, weshalb das Abfallmanagement einen erheblichen Nachholbedarf aufweist. Noch immer landen große Mengen an Abfall auf unkontrollierten Müllkippen oder werden illegal verbrannt, was zu großen Umweltproblemen führt.

    Müllaufkommen wird sich bis zum Jahr 2035 verdoppeln

    Das gesamte Abfallaufkommen belief sich laut algerischer Abfallagentur AND (Agence Nationale des Déchets) im Jahr 2018 auf etwa 34 Millionen Tonnen. Für das Jahr 2035 werden 73 Millionen Tonnen erwartet. Genaue und aktuellere Daten sind jedoch nicht verfügbar. Das ist auch der Rolle des informellen Sektors geschuldet, der insbesondere beim Recycling eine wichtige Rolle spielt.

    Die AND hat zuletzt im Zeitraum April 2018 bis März 2019 eine Analyse des Siedlungsabfalls in vier Wilayas (Regierungsbezirke) durchgeführt und die gewonnenen Daten für das gesamte Land hochgerechnet. Im Ergebnis schätzt sie das Volumen des Siedlungsabfalls im Jahr 2018 auf insgesamt 13,1 Millionen Tonnen. Im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2014 hat der Anteil von Einwegwindeln zu- und der Anteil von Papier und Karton abgenommen. In den anderen Kategorien gab es nur leichtere Verschiebungen. Für das Jahr 2035 rechnet die AND mit 20 Millionen Tonnen an Siedlungsabfällen, geschuldet in erster Linie der Bevölkerungszunahme. Die Einwohnerzahl soll laut algerischem Statistikamt bis 2030 um weitere 10 Millionen auf dann 53 Millionen ansteigen.

    Zusammensetzung von Siedlungsabfällen in Algerien 2018 (Anteile in Prozent) *)

    Abfallkategorie

    Anteil

    Organische Abfälle

    53,6

    Plastik

    15,3

    Einwegwindeln

    11,8

    Papier/Karton

    6,8

    Textilien

    4,5

    Metalle

    1,7

    Glas

    1,0

    Sonstige

    5,3

    *) Hochrechnung auf Basis einer Erhebung zwischen April 2018 und März 2019 in vier RegionenQuelle: Agence Nationale des Déchets


    Müllströme landen vor allem auf Deponien

    Allein im Regierungsbezirk Algiers transportieren zwei beauftragte Entsorgungsunternehmen jährlich rund 1 Million Tonnen an Siedlungsabfall zu den Deponien. Im Zeitraum 2015 bis 2020 ist diese Müllmenge jährlich um 4 Prozent angewachsen.

    Trennung und Verwertung der wachsenden Abfallmenge sind in Algerien noch nicht sehr ausgeprägt. Die bisherige Hauptlösung ist mit einem Anteil von etwa 90 Prozent die Deponierung. Eine thermische Verwertung in Müllverbrennungsanlagen findet nicht statt, nur in Einzelfällen werden Industrie- oder medizinische Abfälle verbrannt. Erst etwa 7 bis 8 Prozent aller Abfälle werden recycelt. Bei Kunststoffabfällen lag die Quote zuletzt bei etwa 15 Prozent. Mülltrennung an der Quelle findet nur in sehr begrenztem Umfang oder in Pilotprojekten statt. Das algerische Umweltministerium hat als Zielvorgabe eine Recyclingquote von 30 Prozent im Jahr 2035 ausgegeben.

    Im Dezember 2020 kündigte das algerische Umweltministerin eine Pflicht für Deponien zur Anschaffung von Kompostieranlagen sowie Verbrennungsanlagen für die Behandlung von Sondermüll an. Bis April 2022 ist daraus allerdings noch keine gesetzliche Auflage geworden. Solange andere Verwertungswege nicht mehr Gewicht bekommen, werden in den nächsten Jahren etliche weitere Deponien errichtet werden müssen. Rund ein Viertel des Mülls landet weiterhin auf unkontrollierten Müllhalden oder wird illegal verbrannt.

    Professionelles Recycling steckt noch in den Kinderschuhen

    In Algerien gibt es bisher keinen spezifischen regulatorischen Rahmen für das Recycling von Feststoffabfällen. Als kommerzielle Tätigkeit unterliegt die Rückgewinnung von verwertbaren Abfällen deshalb in erster Linie den Gesetzen des Marktes. Die vorhandene, überschaubare Wertschöpfungskette beginnt zum einen im großen, informellen Sektor, zum anderen bei Industrieunternehmen. Beide Bereiche verfügen im Ergebnis dann über die gleichen Verwertungs- und Exportmöglichkeiten. Die AND hat auf ihrer Internetseite eine elektronische Börse etabliert, um industrielle Abfallverursacher und Recyclingunternehmen zusammenzubringen.

    Die Politik belässt es bisher bei Appellen. Bei einer Betriebsbesichtigung im März 2021 forderte die ehemalige Umweltministerin Dalila Boudjemaa die Deponiebetreiber auf, ihre großen Abfallbestände zu verwerten, um zusätzliche Einkommensquellen zu erschließen. Sie erwähnte bei dieser Gelegenheit das große Potenzial von Biogas, das sich aus dem hohen Anteil an organischen Abfällen im Siedlungsabfall abschöpfen ließe.

    Die Abfall- und Kreislaufwirtschaft findet auch in Projekten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Algerien Berücksichtigung. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Unterstützung von Stakeholdern und Ausbildungsstrukturen, um die Grundlagen einer nachhaltigen Abfallbewirtschaftung zu schaffen. In einem aktuellen Projekt berät die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 16 algerische Kommunen, damit diese ihre Auftragsvergabe zur Müllsammlung professionell organisieren.

    Ausländische Unternehmen noch unterrepräsentiert

    Die Geschäftschancen für deutsche Ausrüstungslieferanten und Dienstleister in der algerischen Entsorgungs- und Recyclingbranche sind beschränkt und die Rahmenbedingungen herausfordernd. Für mehr ausländisches Engagement müsste der Sektor strukturierter und moderner aufgestellt sein und über eine ausreichende und verlässliche Finanzierung verfügen. Im Bereich der kommunalen Abfallsammlung ist laut Branchenexperten bisher kein ausländisches Unternehmen zum Zuge gekommen.

    Geschäftschancen sind auf Einzelfälle beschränkt, in denen Industrieunternehmen oder einzelne Kommunen Abfallverwertungsprojekte anstoßen. Ein Beispiel dafür ist die im Februar 2022 bekannt gewordene Kooperation zwischen dem Stahlproduzenten Tosyali und dem Zementhersteller Lafarge. Lafarge wird Tosyalo Industrieabfälle (Eisenschlamm) abnehmen und diesen in seinen Zementwerken als Ersatz für das in Steinbrüchen gewonnene Eisenerz verwenden.

    Eine Nische ist auch die Behandlung von Deponiesickerwasser, für das in der Vergangenheit bereits ausländische Technologie zum Einsatz gekommen ist. Aufgrund der steigenden Abfallmenge werden kontinuierlich neue Deponien eröffnet, zudem bestehende mit Technologien zur Sickerwasserbehandlung nachgerüstet.

    Von Friedrich Henle | Berlin

  • Branchenstruktur

    Algeriens Abfall- und Recyclingsektor ist regional organisiert. Der informelle Sektor spielt eine wichtige Rolle.

    Für ein erfolgreicheres Abfallmanagement in Algerien müsste auf kommunaler Ebene die Entsorgung besser organisiert sein. Der handwerklich orientierte, informelle Sektor dominiert die Mülltrennung. Dadurch wird viel zu wenig recycelfähiger Müll einer Wiederverwertung zugeführt.

    Kommunen sind verantwortlich für Müllabfuhr

    Die Einsammlung von Siedlungsabfällen in Algerien liegt in der Verantwortung der Gemeinden. Diese können die Aufgabe wiederum an private oder öffentliche Unternehmen übertragen. In den 57 Gemeinden der Wilaya (Regierungsbezirk) Algier teilen sich mit Netcom und Extranet zwei öffentliche Unternehmen die Müllabfuhr. Die Reinigung des öffentlichen Straßenraums gehört ebenso zu ihren Aufgaben.

    Der algerische Rechnungshof (Cour des Comptes) kritisiert in seinem Jahresbericht für das Jahr 2021, dass dieses System der Müllabfuhr in der Hauptstadt nicht gut funktioniere. Es beginne damit, dass etwa 40 Prozent der analysierten Sammelstellen nicht mit Mülltonnen ausgestattet seien und der Müll demnach in Tüten, Kartons oder ohne jegliche Verpackung auf die Straße gestellt werde. Zudem fehle es an grundlegenden Managementfähigkeiten und an verlässlicher Finanzierung der beiden Unternehmen.

    Deponien als Hauptlösung

    Im besten Falle holt den Müll in Algerien dann die Müllabfuhr ab und bringt ihn ordnungsgemäß auf die nächste Mülldeponie. Nach Angaben der algerischen Abfallagentur AND (Agence Nationale des Déchets) zählte das Land Ende 2020 insgesamt 191 sich in Betrieb befindliche Deponien, darunter 101 Deponien der Klasse II und 90 kontrollierte Deponien. 22 Deponien der Klasse II sind laut AND mit Sortieranlagen ausgestattet, die eine Kapazität von jeweils zwischen 80 und 100 Tonnen pro Tag besitzen. In der Regel werden eine oder mehrere Deponien von einem öffentlichen Unternehmen auf der Ebene der betreffenden Wilaya betrieben. Der Anstieg der Abfallmenge wird in den nächsten Jahren weitere Deponiebauten nötig machen.

    Der informelle Sektor dominiert die Mülltrennung

    Vor allem der informelle Sektor sammelt wiederverwertbare Abfälle wie Kunststoffe, Metalle oder Glas, entweder direkt an der Quelle oder auf den Deponien, und transportiert sie zu den Weiterverarbeitern im Recyclingbereich. Diese sind meist privat organisiert und eher kleine Firmen. Die Entsorgung industrieller Abfälle übernehmen ebenso hauptsächlich Privatunternehmen. Ein Recherchetool auf der Internetseite der AND führt zu Unternehmen, die im Bereich Recycling, Verwertung und Kompostierung aktiv sind. Das algerische Umweltministerium wiederum veröffentlicht auf seiner Internetseite eine Liste der offiziell zugelassenen Sammelbetriebe für Sondermüll.

    Von Friedrich Henle | Berlin

  • Rahmenbedingungen

    Eine grundlegende Änderung des bisherigen Abfallmanagementsystems lässt in Algerien weiter auf sich warten.

    In Algerien steigt die Müllmenge jedes Jahr um rund 5 bis 6 Prozent. Gleichzeitig gibt es noch großes Potenzial für die Verwertung recycelfähiger Abfallstoffe.

    Die Finanzierung ist ein Problem

    Das Gesetz Nummer 01-19 vom 12. Dezember 2001 bildet den wichtigsten, regulatorischen Rahmen für die algerische Abfallwirtschaft. Es präzisiert unter anderem die gesetzliche Definition von Abfällen, die Verantwortlichkeiten der Erzeuger und der Akteure des Abfallmanagements sowie Bestimmungen zur Planung der Abfallwirtschaft auf nationaler und regionaler Ebene. Gleichwohl verhindern strukturelle und finanzielle Probleme des Sektors, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Müllgebühren werden nicht flächendeckend erhoben. Eine erweiterte Produzentenverantwortung für Hersteller, wie in Deutschland im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankert, existiert in Algerien nicht.

    Geschäftserfolg erfordert Ausdauer und lokale Präsenz

    Prinzipiell steht die algerische Abfall- und Recyclingbranche ausländischen Direktinvestitionen offen, da sie nicht zu den Sektoren gehört, in denen eine Joint-Venture-Pflicht besteht. In der Praxis beschreiben Unternehmen das Investitionsklima jedoch als herausfordernd. Als Lieferland bei Maschinen und Anlagen belegt Deutschland in Algerien den dritten Rang, hinter China und Italien.

    Bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand in Algerien ist es üblich, dass Local Content-Vorgaben zum Tragen kommen. Die Vergabepraxis beschreiben Marktteilnehmer als bisweilen schwerfällig und bürokratisch. Für regelmäßige Geschäfte in Algeriens Abfallsektor ist ein Partner vor Ort oder eine eigene Präsenz unerlässlich.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Friedrich Henle | Berlin

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Algerien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    German RETech Partnership e.V.

    Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Entsorgungs- und Recyclingbranche zur Exportförderung

    Ministère de l´Environnement

    Umweltministerium

    Agence Nationale des Déchets (AND)

    Nationale Abfallagentur

    REVADE

    Internationale Fachmesse für Abfallentsorgung und Recycling in Algiers (nächster Termin: Oktober 2022)

    Electronic Public Procument Portal

    Zentrale Ausschreibungsplattform für staatliche Ausschreibungen

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