Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Rechtsbericht | Argentinien | Wirtschaftsrecht

Argentiniens Wirtschaftsreform tritt in Kraft

Nach sechs Monaten intensiver Debatten ist nun das Basisgesetz in Kraft getreten, das den Kurs Argentiniens ändern will.

Von Dr. Julio Pereira | Berlin

Am 8. Juli 2024 ist das Kernstück der argentinischen Wirtschaftsreform in Kraft getreten. Es handelt sich um das Gesetz Nr. 27.742, bekannt als Basisgesetz. Am selben Tag trat auch das Gesetz Nr. 27.743 in Kraft, auch bekannt als Steuerpaket. Beide Rechtsinstrumente wurden vom argentinischen Parlament am 28. Juni 2024 nach sechs Monaten intensiver Verhandlungen und Debatten angenommen. Die wichtigsten Änderungen, die sich auf die Aktivitäten deutscher Unternehmen in Argentinien auswirken, sind in den folgenden fünf Punkten zusammengefasst.

Öffentlicher Notstand

Artikel 1 des Basisgesetzes erklärt den öffentlichen Notstand für ein Jahr in vier Bereichen: Wirtschaft, Verwaltung, Finanzen und Energie. Das bedeutet, dass Präsident Javier Milei bis zum 9. Juli 2025 über außerordentliche Gesetzgebungsbefugnisse verfügt. Er kann in allen vier Bereichen Gesetze ohne die übliche Beteiligung des Parlaments verabschieden. Allerdings müssen alle vom Präsidenten während dieses Zeitraums erlassenen Rechtsinstrumente vom Parlament überprüft werden. Das Parlament bleibt Inhaber seiner Gesetzgebungsbefugnisse und kann die Delegierung von Befugnissen rückgängig machen, wenn die im neuen Gesetz festgelegten Grenzen nicht eingehalten werden.

Für die Unternehmen sind die vom Präsidenten erlassenen Rechtsinstrumente in der Praxis eine wichtige Quelle des Wirtschaftsrechts.

Das Privatisierungsverfahren

In dem Kapitel über die Staatsreform ändert das Basisgesetz erheblich das Gesetz Nr. 23.696 von 1989, das die Privatisierung in Argentinien regelt. Artikel 16 sieht unter anderem folgende Änderungen vor:

  • Auswahlverfahren: Im Hinblick auf die Auswahl möglichst vieler Interessenten wird die Möglichkeit der Direktvergabe (im Falle von Vorkaufsrechten) ausgeschlossen. Andere konventionelle Auswahlmethoden, wie zum Beispiel öffentliche Ausschreibungen, bleiben in Kraft.
  • Verkauf von Aktien an ausländischen Wertpapierbörsen: Das neue Gesetz sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, Unternehmensanteile an ausländischen Börsen zu verkaufen.
  • Öffentliches Interesse: Die Regel des öffentlichen Interesses im Privatisierungsverfahren bleibt bestehen. Das bedeutet, dass das Angebot des besten Preises nicht das Hauptkriterium ist.

Reform des Arbeitsrechts

Unter dem Leitmotiv der „Modernisierung der Arbeit“ bringt das Basisgesetz bedeutende Änderungen in den Arbeitsbeziehungen mit sich. Das neue Gesetz ändert hauptsächlich das Gesetz Nr. 24.013 von 1991 und das Gesetz Nr. 20.744 von 1976, die das Arbeitsrecht in Argentinien regeln. Unter anderem sind folgende Änderungen hervorzuheben:

  • Neuer Grund für die Beendigung des Arbeitsvertrags: Die aktive Teilnahme an bestimmten Protesten gilt nun als „schwere Arbeitsrechtsverletzung“ (grave injuria laboral) im Sinne des Artikels 94 des Basisgesetzes. Das bedeutet: ein gerechter Grund für eine Entlassung. Dies betrifft zum Beispiel Beschäftigte, die sich an Blockaden oder Besetzungen von Gebäuden beteiligen und den Ein- oder Ausgang von Personen und Gütern behindern.
  • Erhöhte Entschädigung bei diskriminierenden Kündigungen: Artikel 95 des Basisgesetzes enthält eine umfangreiche Liste möglicher diskriminierender Handlungen, die dem Beschäftigten einen Anspruch auf eine erhöhte Entschädigung geben können. Dazu gehören Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, Nationalität, politischen Meinung, ethnischen Zugehörigkeit, Religion usw.
  • Abfindungsfonds: Artikel 96 des Basisgesetzes sieht vor, dass die konventionelle Abfindungsregelung im Rahmen eines Tarifvertrags durch einen Abfindungsfonds (nach den Regeln der Exekutive) ersetzt werden kann. Die Finanzierung dieses Fonds erfolgt auf Kosten des Arbeitgebers. Ziel ist es, die Kosten der Unternehmen bei Entlassungen zu senken.

RIGI - Fördersystem für Großinvestitionen

Einer der wichtigsten Aspekte der argentinischen Wirtschaftsreform ist die Schaffung eines Fördersystems für Großinvestitionen, das sogenannte RIGI (Régimen de Incentivos a las Grandes Inversiones). Eines seiner Hauptziele ist es, ausländisches Kapital anzuziehen. Artikel 167 des Basisgesetzes legt fest, dass RIGI für Großinvestitionen in Projekten in neun Wirtschaftsbereichen gilt: Energie, Infrastruktur, Technologie, Agroforstwirtschaft, Tourismus, Stahl, Öl, Gas und Bergbau.

Die Frist für den Beitritt von Unternehmen zu RIGI beträgt zwei Jahre ab Inkrafttreten des Gesetzes. Das heißt, bis zum 9. Juli 2026. RIGI bietet Steuer-, Zoll- und Devisenerleichterungen. Die Vergünstigungen sind 30 Jahre lang gültig und gelten für Projekte mit einem Investitionsvolumen von mindestens 200 Millionen US Dollar. Alle Voraussetzungen für den Beitritt zu RIGI sind in den Artikeln 170 bis 173 des Basisgesetzes detailliert geregelt.

Energie- und Bergbaurecht

Mehrere Gesetze wurden in diesem Bereich geändert, darunter das Gesetz über die staatliche Ölgesellschaft - YPF - (Gesetz Nr. 26.741 von 2012) und das Erdgasgesetz (Gesetz Nr. 24.076 von 1992). Zu den Gesetzen, die am stärksten geändert wurden, gehört das Kohlenwasserstoffgesetz (Gesetz Nr. 17.319 von 1967).

Bisher war die Kohlenwasserstoffexploration in Argentinien gesetzlich auf die Deckung des heimischen Energiebedarfs ausgerichtet. Nach dem Basisgesetz besteht das Hauptziel nun in der „Maximierung der Einnahmen aus der Kohlenwasserstoffausbeutung“. Der Handel mit Kohlenwasserstoffen und ihr Transport sind bisher stark reglementiert gewesen und unterlagen restriktiven Standards. Das Basisgesetz zielt darauf ab, diese Aktivitäten im Rahmen der normativen Zuständigkeit der Regierung freier zu gestalten. Was die Preise anbelangt, so konnte die Regierung bisher die Preise auf dem Inlandsmarkt festlegen. Nach dem neuen Gesetz ist dies nicht mehr möglich. Zuvor gab es in Argentinien verschiedene Beschränkungen für die Ausfuhr von Kohlenwasserstoffen, da die inländische Versorgung Vorrang hatte. Mit dem Basisgesetz werden die Ausfuhrbeschränkungen aufgehoben.

Zum Thema:

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.