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American tariffs and US government taxation or punative tariff trade war policy or duties imposed on imports and exports by a government on imported or exported goods as Protectionism. American Tariffs Concept | © Adobe Stock/freshidea

Special | ASEAN | US-Zölle

US-Zollerhöhungen senden Schockwelle durch ASEAN

Südostasien ist der große Verlierer der neuen Zollerhöhungsrunde in den USA. Auch deutsche Firmen müssen sich auf die Folgewirkungen einstellen.

Von Alexander Hirschle | Singapur

Die am 2. April 2025 verkündeten Zollerhöhungen der USA haben die Länder der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) kalt erwischt. Südostasien ist die weltweit von den geplanten Maßnahmen am härtesten betroffene Region. Auf Importe von sechs der zehn Mitgliedstaaten werden künftig US-Zölle zwischen 32 und 49 Prozent erhoben. 

Unter den 15 Ländern, die weltweit die höchsten bilateralen Handelsüberschüsse mit den USA aufweisen, befinden sich fünf ASEAN-Mitglieder. Im Vorfeld war vor allem darüber spekuliert worden, ob einzelne ASEAN-Staaten mit besonders hohen Überschüssen ins Visier geraten könnten, wie Vietnam und Thailand.

ASEAN ist Opfer der eigenen Erfolgsgeschichte

Die Zollerhöhungen treffen ASEAN ins Mark: Zahlreiche Firmen hatten die Region im Rahmen ihrer Diversifizierungsstrategien als alternativen Produktionsstandort – vor allem zu China – ausgewählt und massiv Kapazitäten hochgezogen. Seit 2016 haben sich die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) mehr als verdoppelt, auf circa 230 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Das entsprach fast 17 Prozent aller Greenfield-Investments weltweit, so der ASEAN Investment Report 2024 der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD).

Ein Drittel der FDI kam aus den USA. Firmen wie Apple oder Nike nutzen Vietnam im großen Stil als Produktionshub. Kambodscha gilt als wichtiger Hersteller für westliche Markenkleidung. Auch sind etwa 5.000 deutsche Firmen in der Region tätig, mit steigender Tendenz. 

Durch die neuen Zölle der USA entfällt ein guter Teil des Anreizes für die Verlagerung von Fabriken in die Region. Wirtschaftsexperten vor Ort befürchten, dass nun ein wesentlicher Aspekt des Wachstumskonzepts in Frage gestellt werden könnte und die Attraktivität von ASEAN als Investitionsstandort sinkt. Die hohen Steigerungen des Bruttoinlandsprodukts in der Region waren ein wesentlicher Positivfaktor für internationale und deutsche Firmen für die Ausweitung ihrer Aktivitäten vor Ort.

USA zuletzt wichtigste Exportdestination

Neben rückläufigen ausländischen Direktinvestitionen dürften die Exporte der ASEAN in die USA deutlich nachlassen. Dies ist umso gravierender, da die USA im vergangenen Jahr erstmals China als wichtigsten Abnehmer für Waren aus der Region abgelöst haben. Besonders abhängig vom US-Markt sind Thailand, Vietnam und Kambodscha. Darüber hinaus wird ASEAN als exportorientierte Region auch das ohnehin schon nachlassende Wachstum in China und die zu erwartende Abkühlung der Weltkonjunktur zu schaffen machen. Germany Trade & Invest (GTAI) geht davon aus, dass die Auswirkungen der US-Zollpolitik das Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 um 1 Prozentpunkt schmälern werden. Das Wirtschaftsforschungsinstitut AMRO prognostizierte in seinem Januarbericht ein Wachstum von 4,8 Prozent für das laufende Jahr für die Region ASEAN. 

In den lokalen Medien überschlagen sich Spekulationen über etwaige Gegenreaktionen: Zollsenkungen auf US-Güter durch ASEAN-Staaten könnten eine Folge sein, allerdings mit unsicherer Aussicht auf Erfolg, wie das Beispiel Vietnam zeigt. Die einzelnen Länder könnten ebenso versuchen, kurz- und mittelfristig mehr US-Erzeugnisse zu kaufen, um die Handelsbilanzdefizite zu reduzieren. Aber Waren aus den USA sind im Regelfall teuer und die Kaufkraft in den ASEAN-Ländern ist oft begrenzt. 

Für etwaige "Vergeltungszölle" fehlt sowohl den einzelnen ASEAN-Ländern als auch dem Verband südostasiatischer Nationen selbst die politische Durchsetzungskraft. Die einzelnen Staaten haben zu unterschiedliche Interessen, um einen Konsens zu erreichen. Zudem sind sie ökonomisch zu schwach, um Vergeltungsschläge gegen die USA ausüben zu können. Auch ASEAN als Staatenverband hat wenig Handhabe gegen die USA, denn die Interessensgemeinschaft verfügt über kein eigenständiges Exekutivorgan. Einige Beobachter befürchten vielmehr einen Wettlauf der einzelnen Mitgliedsländer um Investoren, was die Beziehungen zwischen den Staaten belasten könnte. 

Ebenso schwierig wird es, dem Trump'schen Vorwurf der "Umlenkung" chinesischer Waren über ASEAN mit praktischen Maßnahmen gegenüber China zu begegnen. Denn die Lieferketten zwischen Südostasien und China sind eng verknüpft. Auch ist die Lieferabhängigkeit der ASEAN-Staaten von China in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, auf fast ein Viertel der Gesamteinfuhren der Region.

Konkurrenz für deutsche Firmen wächst

In einigen ASEAN-Ländern bestimmen chinesische Investoren immer mehr das Bild. Es ist illusorisch, dass sich kurzfristig einzelne Staaten von China entkoppeln, um die USA zu beschwichtigen. Vielmehr dürfte China die Region künftig noch stärker als alternative Lieferdestination für seine Überkapazitäten nutzen und den Markt mit Produkten überschwemmen. Für deutsche Firmen bedeutet dies, dass sich der ohnehin starke Wettbewerb in ASEAN verschärfen wird, bei gleichzeitig nachlassendem Wachstum.

Einige deutsche Firmen, die von ASEAN aus schwerpunktmäßig die USA bedienen, werden ihre Investitionen künftig überdenken. Das dürfte vor allem Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Konsumgüterbranche betreffen. Dahingegen könnten Unternehmen, die vor allem den asiatischen Markt versorgen, sogar profitieren, wenn die Mitgliedstaaten enger zusammenrücken und den Handel untereinander ausbauen.

ASEAN wird neue Partner suchen müssen

Zudem werden die ASEAN-Länder noch stärker versuchen, neue Absatzmärkte zu erschließen, zum Beispiel in der EU. Die Bestrebungen um zügige Abschlüsse von Freihandelsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und der EU könnten dadurch an Dynamik gewinnen. Das würde auch dem Außenhandel zwischen Deutschland und ASEAN zugutekommen. Die Ausfuhren aus Deutschland in die Region sanken 2024 um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die deutschen Einfuhren aus ASEAN schrumpften um 0,8 Prozent.

Die aktuelle US-Handelspolitik dürfte zudem den Modernisierungsdruck in der verarbeitenden Industrie erhöhen und die Kapazitäten bei höherwertigen Produkten in der Region ansteigen lassen. Von dieser Entwicklung können deutsche Firmen profitieren. Denn ein Upgrade der lokalen Industrien wird die Nachfrage nach hochwertigen Kapitalgütern, Komponenten und Vorprodukten erhöhen. Das Gleiche gilt für den Fall, dass die ASEAN-Staaten den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Doch dies ist eher eine mittelfristige Perspektive. 

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