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Branchen | Aserbaidschan | Bauwirtschaft & Stadtplanung

Milliarden für Wiederaufbau Westaserbaidschans

In Aserbaidschan nimmt der Neuaufbau der seit Ende 2020 von Armenien zurückeroberten Gebiete Gestalt an. Das Projektportfolio bietet zahlreiche Liefer- und Kooperationschancen.

Von Uwe Strohbach | Baku

Die Regierung Aserbaidschans treibt die Entwicklung im Westen des Landes, unter Einschluss der Region Karabach (Qarabağ), voran. Von den öffentlichen Aufträgen für Projekte profitieren auch ausländische Unternehmen.

Karabach aktueller Status

Der bewaffnete Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Region Karabach ist beendet. Die Verhandlungen über ein Friedensabkommen sind abgeschlossen. Die Unterzeichnung stand Mitte März 2025 unmittelbar bevor. Der Wiederaufbau läuft auf Hochtouren.

Gleichwohl bleibt der Zugang zur Region aufgrund von Verminung großer Gebiete stark eingeschränkt, schreibt das Auswärtige Amt in seinen "Reise- und Sicherheitshinweisen" zu Aserbaidschan. Das Befahren und Betreten dieser Bezirke ohne Genehmigung der Behörden ist untersagt.

Aktivitäten ausländischer Firmen sind breit gefächert

Das aserbaidschanische Wirtschaftsministerium geht von etwa 500 Firmen aus dem Ausland aus, die sich in den neu gebildeten Wirtschaftsregionen Karabach und Ost-Sangesur (Şərqi Zəngəzur) bereits engagieren oder angekündigt haben, sich in dort geplante Projekte einbringen zu wollen. Dazu gehören zahlreiche türkische Firmen wie Demirören Yatırım Holding und Arges Energy Team, die die Wiederinbetriebnahme und den Bau kleiner Wasserkraftwerke unterstützen. Die chinesische Gesellschaft China Gezhouba Group Overseas Investment kündigte mehrere Photovoltaikparks an. Das italienische Unternehmen Ansaldo Energia lieferte bereits Ausrüstungen für Umspannstationen.

Ende 2023 startete das ungarische Bauunternehmen KÉSZ ein Vorhaben für den Wiederaufbau der Gemeinde Soltanli. Nach Angaben des Leiters für internationale Geschäfte von KÉSZ, Ottó Izsó, sollen hier Wohnungen und soziale Objekte für den Bedarf von bis zu 6.000 Menschen entstehen. Das türkische Bauunternehmen Cengiz İnşaat stellte bereits mehrere Projekte im lokalen Straßenbau fertig.

Die britische Anglo Asian Mining PLC plant im Jahr 2025 die Wiederinbetriebnahme von Tagebaugruben für die Erzförderung und von Flotationsanlagen für die Produktion von Kupfer- und Molybdänkonzentrat in Dämirli. Mehrere usbekische Firmen engagieren sich in der exportorientierten Bekleidungsindustrie am Standort Chankändi und wollen Projekte für die Herstellung von Baustoffen und Arzneimittel in der Region Karabach umsetzen.

Technologie für die Wasserwirtschaft gefragt

Das Interesse an Projekten in der Wasserwirtschaft wächst ebenfalls. So informierten sich deutsche Anbieter von umweltfreundlichen Technologien im Rahmen einer Studienreise auf einer Konferenz im Frühjahr 2024 in Baku über das Geschäftspotenzial in der Wasserwirtschaft Karabachs. Die Veranstaltung im Rahmen der Exportinitiative Umweltschutz des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) wurde von der AHK Aserbaidschan durchgeführt und bot eine Plattform, um konkrete Kooperationsmöglichkeiten in der Region auszuloten.

Darüber hinaus begleitet die Islamische Entwicklungsbank den Bau eines neuen und 52 Kilometer langen Bewässerungskanals von der Talsperre Qiz Qalasi an der Grenze zu Iran zu Ackerflächen in der Wirtschaftsregion Karabach mit 97 Millionen US-Dollar (US$). Weitere international finanzierte Projekte in der Wasser- und Abwasserwirtschaft sind schon fest geplant.

Staat stellt weitere fast 9 Milliarden US-Dollar für den Neustart bereit

Der aserbaidschanische Staat ist und bleibt wichtigster Geldgeber. Angaben des Finanzministeriums zufolge ist geplant, zwischen 2025 und 2028 Haushaltsmittel in Höhe von umgerechnet 8,6 Milliarden US-Dollar (US$) für den Wiederaufbau aufzubringen. Die staatliche Finanzhilfe für das Großprojekt im Zeitraum 2021 bis 2024 belief sich auf etwa 10 Milliarden US$. Ziel ist es, die Gebiete zügig wieder in die Wirtschaft des Landes einzubinden. Dafür steht zunächst die Infrastruktur im Fokus. Nennenswerte Summen fließen beispielsweise in den Bau von Wohnungen und sozialen Objekten.

Während die Investitionen der öffentlichen Hand bislang vorwiegend in den Straßenbau flossen, ist mittlerweile eine stärkere Zuwendung zu Projekten in der Versorgungswirtschaft und im Hochbau zu beobachten. Von dem mittelfristig erwarteten Zufluss öffentlicher Gelder in den Wiederaufbau entfallen circa 30 Prozent auf langfristig orientierte Investitionen in Anlagegüter. Etwa 70 Prozent auf operative Ausgaben, Dienstleistungen und nicht zuletzt die Minenräumung.

Ausrüstungen zur Minenräumung werden benötigt

Die Entminung des ehemals zwischen Armenien und Aserbaidschan umkämpften Gebiets ist zwingend für eine flächendeckende Bebauung und Bewirtschaftung. Das Gebiet nimmt mit rund 16.000 Quadratkilometern Fläche knapp ein Fünftel des gesamten Territoriums Aserbaidschans ein. Bereits in den Jahren 2021 bis 2024 wurde eine Fläche von 179.800 Hektar entmint, was aber erst etwa 16 Prozent des insgesamt verminten Territoriums in Westaserbaidschan entspricht. Bis Ende 2026 will die Agentur für Minenräumung (Minatəmizləmə Agentliyi; ANAMA) weitere 100.000 Hektar von Minen und anderen Sprengkörpern räumen lassen, die hauptsächlich vom Rückzug der armenischen Armee stammen. Die ANAMA hat großes Interesse an neuen innovativen technischen Lösungen und effizienten Ausrüstungen für die Minenentfernung.

"Rebuild Karabakh" hat festen Platz im Messekalender

Die Messe für Wiederaufbau der Region Karabach "Rebuild Karabakh" findet vom 14. bis 16. Oktober 2025 in Baku statt. Auch ihre fünfte Ausgabe wird parallel ausgerichtet zur "BakuBuild", der Leitmesse Aserbaidschans für die Bauwirtschaft, und zur Fachmesse für Heizung, Klima und Sanitär "Aquatherm Baku". Veranstalter ist Caspian Event Organisers.

Die AHK Aserbaidschan lädt deutsche Firmen zum Besuch der Messen und organisiert bei Bedarf Treffen mit potenziellen lokalen Partnern.

Programm listet Investitionsfelder auf

Wichtige staatliche Investitionen für die beiden Wirtschaftsregionen bis 2026/2027 hat die aserbaidschanische Regierung im ersten, im November 2022 verabschiedeten Wiederaufbauprogramm verankert. Ein Anschlussprogramm gilt als sicher, um den Wiederaufbau auch in der Zeit danach fortzusetzen.

Schwerpunkte des laufenden Programms sind:

  • Sanierung und Ausbau der Transport- und Versorgungsinfrastruktur sowie des Telekommunikationsnetzes;
  • Bau sozialer Einrichtungen und von Wohnungen;
  • Wiederherstellung der Wirtschaft;
  • Entwicklung der Städte/Landkreise Aghdam (Ağdam) und Dschäbrajil (Cəbrayıl) zu regionalen Handels- und Logistikzentren.
Neue Wirtschaftsregionen in Westaserbaidschan auf einen Blick
 

Karabach (Qarabağ)

Ost-Sangesur (Şərqi Zəngəzur)

Bevölkerung 1)

741.300

302.500

  städtisch

244.900

64.600

  ländlich

496.400

237.900

Bevölkerungsdichte (Einwohnende je km2)

74

48

Anzahl der Städte

11

5

Registrierte Wirtschaftssubjekte 2)

 

 

  Große und mittlere Unternehmen

98

28

  Mikro- und Kleinunternehmen

4.181

933

  Private Gewerbetreibende

88.505

6.294

1 Stand: 1. Januar 2024; 2 Stand: 1. Januar 2025.Quelle: Staatliches Statistikkomitee 2025

Aktuelle Projekte in verschiedenen Sektoren

Dem Regierungsprogramm zufolge sollen zwischen 2025 und 2026/2027 folgende ausgewählte Vorhaben umgesetzt werden:

  • wichtige nationale und regionale Straßen mit einer Länge von 2.300 Kilometern (insgesamt rund 3.400 Kilometer);
  • zahlreiche kleinere Wasserkraftwerke;
  • Bau eines Wasserspeichers mit 70,5 Millionen Kubikmetern Fassungsvermögen im Landkreis Gubadli (Qubadlı);
  • Wohnungen und Schulen vor allem in den Städten Aghdam und Füsulim;
  • mehrere Smart-Villages-Projekte zur Digitalisierung im ländlichen Raum, darunter zwei im Landkreis Kalbadschar (Kəlbəcər);
  • mehrere Hospitäler auf Landkreisebene sowie zahlreiche medizinische Zentren für die ambulante ärztliche Versorgung.

Lokale Gewerbeparks heißen Investoren willkommen

In den beiden Wirtschaftsregionen verfügen die Landkreise Aghdam und Dschäbrajil über zwei öffentlich geförderte Industrieparks. In diesen freien Wirtschaftszonen sind Investoren – ähnlich wie in den anderen als Industrieparks ausgewiesenen Gewerbegebieten im Land – ab dem Tag der Firmenregistrierung zehn Jahre lang von folgenden Steuern befreit:

  • Gewinnsteuer;
  • Vermögensteuer;
  • Grundsteuer;
  • Einfuhrumsatzsteuer und Zölle für importierte Maschinen, Ausrüstungen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Zwischenprodukte.

Zusätzlich kommen Unternehmen in Karabach und Ost-Sangesur generell in den Genuss bestimmter Vorzugsbedingungen. Dazu zählen zinsgünstige Investitionskredite, Zuschüsse zur Sozialversicherung und zu kommunalen Dienstleistungen sowie Kreditgarantien seitens des aserbaidschanischen Staates.

Eckdaten zu den Industrieparks Aghdam und Aras-Tal in WestaserbaidschanStand: Ende Februar 2025
 

 Aghdam

Aras-Tal

Fläche, insgesamt verfügbar 1)

190

200

Fläche, bereits vergebene Grundstücke 1)

125

60

Investitionen, zugesagt insgesamt 2)

160

77

Investitionen, bereits realisiert 2)

57

15

Arbeitsplätze, insgesamt zugesagt

2.400

1.800

Arbeitsplätze, bereits geschaffen

380

100

1 in Hektar; 2 in Millionenen US-Dollar.Quelle: İZİA – Agentur für die Entwicklung von Wirtschaftszonen 2025

Im Industriepark Aghdam haben bisher neun Betriebe ihre Produktion aufgenommen. Zehn Fabriken befinden sich im Bau. Die Produktpalette umfasst Baustoffe, Metallerzeugnisse, Tapeten, Schuhe und andere Erzeugnisse. Die Ausrüstungen für die Schuhfabrik lieferte ein deutsches Unternehmen. Ein türkischer Hersteller von Kochgeschirr aus Metall will Tafelbestecke produzieren.

Im Industriepark Aras-Tal ist bislang nur ein Unternehmen aktiv. Weitere fünf Investoren planen aktuell, sich dort niederzulassen. Dazu zählt das litauische Unternehmen Dominari, das einen Möbelcluster seit Oktober 2024 in fünf Ausbaustufen errichtet.

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