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Klimaschutz-AtlasEnergie: Im Stromnetz vollzieht sich ein tiefgreifender Wandel
Die Regierung setzt ein frisches Signal für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff. Bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien sorgen auch die Bundesstaaten für hohes Tempo.
04.09.2023
Von Heiko Stumpf | Sydney
Energieversorgung
Australiens Energieverbrauch wird noch zu über 90 Prozent durch fossile Brennstoffe dominiert. In Zukunft soll neben der Elektrifizierung insbesondere grüner Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Aufgrund der ausgezeichneten Ressourcen für Wind und Solar will sich Australien zu einer führenden Exportnation entwickeln.
Landesweit befinden sich mehr als 100 Wasserstoffprojekte mit einem Investitionsvolumen von umgerechnet über 160 Milliarden US-Dollar (US$) in der Planung. Jedoch zeigt sich, dass der Weg zur Wasserstoffnation kein Selbstläufer ist.
Industrievertreter mahnen, dass Australien dringend eine Antwort auf Förderprogramme wie den Inflation Reduction Act der USA oder den European Green Deal finden muss. Nach Studien von Deloitte droht die australische Wasserstoffproduktion bis 2050 ansonsten um 65 Prozent hinter ihren Möglichkeiten zurückzubleiben.
Als Reaktion kündigte die Regierung im Mai 2023 das "Hydrogen Headstart Program" an. Dieses soll 1,4 Milliarden US$ für die Produktion von grünem Wasserstoff bereitstellen. Die Details müssen noch ausgearbeitet werden.
Stromerzeugung
Ein zentraler Punkt der klimapolitischen Agenda ist die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien bis 2030 auf 82 Prozent. Dabei wird insbesondere auf den Ausbau der Stromübertragungskapazitäten durch das mit 14 Milliarden US$ dotierte "Rewiring the Nation Program" gesetzt.
In den vergangenen Jahren stellen Probleme beim Netzanschluss das größte Hemmnis für den Ausbau der erneuerbaren Energien dar. Zahlreiche Wind- und Solarparks hatten durch unzureichende Netzkapazitäten mit Verzögerungen und Kostensteigerungen zu kämpfen.
Die Mittel für den Netzausbau werden als zinsvergünstigte Kredite durch die staatliche Clean Energy Finance Corporation vergeben und können von beteiligten Übertragungsnetzbetreibern abgerufen werden. Die ersten Tranchen fließen in Projekte in New South Wales und Victoria.
Massiver Zubau von Wind- und Solarkraft erforderlich
Der für die Erreichung der Klimaziele erforderliche Ausbau der erneuerbaren Energien ist enorm. Im Stromnetz der Ostküste, dem National Electricity Market (NEM), müssen nach Prognosen des Australian Energy Market Operator (AEMO) bis 2030 neue Wind- und Solarfarmen mit einer Leistung von etwa 32 Gigawatt entstehen. Hinzu käme ein Zubau bei Solardachanlagen von mehr als 18 Gigawatt.
Über den NEM werden rund 80 Prozent des landesweiten Strombedarfs abgedeckt. Im Jahr 2021 lag die Spitzenlastnachfrage im NEM bei knapp 32 Gigawatt, bei einer installierten Gesamtleistung von etwa 56 Gigawatt. Neben dem NEM gibt es in Australien noch eine Reihe von isolierten kleineren Netzen, beispielsweise an der Westküste.
Im Zuge der voranschreitenden Elektrifizierung wird sich der Strombedarf im NEM nach Prognosen von AEMO bis 2050 verdreifachen und rund 320 Terawattstunden erreichen. Ein Teil der steigenden Nachfrage könnte künftig durch Offshore-Windkraft gedeckt werden. Die Regierung hatte 2022 erstmals einen Rechtsrahmen für Offshore-Windparks geschaffen. Windkraftentwickler arbeiten bereits an rund 30 Projekten mit einer Leistung von mehr als 65 Gigawatt.
Zur Netzintegration der erneuerbaren Energie werden zudem große Stromspeicherkapazitäten benötigt. Schon heute ist Australien Vorreiterland für große Batteriespeicher. Allein im NEM befinden sich Projekte mit einer Leistung von rund 39 Gigawatt in Planung. Zudem vollzieht sich ein großflächiger Ausbau der Pumpspeicherkraft. Landesweit sollen rund 18 Projekte mit einer Gesamtleistung von etwa 14 Gigawatt entstehen.
Projekte für grünen Strom gewinnen an Fahrt
Die verstärkten Klimaschutzbemühungen der Regierung sorgen für positive Marktsignale. Dafür spricht ein deutlicher Anstieg bei den getroffenen Investitionsentscheidungen. Nach Angaben des Clean Energy Regulators gab es 2022 grünes Licht für Solar- und Windprojekte mit einer Leistung von 4,3 Gigawatt – ein Plus von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser Trend dürfte sich 2023 fortsetzen.
Die derzeit im NEM installierten Kohlekapazitäten von 23 Gigawatt sollen nach Erwartung von AEMO bis 2040 hingegen fast vollständig vom Netz gehen. Tatsächlich könnte dieser Prozess sogar deutlich schneller vonstattengehen. So ist das Aus für das größte Kohlekraftwerk des Landes, Eraring (2.880 Megawatt), für 2025 vorgesehen – sieben Jahre früher als ursprünglich geplant. Auch andere Versorger wie AGL Energy oder Alinta Energy verkürzen die geplanten Laufzeiten ihrer Kohlemeiler.
Durch die Menge an Solarstrom, insbesondere durch netzeinspeisende Heimanlagen, wird der Betrieb von Kohlekraftwerken zunehmend unwirtschaftlich. Tagsüber fallen die Spotpreise im NEM immer häufiger in den negativen Bereich. Unflexible Kohlekraftwerke schreiben dann Verluste.
Bundesstaaten übernehmen Führungsrolle für erneuerbare Energien
Sehr ehrgeizige Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien formulieren die australischen Bundesstaaten. New South Wales, Victoria und Queensland planen den Bau großer Sonderzonen für erneuerbare Energien. Diese sollen mit guter Infrastruktur den Netzanschluss beschleunigen.
Die drei in Queensland geplanten Sonderzonen (Renewable Energy Zone; REZ) sollen bis 2035 eine regenerative Erzeugungsleistung von 22 Gigawatt beherbergen. New South Wales will insgesamt fünf REZ errichten. Als Erstes werden die Zonen Central-West Orana und New England in Angriff genommen, welche für eine installierte Leistung von mindestens 12 Gigawatt ausgelegt sind.
Das Tempo der Energiewende verläuft unterschiedlich. Tasmanien versorgt sich dank sehr guter Bedingungen für Wasser- und Windkraft bereits vollständig durch erneuerbare Energie. Auch South Australia gehört mit einem regenerativen Anteil an der Stromerzeugung von rund 65 Prozent zu den Vorreitern. In Ostküstenstaaten wie New South Wales oder Queensland liegt der Ökostromanteil jedoch noch unter 30 Prozent.