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Wirtschaftsausblick | Bangladesch

Bangladeschs Wirtschaft blickt optimistisch in die Zukunft

Das Wachstum ist nach Regierungsumsturz und Flut verhalten. Mit Reformen und Plänen für den Infrastrukturausbau stellt die Übergangsregierung aber die Weichen für die Zukunft.

Von Werner Kemper | New Delhi

Top-Thema: Übergangsregierung leitet Reformen ein

Bangladesch wird seit August 2024 von einer Übergangsregierung unter Muhammad Yunus geführt. Gewaltsame Proteste hatten in der Absetzung der Vorgängerregierung gemündet. Der Nobelpreisträger Yunus steht vor der schwierigen Aufgabe, das Land zu einen und gleichzeitig dringend benötigte Reformen auf den Weg zu bringen. Erste Erfolge wurden bereits erzielt: Die Geldwäsche wurde nahezu komplett gestoppt, die Währungsreserven haben zugelegt und der Wechselkurs hat sich stabilisiert. Außerdem leitete Yunus Schritte ein, um dem kriselnden Finanzsektor unter die Arme zu greifen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Banken wiederherzustellen. In- und ausländische Investitionen ziehen aufgrund des zunehmenden Vertrauens in die Reformpolitik der Übergangsregierung wieder an.

Allerdings hält sich die hohe Inflation hartnäckig und lag Ende November 2024 immer noch bei rund 10 Prozent. Auch die für Bangladesch extrem wichtige Textil- und Bekleidungsindustrie schwächelt noch. Dies gilt ebenso für die meisten anderen Zweige des verarbeitenden Sektors. 

Zu den Auswirkungen der Unruhen kommen die enormen Schäden durch eine schwere Flut im August 2024 hinzu. Neben den Verlusten von Menschenleben und Existenzen gibt es noch immer Disruptionen im Produktionsprozess. Auch wenn die genaue Höhe der Schäden noch nicht beziffert werden kann, ist klar, dass sie sich negativ auf die prognostizierten Wachstumsraten der nächsten Jahre auswirken werden.

Die Ereignisse treffen vor allem die sozial schwachen Bevölkerungsschichten hart. Die Übergangsregierung muss entsprechende Reformen, beispielsweise in den Sozialsystemen, einleiten. Die Reduzierung der Abhängigkeit von Lebensmittel- und Energieimporten bietet ebenfalls Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Lebenssituation der Ärmeren. Insbesondere die Hinwendung zu erneuerbaren Energien und die damit einhergehende Reduktion von Importen fossiler Brennstoffe würde der Kostenexplosion entgegenwirken.

Infrastrukturprojekte verzögern sich

Momentan werden staatliche Einrichtungen neu strukturiert. Daher werden sich Prozesse rund um Infrastrukturprojekte bis etwa Mitte 2025 verzögern. Die Übergangsregierung stellt den Ausbau der Infrastruktur jedoch in den Mittelpunkt, so dass ab spätestens Anfang 2026 mit einem Wachstumsschub zu rechnen ist. Zudem sollen neue Sonderwirtschaftszonen entstehen, die ebenfalls für Dynamik sorgen dürften. 

Wirtschaftsentwicklung: Ab kommendem Finanzjahr wird robustes Wachstum erwartet

Zwischen den Finanzjahren 2025/2026 (1. Juli bis 30. Juni) und 2028/2029 erwartet die Economist Intelligence Unit (EIU) ein reales Wachstum des Bruttoinlandprodukts von durchschnittlich 6,5 Prozent pro Jahr. Eine höhere politische Stabilität und die Rückkehr des Vertrauens der Investoren werden für ein stabiles Wirtschaftsumfeld sorgen. Vor allem Dienstleistungen und das verarbeitende Gewerbe werden das Wachstum bestimmen.

Innerhalb des Dienstleistungssektors werden mittelfristig vor allem Finanzdienstleistungen, Groß- und Einzelhandel, Logistik sowie der Immobiliensektor gute Ergebnisse liefern. Allerdings beschränken auch in Bangladesch fehlende Fachkräfte das Wachstum, obwohl es ein riesiges Angebot an Arbeitskräften gibt. Ein weiteres Risiko für das Wirtschaftswachstum besteht im Klimawandel, der zu einer zunehmenden Wasserknappheit sowie Versalzung des Bodens und damit niedrigeren landwirtschaftlichen Erträgen führen kann. Der Agrarsektor beschäftigt nach wie vor rund 50 Prozent der Bevölkerung.

Bangladesch wird für ausländische Investoren alleine schon wegen des niedrigen Lohnniveaus und des enormen Binnenmarktes attraktiv bleiben. Die zunehmende Verstädterung und das Anwachsen der Mittelklasse wird den Bausektor antreiben, was auch deutschen Lieferanten zu Gute kommen kann.

Bangladesch wird bei Bekleidungsausfuhren von Vietnam überholt

Die Ausfuhren aus Bangladesch bestehen traditionell zu 80 bis 90 Prozent aus Bekleidung. Im Jahr 2023 war das Land mit Exporten von 38 Milliarden US-Dollar (US$) hinter China (165 Milliarden US$) das zweitwichtigste Exportland von Bekleidung weltweit. Durch die jüngsten Ereignisse wird Bangladesch 2024 bei der Bekleidungsausfuhr aber wahrscheinlich von Vietnam überholt werden. 

Der bangladeschische Außenhandel sinkt derzeitWarenhandel; in Milliarden US$
 

2021

2022

2023

Importe 1

78,3

88,4

64,6

Exporte 2

54,9

68,3

55,2

Berechnungen anhand von Spiegelstatistiken; Finanzjahre vom 1. Juli bis 30. Juni; 1 Cost, Insurance, Freight (cif); 2 Free on Board (fob).Quelle: ITC Trade Map 2024

Hintergrundinformationen zu diesen und weiteren Wirtschaftsdaten bietet unsere Reihe Wirtschaftsdaten kompakt.

Deutsche Perspektive: Bilateraler Handel ist 2024 eingebrochen

Die gewaltigen Disruptionen in dem südasiatischen Land treffen auch den Handel mit Deutschland. Deutsche Exporte nach Bangladesch sind bereits seit Anfang 2024 im Sinkflug. Der Rückgang betrug in den ersten acht Monaten des Jahres auf US-Dollar-Basis 34,1 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode. Im Finanzjahr 2024/2025 muss mit einem weiteren drastischen Rückgang gerechnet werden. 

Die deutschen Importe aus Bangladesch waren mit einem Minus von nur 1,1 Prozent vergleichsweise stabil. Aber auch hier werden sich die negativen Auswirkungen der Disruptionen erst im weiteren Fiskaljahresverlauf in den Statistiken bemerkbar machen. Gegen Ende des Finanzjahres 2024/2025 dürften die deutschen Einfuhren aus Bangladesch wieder anziehen.

Freihandelsabkommen zwischen EU und Bangladesch perspektivisch möglich

Die EU hat signalisiert, sich mit der Interimsregierung grundsätzlich über ein Freihandelsabkommen auszutauschen zu wollen. Allerdings wird es erst nach einer Neuwahl zu ernsthaften Gesprächen kommen. Auch muss Bangladesch noch etliche Reformen umsetzen, die Bedingung für ein Abkommen mit der EU sind. Selbst unter optimistischsten Annahmen wird es vor 2030 nicht zu einer Vertragsunterzeichnung kommen.

Alle Informationen zu Bangladesch finden Sie auf der GTAI-Länderseite.

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