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Branche kompakt | Belgien | Windenergie

Belgien will mehr als doppelt so viel Energie aus Wind erzeugen

Belgien will bis 2030 Windkraftanlagen im Umfang von 5,5 Gigawatt hinzubauen. Drei Nordseewindparks sind die größten Investitionsvorhaben.

Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktüberblick

    Günstige Windbedingungen und der politische Wille zum Energieumbau schaffen ein gutes Investitionsklima für neue Rotoren. Problematisch sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten.

    Markttreiber und -hemmnisse

    Treiber

    Hemmnisse

    Anstrengungen zur Klimaneutralität und unsichere Gasversorgung erfordern hohe Investitionen in Windkraft

    Regionale Autonomie in der Energiepolitik führt zu unterschiedlichen Zielen und Investitionsbedingungen

    Windkraft ist dank der natürlichen Gegebenheiten ein sehr ergiebiger Energieträger

    Dichte Besiedlung erschwert vor allem im Hinterland der Nordsee die Errichtung großer Windparks

    Große Industriebetriebe investieren in eigene Anlagen

    Realisierung neuer Nordseewindparks erst ab 2026 erwartet

    Quelle: Analyse von Germany Trade & Invest

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Politische Ziele

    Windkraft hat 2021 circa 14 Prozent des belgischen Stroms erzeugt. Damit ist sie die wichtigste erneuerbare Energiequelle. Sehr viel bedeutender sind jedoch Atomkraft und Erdgas.

    Energiemix muss sich schneller modernisieren

    Ende 2021 waren in Belgien Windkraftrotoren mit einer Gesamtleistung von 4,8 Gigawatt am Netz. Davon befanden sich 2.254 Megawatt an Standorten in der Nordsee, 1.351 Megawatt in Flandern und 1.197 Megawatt in Wallonien. Die zweitwichtigste erneuerbare Stromquelle ist Fotovoltaik.

    Viele Zuständigkeiten führen oft zu Verzögerungen

    Belgien gliedert sich in drei Regionen mit hoher Autonomie: Flandern, Wallonien und die Hauptstadtregion Brüssel. Die föderale Regierung ist in der Energiepolitik nur für Atomkraftwerke und Nordseewindparks zuständig. Bei allen anderen Energieträgern entscheidet die Region in ihrem jeweiligen Gebiet. Dies erschwert die Implementierung einer kohärenten Energiewende. Der forcierte Ausbau der Windenergie ist daher auch deshalb vonnöten, weil Belgien seine selbstgesteckten Ziele zuletzt nicht erreicht hat. Im Jahr 2020 haben die Nettoimporte von Energie die heimische Erzeugung um das drei- bis vierfache übertroffen.

    Daher ist Belgien Anfang 2022 vom eigentlich 2025 geplanten Atomausstieg abgerückt

    Stattdessen sollen die Reaktoren Tihange drei und Doel vier trotz wiederholter Sicherheitsabschaltungen in den letzten Jahren noch bis 2035 weiterlaufen, da diese die wichtigsten Stromproduzenten sind. Hinzu kommt die jüngste Versorgungsunsicherheit beim Erdgas durch Russlands kriegerische Handlungen in der Ukraine. Daher erwägt die belgische Regierung, auch den älteren Block zwei in Tihange bis auf weiteres am Netz zu lassen.

    Auch Belgiens Nationaler Energie- und Klimaplan bis 2030 ergibt sich aus den regionalen und föderalen Einzelplänen und ist nicht etwa eine nationale Vorgabe, welche die Gebieten dann umsetzen. Dieser Plan sieht vor, dass von 2021 bis 2030 jährlich im Schnitt 613 Megawatt an Windkraftrotoren in Belgien hinzukommen.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktorganisation

    Der größte belgische Stromerzeuger hat eine stärkere Marktstellung als in den meisten anderen europäischen Ländern.

    Jede Region hat eine eigene Energieagentur

    Wegen der föderalen und regionalen Zuständigkeiten variieren die Erfordernisse bei Genehmigungen oder die Abnahmeverpflichtungen für Windkraft. Dies gilt nicht nur für die Institutionen, sondern auch für die Amtssprachen. Auskunft geben hierzu die vier Regulierungsagenturen. Diese sind auf der nationalen Ebene die CREG (Commission de Régulation de l'Electricité et du Gaz), in Flandern die VREG (Vlaamse Reguleringsinstantie voor de Elektriciteits- en Gasmarkt), in Wallonien die CWaPE (Commission Wallonne Pour l'Energie) und in der Hauptstadtregion Brüssel die Regulierungskommission für Energie (Commission de Régulation pour l'Energie en Région de Bruxelles-Capitale).

    Diese vier regulierenden Instanzen vergeben auch die Lizenzen beziehungsweise Zertifikate für grüne Energie. Nur noch Wallonien bietet eine festgesetzte Einspeisevergütung. Diese beträgt 65 Euro je Megawattstunde. In Flandern, der Hauptstadtregion Brüssel und bei Nordseewindparks sind die Tarife auszuhandeln.

    Das belgische Hochspannungsnetz besitzt und betreibt das Unternehmen Elia System Operator S.A. Dieses muss alle mittels Windkraft erzeugte Elektrizität abnehmen. Für die Stromübertragung und -verteilung bis zu einer Spannung von 70 Kilovolt sind die drei regionalen Agenturen zuständig.

    Größtes Stromversorgungsunternehmen hat immer noch starke Stellung

    Auf Belgiens liberalisierten Strommarkt ist die Dominanz des größten Versorgungsunternehmens, des AKW-Betriebs Energie Electrabel S.A., in den letzten Jahren zurückgegangen. Dennoch hatte der zum französischen Engie-Konzern gehörende Anbieter 2020 immer noch einen  Marktanteil von 53 Prozent. Diese Quote ist höher als in 16 anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU). Daneben existieren viele oftmals kleine Anbieter, die zum Teil nur in bestimmten Gebieten am Markt sind. Vollständige Verzeichnisse aller Versorgungsbetriebe bieten die Regulierungen von Flandern, Wallonien und Brüssel.

    In Belgien sind die Strompreise für große Industriekunden sehr viel vorteilhafter als für Haushalte. Im zweiten Halbjahr 2021 waren die Kosten für gewerbliche Abnehmer - etwa mit einem Jahresverbrauch von 2 Gigawattstunden bis 20 Gigawattstunden - inklusive aller Steuern und Abgaben um 12,4 Prozent niedriger als im EU-Mittel. Belgische Haushalte mit einem jährlichen Bezug von 2 Megawattstunden bis 5 Megawattstunden mussten dagegen im Schnitt die drittteuersten Strompreise in der EU bezahlen. Die Elektrizitätskosten variieren in Belgien allerdings regional, da die Abgaben unterschiedlich hoch sind.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Marktchancen

    Zu Lande und zu Wasser bieten sich für deutsche Ausrüstungsbetriebe von Windkraftanlagen gute Geschäftsmöglichkeiten. Grund ist die fehlende Fertigung. 

    Zubau von 5,5 Gigawatt bis 2030 geplant

    Auf dem belgischen Festland will die Region Flandern in ihrem Gebiet von 2022 bis 2030 zusätzliche Windkraftrotoren mit einer Gesamtkapazität von 1.143 Megawatt errichten. Wallonien plant einen Nettoausbau um 871 Megawatt. Die Hauptstadtregion Brüssel setzt in ihrer Energieversorgung nicht auf Windkraft. Dies liegt an der durchgängigen Bebauung beziehungsweise urbanen Flächennutzung.

    Auch in den übrigen Landesteilen ist die Bevölkerungsdichte höher als in fast allen anderen europäischen Regionen. Daher realisieren Investoren auch dort fast nie große Windparks. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Unternehmen Luminus, das nach eigenen Angaben der größte belgische Stromerzeuger aus Windkraft auf dem Festland ist. Luminus betreibt dort Rotoren mit einer Gesamtleistung von 658 Megawatt. Die einzelnen Standorte haben jedoch meist nur eine bis vier Turbinen. So auch an zehn neuen Lokalitäten, wo jeweils bis zu vier Anlagen hinzukommen sollen. Nur in Ventori umfasst ein Projekt von Luminus 15 Rotoren.

    Häfen und Industriebetriebe investieren in eigene Windrotoren

    Luminus plant auch Windanlagen mit Industrieunternehmen, so mit AGS Glass Europe in Zeebrugge und mit der Technologiegruppe ATS in Gent. Beide Standorte befinden sich in Hafengebieten. Generell haben alle belgischen Seehäfen auch große Industriezonen. Dies gilt insbesondere für Antwerpen, dessen Hafenareal sich über 40 Kilometer erstreckt und Europas größtes Chemiecluster beinhaltet. Daher sind diese Häfen hervorragende Standorte für Windrotoren, welche die Unternehmen auch zur Eigenversorgung errichten.

    Aufgrund der belgischen Industriestruktur kommt dabei in erster Linie die energieintensive (Petro)Chemie in Frage. Diese hat 2020 inklusive der Arzneimittelhersteller 36,5 Prozent des gesamten Produktionswertes von Belgiens verarbeitendem Gewerbe erzeugt. Sehr wichtig sind auch die Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeiter (20,4 Prozent) und die Metallindustrie einschließlich der Kfz-Branche und des Maschinenbaus (14,8 Prozent). Darüber hinaus investieren auch große Logistikunternehmen und andere Dienstleister in Windkraftanlagen.

    In der Nordsee entstehen weitere drei Windparks

    Der größte Kapazitätsausbau findet in den kommenden Jahren jedoch in der Nordsee statt. Dort sollen bis 2030 über 63 Prozent aller neuen belgischen Windkraftanlagen in Betrieb gehen. Die Investitionskosten sind laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien IRENA in der belgischen Nordsee zwischen 2010 und 2020 um 44 Prozent und damit stärker als in jedem anderen Land gesunken. Das Niveau war 2020 in Belgien mit 3.545 US$ pro Kilowatt auch niedriger als in Deutschland (3.739 US$).

    Drei große Windparks sind in der Planung. Das Areal hierfür heißt „Prinzessin-Elisabeth-Zone“ und befindet sich etwa 30 Kilometer bis 50 Kilometer vor der belgischen Küste entlang der Seegrenze zu Frankreich. Dort wird bis Mitte 2026 zunächst eine Energieinsel entstehen, von der aus die Windkraftanlagen gebündelt mit dem Festland verbunden werden. Hierfür sucht der belgische Hochspannungsnetzbetreiber Elia System Operator S.A. Mitte 2022 einen Unterwasserkabellieferanten.

    Wenn die Verbindungsinsel fertig ist, soll von Mitte 2026 bis Ende 2027 zunächst der mit einer Kapazität von 700 Megawatt kleinere Windpark Noordhinder Zuid entstehen. Danach folgen die Parks Noordhinder Noord bis Ende 2028 beziehungsweise bis Ende 2029. Diese sind beide mit jeweils 1.400 Megawatt doppelt so leistungsstark.

    Windprojekte in Belgien

    Projektbezeichnung 

    Leistung (MW)

    Unternehmen

    Status

    Offshore-Windpark Noordhinder Zuid

    700

    k.A.

    Studienphase

    Offshore-Windpark Noordhinder Noord

    1.400

    k.A.

    Studienphase

    Offshore-Windpark Fairybank

    1.400

    k.A.

    Studienphase

    Quelle: Föderaler öffentlicher Dienst Wirtschaft, kleine und mittlere Betriebe, Mittelstand und Energie; Elia Systems Operator S.A.¸ Medienberichte

    Alle bisherigen belgischen Offshore-Windanlagen befinden sich längs der niederländischen Seegrenze, etwa 23 Kilometer bis 54 Kilometer von der Küste, entfernt. Insgesamt sind dort neun Windparks mit einer Gesamtleistung von 2.254 Megawatt in Betrieb. Im Jahr 2021 haben sie zwei Millionen belgische Haushalte mit Strom versorgt. Die letzten 2020 ans Netz gegangenen Windparks haben dabei eine Vergütung von 79 Euro je Megawattstunde über 16 Jahre zugesagt bekommen.

    Kopplung an Wasserstoffanlagen

    Belgien investiert auch in die Wasserstoffnutzung. Bis 2026 sollen Elektrolysekapazitäten im Umfang von insgesamt 150 Megawatt entstehen. Hierfür stehen auch Fördergelder der EU zur Verfügung. Viele Wasserstoffanlagen entstehen an der Küste oder im flämischen Hinterland, da sie aus Nordseewind generierten Strom verwenden sollen.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Markthemmnisse

    Im EU-Land Belgien bestehen für deutsche Anbieter keine besonderen Hemmnisse beim Marktzugang. Die Vorbereitung von Projekten ist jedoch wegen der vielen Zuständigkeiten komplex.

    Dichte Besiedlung erschwert Realisierung großer Windparks

    Ein entscheidendes Hindernis für große Windparks zu Lande ist die sehr dichte Besiedlung. In Belgien haben 2019 im Schnitt 377 Menschen auf einem Quadratkilometer zusammengelebt (Deutschland: 235 Einwohner). Gerade im windreichen unmittelbaren Hinterland der Nordsee - das heißt in West- und Ostflandern sowie in der Provinz Antwerpen - ist diese Bevölkerungsdichte mit bis zu 665 Personen besonders hoch.

    Ein hoher Aufwand kann beim Markteintritt auch durch die unterschiedlichen Institutionen, Amtssprachen und Regeln auf der föderalen, regionalen und kommunalen Ebene entstehen. So sind etwa Umweltgenehmigungen bei Städten und Gemeinden einzuholen. Aus diesem Grund ist deutschen Lieferanten die frühzeitige Zusammenarbeit mit Projektierern vor Ort zu empfehlen.

    Eine Mitarbeitersuche kann sich wegen des zunehmenden Fachkräftemangels als langwierig und schwierig erweisen. Dies gilt insbesondere für Flandern, wo annähernd Vollbeschäftigung herrscht. Bei der Entsendung von eigenen Mitarbeitern kann das Anmeldeverfahren komplex sein. Dies gilt auch für Fragen der Versteuerung. Einen umfassenden Service zur Anmeldung und Mitarbeiterentsendung bietet unter anderem die AHK Debelux an.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Branchenstruktur

    In Belgien gibt es viele Dienstleistungen für Windkraftanlagen. Die Rotoren liefern die führenden internationalen Hersteller aus dem Ausland.

    Belgische Fachfirmen konzentrieren sich auf Serviceleistungen

    Deutsche Anbieter wie Nordex, Enercon und Siemens Gamesa sind in den letzten Jahren erfolgreich zum Zuge gekommen. Die belgischen Firmen sind in der Projektierung tätig, hinzu kommen spezialisierte Logistik-, Aufbau- und Wartungsfirmen. Einige Unternehmen, etwa in der IKT-Steuerung, sind dank ihrer hohen Kompetenz auch in Deutschland und auf anderen Auslandsmärkten erfolgreich.

    Räumliches Zentrum der belgischen Dienstleister von Offshore-Windparks ist die Hafenstadt Ostende. Dort hat auch das Belgian Offshore Cluster seinen Sitz, das jährlich im März die „Belgian Offshore Days“ veranstaltet. Darüber hinaus organisiert sich die belgische Windenergiebranche in verschiedenen Initiativen. Hier ist die „Belgian Offshore Platform“ zu nennen, ferner der flämische Verband VWEA, die Agentur Energie Commune und der Verband für erneuerbare Energien Edora.

    Die belgische Windindustrie hat 2020 laut EurObeserv’ER 2,7 Milliarden Euro umgesetzt. Damit lag sie in der EU an fünfter Stelle.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Kontaktadressen

    Zu beachten sind die teilweise regional zuständigen Institutionen und Verbände. 


    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft, auch Hinweise zu Ausschreibungen

    Exportinitiative Energie

    Informationen zu Veranstaltungen, Markt- und Länderinformationen

    AHK Debelux

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Föderaler öffentlicher Dienst Wirtschaft, kleine und mittlere Betriebe, Mittelstand und Energie; Generaldirektorat Energie

    in der belgischen Föderalregierung zuständig für Energiepolitik

    VEA (Vlaams Energieagentschap)

    Flämische Energieagentur, zuständig für die Umsetzung der entsprechenden Politik

    Service public de Wallonie - Énergie

    Öffentlicher Dienst von Wallonien - Energie

    Institut Bruxellois pour la Gestion de l'Environnement

    Brüsseler Institut für Umweltmanagement; zuständig für die Umsetzung der Energiepolitik

    CREG (Commission de Régulation de l'Electricité et du Gaz)

    Föderale Elektrizitäts- und Gasregulierungskommission

    VREG (Vlaamse Reguleringsinstantie voor de Elektriciteits- en Gasmarkt)

    Flämische Regulierungsinstanz für den Elektrizitäts- und Gasmarkt

    CWaPE (Commission Wallonne Pour l'Energie)

    Wallonische Kommission für Energie

    Commission de Régulation pour l'Energie en Région de Bruxelles-Capitale)

    Regulierungskommission für Energie der Region Brüssel-Hauptstadt

    Belgian Offshore Cluster

    Cluster von Offshore-Ausrüstern

    Belgian Offshore Platform

    Vereinigung der belgischen Offshore-Windparks

    VWEA (Vlaamse WindEnergie Associatie)

    Flämischer Windenergie-Verband

    Energie Commune

    Vereinigung zur Förderung erneuerbarer Energien

    EDORA (Fédération des énergies renouvelables)

    Verband erneuerbarer Energien

    Belgian Offshore Days

    jährliche Offshore-Windmesse in Ostende; nächste: März 2023

    Von Torsten Pauly | Berlin

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