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Branche kompakt | Belgien | Maschinenbau

Forschungs- und Produktionsdichte erleichtert Krisenüberwindung

Viele Maschinen- und Anlagenbauer sind stark an der Schnittstelle zur Elektronik, Mechatronik und Digitalisierung. Die Branche soll 2021 wieder wachsen.

Von Torsten Pauly | Berlin

  • Markttrends

    Die Industrieinvestitionen sind 2020 vorübergehend gesunken. Dadurch bildet sich aber ein Nachholbedarf, der mit Verzögerung zu höheren Aufträgen führen wird.

    Anzeichen für Konjunkturerholung stehen gut

    Anfang 2021 sind die Aussichten im belgischen Maschinen- und Anlagenbau wieder besser als noch vor einigen Monaten. Im ersten Quartal 2021 waren die Kapazitäten der Branche zu 81,6 Prozent ausgelastet. Dieses Niveau war das höchste seit einem Jahr und auch besser als im Schnitt des verarbeitenden Gewerbes insgesamt (78,9 Prozent). Diese Angaben erhebt die Belgische Nationalbank.

    Auch in wichtigen Abnehmerbranchen von Maschinen und Anlagen haben sich die Geschäftsaussichten zuletzt verbessert. Im verarbeitenden Gewerbe waren die Erwartungen sowohl zur kommenden Produktion als auch zu den erwarteten Auftragseingängen im März 2021 erneut gestiegen. Sie lagen dabei deutlich über dem langjährigen Mittelwert. Auch das Baugewerbe hat seine Auftragslage und seinen Ausrüstungsbedarf im März 2021 besser als im langjährigen Durchschnitt eingeschätzt. Insgesamt soll das belgische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2021 um 3,9 Prozent wachsen. Das erwartet die Europäische Kommission.

    Coronaeinbruch hat die Branche hart getroffen

    Die Covid-19-Pandemie hat sich auf die belgischen Maschinen- und Anlagenbauer noch stärker als auf viele andere Branchen ausgewirkt. Zur Eindämmung der Infektionen hat die Regierung das öffentliche und wirtschaftliche Leben seit März 2020 wiederholt stark einschränken müssen.

    Auch internationale Lieferketten waren zeitweise unterbrochen. Darüber hinaus hatte die schlechte Konjunktur auf Auslandsmärkten für viele exportorientierte Hersteller hohe Auftragseinbrüche zur Folge. Insgesamt ist die belgische Produktion von Maschinen- und Anlagen 2020 daher laut ersten Schätzungen um 13,4 Prozent eingebrochen. Dieser Rückgang war noch weitaus höher als im verarbeitenden Gewerbe insgesamt (-3,6 Prozent). Das belgische BIP ist 2020 um 6,6 Prozent gesunken.

    Krise hat Modernisierungsstau entstehen lassen

    Im Zuge der schlechten Konjunktur hat das verarbeitende Gewerbe in Belgien seine Investitionen 2020 um 3 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro reduziert. Dabei war der Rückgang im Maschinen- und Anlagenbau mit 8,8 Prozent überproportional. Auch die Beschaffungen des Baugewerbes sind 2020 um 5,8 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro gesunken. Sogar um 14,5 Prozent geringer waren die Investitionen des Energiesektors (2,8 Milliarden Euro).

    Die meisten Projekte wurden wegen der Pandemie jedoch nur verschoben und nicht aufgehoben. Daher hat sich ein erheblicher Modernisierungsstau gebildet. Dieser sollte zu umso mehr Beschaffungen führen, wenn das Infektionsgeschehen abklingt und sich das Wirtschaftsleben normalisiert.

    Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes hat die Chemieindustrie 2020 etwa 19,8 Prozent und damit die meisten aller Investitionen getätigt. Es folgten die Nahrungsmittelverarbeiter (18,5 Prozent), die Pharmaindustrie (8,5 Prozent), die Metallbe- und -verarbeiter (7,5 Prozent sowie 6,6 Prozent), die Baustoffhersteller (5,4 Prozent), die Kfz-Industrie (5,2 Prozent) und die Getränkeverarbeiter (4,6 Prozent). Gegen den negativen Gesamttrend haben die Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Metallbearbeiter ihre Investitionen 2020 sogar ausgeweitet.

    Investitionen in Belgiens verarbeitendem Gewerbe (in Mio. Euro)

    Im Chemie- und Energiesektor laufen Großprojekte

    Große industrielle Investitionsvorhaben sorgen für besondere Auftragschancen. Dabei steht zum einen die Chemiebranche im Fokus, die mit Europas größtem Cluster in Antwerpen der wichtigste belgische Industriezweig ist. In Antwerpen investieren die Unternehmen Ineos und Borealis drei Milliarden Euro sowie eine Milliarde Euro in Anlagen zur Propandehydrogenierung. Eine weitere Milliarde Euro steckt der Total-Konzern in seine dortigen Raffinerien. Auch BASF wendet für eine Ethylenoxid-Anlage in Antwerpen 500 Millionen Euro auf.

    Im Energiesektor stehen neue Offshore-Windparks und Anlagen zur Wasserstoffnutzung im Fokus. In Ostende entsteht bis 2022 eine Elektrolyseanlage mit einer Kapazität von 50 Megawatt, die Windenergie in Wasserstoff umwandeln wird. Das Projekt hat den Titel „Hyport ®“ und soll bis 2025 noch erweitert werden. Auch in Zeebrugge soll 2023 die Elektrolyseanlage Hyoffwind mit einer Leistung von 25 Megawatt ihren Betrieb aufnehmen. In der Nordsee wird bis 2030 ein Zubau von Windkraftrotoren im Umfang von 1,7 Gigawatt erfolgen.

    Es gibt gute Voraussetzungen für Industrie-4.0-Innovationen

    Viele belgische Maschinenbauer sind stark in der Mechatronik, Elektronik, der digitalen Verknüpfung von Produktionsprozessen und in der Anwendung künstlicher Intelligenz. Damit sind sie auch für Entwicklungen von Industrie-4.0-Lösungen prädestiniert. Hierfür ist Antwerpen mit seinem Hafen und Chemiecluster eines der größten europäischen Testareale.

    Generell besticht der Maschinenbaustandort Belgien durch kurze Wege und eine hohe Forschungs- und Produktionsdichte. Branchenübergreifende Arbeitsgruppen unterhält der belgische Technologieverband Agoria, der neben Maschinen- und Anlagenbauern unter anderem auch die Elektronik- und Kfz-Industrie vereint. In Flandern und Wallonien existieren regionale Branchencluster. Bei den Forschungseinrichtungen ist neben den Universitäten in erster Linie das interdisziplinäre flämische Institut Vito zu nennen.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Branchenstruktur

    Der exportstarke Maschinenbau ist mit großen Herstellern, aber auch mit kleinen, erfolgreich auf Nischen spezialisierten Firmen eine führende Industriebranche.

    Viele Maschinenbausparten haben große Tradition

    Der Maschinen- und Anlagenbau hat 2019 etwa 6,3 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe erbracht. Damit ist er der drittgrößte belgische Industriezweig nach der Chemie- und Pharmabranche (31,9 Prozent) sowie der Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeitung (15,3 Prozent) und noch vor der Kfz-Industrie (6 Prozent). Der Auslandsabsatz hat für die Branche große Bedeutung und 2020 hat Belgien mit Maschinen und Anlagen einen weltweiten Exportüberschuss von 149 Millionen Euro generiert. Im Außenhandel mit Deutschland gab es allerdings ein Minus von 303 Millionen Euro.

    Die belgische Produktion von Maschinen- und Anlagen ist 2019 laut neuesten detaillierten Angaben um 2 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro gesunken. Im Jahr 2020 ist die Erzeugung der Branche dann laut ersten Schätzungen pandemiebedingt um 13,4 Prozent eingebrochen.

    Produktion in den wichtigsten Maschinenbausparten in Belgien (in Millionen Euro, Veränderung und Marktanteil in Prozent)

    Sparte (Prodcom-Nummer)

    2019


    Veränderung 2019/18 

    Marktanteil 

    Maschinen f. best. Wirtschaftszweige (u.a. Druck-, Elektronik-, Chemieind.) (2899)

    244,3

    -6,3

    21,0

    Hebezeuge u. Fördermittel (2822)

    210,9

    20,3

    19,8

    Maschinen f. d. Nahrungs-, Futtermittel- u. Getränkeherstellung u. f. d. Tabakverarbeitung (2893)

    191,9

    12,6

    18,0

    Maschinen f. d. Land- und Forstwirtschaft (283)

    171,4

    18,9

    16,1

    Hydraulische u. pneumatische Komponenten u. Systeme, Pumpen u. Kompressoren (2812, 2813)

    147,1

    -16,0

    13,8

    Maschinen f. d. Textil- u. Bekleidungsherstellung, d.

    Ledererzeugung u. -verarbeitung u. d. Herstellung v. Schuhen (2894)

    97,7

    -8,6

    9,2

    Sonstige (284, 2892, 2896)

    23,1

    -69,8

    2,1

    Quelle: Eurostat 2021

    Hersteller tätigen sehr hohe Investitionen

    Belgien ist ein Standort mit teuren Lohn- und sonstigen Kosten. Im Jahr 2018 hat ein im belgischen Maschinenbau Beschäftigter Personalkosten von durchschnittlich 67.300 Euro verursacht. Das war noch etwas mehr als in Deutschland (66.100 Euro). Daher investieren die Hersteller konstant in ihre Wettbewerbsfähigkeit. Im Jahr 2018 haben die belgischen Branchenunternehmen im Schnitt 9.700 Euro pro Mitarbeiter investiert - das war deutlich mehr als in Deutschland und der EU insgesamt (jeweils 7.300 Euro). 

    Im Jahr 2018 haben 1.104 belgische Maschinen- und Anlagenbauer laut neuesten verfügbaren Zahlen 31.122 Mitarbeiter beschäftigt. Weitere 2.949 Betriebe haben sich mit zusammen 21.137 Angestellten um die Aufstellung und Wartung von Maschinen und Anlagen gekümmert.

    Viele Unternehmen sind klein und auf Nischen spezialisiert. Die meisten Hersteller gab es in den Sparten industrielle Kälte- und Lufttechnik (16,7 Prozent), land- und forstwirtschaftliche Maschinen (12,4 Prozent), Hebezeuge und Fördermittel (12 Prozent), Pumpen, Kompressoren, pneumatische und hydraulische Systeme (7,4 Prozent), Werkzeugmaschinen (5,8 Prozent), Nahrungsmittel- und Getränkemaschinen (5,4 Prozent) sowie für Textil-, Bekleidungs- und Ledermaschinen (3,9 Prozent).

    Zu den führenden belgischen Branchenunternehmen zählt die Valtech Group, die dreizehn unterschiedliche Maschinen- und Anlagenbauer umfasst. Große Tradition haben auch der Teppich- und Textilmaschinenhersteller Van de Wiele, der auf Sonderanlagen, Schweißen und Zerspanung spezialisierte Anbieter Karl Hugo, das in Mechatronik, Automatisierung und Robotik starke Unternehmen Citius Engeineering und der Hersteller Cadmatic, der unter anderem Formmaschinen auf den Markt bringt.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Rahmenbedingungen

    Maschinen- und Anlagenbauer aus der Europäischen Union (EU) haben in Belgien keine Beschränkungen beim Marktzugang und bei Investitionen.

    Regionalmärkte haben große Bedeutung

    Es sind in Belgien allerdings erhebliche örtliche Unterschiede hinsichtlich Sprache, Gepflogenheiten und auch in Bezug auf die Mentalität zu beachten. Das Königreich Belgien teilt sich in drei Regionen mit einem hohen Autonomiestatus. Diese sind das niederländischsprachige Flandern, das frankophone Wallonien und die zweisprachige Hauptstadtregion Brüssel.

    Viele deutsche Anbieter bearbeiten den Markt daher mit unterschiedlichen Vertretern für die Sprachgruppen. Das Entsende- und Registrierungsverfahren für deutsche Firmen ist in Belgien auch bei zeitlich befristeten Einsätzen komplex, nicht zuletzt bei steuerlichen Fragen. Hierzu bietet unter anderem die AHK Debelux einen umfassenden Service an.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union (EU) sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.). In Belgien ist hierfür das Büro für Standardisierung NBN zuständig.Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Torsten Pauly | Berlin

  • Kontaktadressen

    In Belgien gibt es keinen speziellen Verband für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau. Die Unternehmen sind in verschiedenen, teilweise auch regionalen Vereinigungen Mitglied.

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Debelux

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Föderaler Öffentlicher Dienst Wirtschaft, Klein- und Mittelbetriebe, Mittelstand und Energie

    Wirtschaftsministerium der Föderalregierung

    NBN

    Büro für Standardisierung

    Agoria

    Verband der Technologieindustrie (u.a. Maschinenbau, Elektronik-, Elektro-, Kfz-Industrie), mit regionalen Unterverbänden

    Federation of Enterprises in Belgium VOB-FEB

    Größter Unternehmensdachverband Belgiens, Regionen übergreifend

    Cluster Machinebouw & Mechatronica

    Cluster für Maschinenbau und Mechatronik in Westflandern

    Pôle Mecatech

    Wallonisches Cluster für Maschinenbau und Mechatronik

    Sirris

    Cluster von Forschung und Industrie an der Schnittstelle von Produktionsprozessen, Mechatronik, IKT und Materialforschung

    Engineeringnet

    Fachportal für Maschinenbau sowie Ingenieursleistungen, überwiegend auf Niederländisch

    Maintenance Antwerp

    Fachbesuchermesse für Industrieausrüstungen; nächste: 22.-24.3.2022 in Antwerpen

    Von Torsten Pauly | Berlin

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