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Anerkennung / Vollstreckung

Überblick

Wer als deutscher Dienstleistungsempfänger in Deutschland oder Belgien einen Prozess (zum Beispiel auf Schadensersatz nach einem Gewährleistungsfall) gegen einen belgischen Dienstleister gewonnen hat, hat noch nicht sein Geld erhalten. Vielmehr muss er die gerichtliche Entscheidung ggf.--gegebenenfalls anerkennen und auch vollstrecken lassen, um das vom Gericht zugesprochene Geld auch tatsächlich zu erhalten. Bei der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen können dem deutschen Dienstleistungsempfänger dabei mehrere Fallkonstellationen begegnen:

mögliche Fallkonstellationen der Anerkennung und Vollstreckung

Land der Anerkennung & VollstreckungBelgisches Urteil (1)Deutsches Urteil (2)
Anerkennung & Vollstreckung in BelgienNur belgisches Recht, Anerkennung nicht nötig (1a)EuGVVO i.V.m.--in Verbindung mit belgischem Recht (2a)
Anerkennung & Vollstreckung in DeutschlandEuGVVO i.V.m. deutschem Recht (1b)Nur deutsches Recht, Anerkennung nicht nötig (2b)

vereinfachte Darstellung


So kann zunächst die Entscheidung eines belgischen Gerichts (1) (siehe hierzu die Rubrik zu zuständigen Gerichten sowie die sich anschließenden Rubriken) vorliegen. Diese kann entweder in Belgien vollstreckt (1a) oder in Deutschland anerkannt und vollstreckt (1b) werden. Der deutsche Dienstleistungsempfänger kann aber ebenso, etwa aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, vor einem deutschen Gericht geklagt haben. Eine solche deutsche Gerichtsentscheidung (2) könnte gleichfalls in Belgien anerkannt und vollstreckt (2a) oder aber in Deutschland vollstreckt (2b) werden.

Umgekehrt kommen auch Fälle in Betracht, in denen sich der deutsche Dienstleistungsempfänger einer Vollstreckung eines Urteils ausgesetzt sieht, das der belgische Dienstleister erwirkt hat. Dies ist beispielsweise bei Klagen des belgischen Dienstleisters auf die (bis dahin nicht erfolgte) Zahlung seines Werklohnes möglich. Wenn der belgische Dienstleister diesen erfolgreich in Belgien eingeklagt hat, kann er entweder dort die Zwangsvollstreckung betreiben, wenn der deutsche Dienstleistungsempfänger Vermögenswerte in Belgien hat (1a). Alternativ dazu kann er die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung gegen den Dienstleistungsempfänger in Deutschland betreiben (1b). Hat der belgische Dienstleister dagegen einen Prozess in Deutschland gewonnen, sind die deutschen Regeln für die Zwangsvollstreckung in Deutschland anwendbar (2b). Auch hier kann allerdings die Situation auftreten, dass der belgische Dienstleister lieber auf in Belgien gelegene Vermögenswerte des deutschen Dienstleistungsempfängers (falls solche bestehen) zugreifen möchte – dies setzt dann die Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils in Belgien (2a) voraus.

Die Anerkennung und Vollstreckung in Deutschland richtet sich grundsätzlich nach deutschem Recht. Dieser Bereich wird von unserem auf ausländisches Recht beschränkten Informationsportal nicht abgedeckt. Der deutsche Dienstleistungsempfänger sollte sich diesbezüglich an einen deutschen Rechtsanwalt wenden oder sonstige Informationsquellen zum deutschen Recht nutzen.

Hilfreich bei der Suche nach einem deutschen Rechtsanwalt:

  • DeutscheAnwaltAuskunft des Deutschen Anwaltvereins (DAV), dort ein Suchformular unter dem Menüpunkt Anwaltsuche oder aber
  • bundesweites amtliches Anwaltsverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer.

Im Folgenden werden die Konstellationen der Anerkennung und Vollstreckung in Belgien behandelt. Hierfür sind auch die vorrangigen Regelungen des Europäischen Rechts von Bedeutung, die ebenfalls in ihren wichtigsten Grundzügen dargestellt werden.

Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Belgien

In den Fällen, in denen nicht lediglich eine belgische Entscheidung in Belgien vollstreckt wird, sondern eine deutsche Entscheidung in Belgien (2a) anerkannt und vollstreckt werden muss, ist aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters zunächst die europarechtliche Ebene zu berücksichtigen: Die im Abschnitt internationale Zuständigkeit bereits erwähnte EuGVVO, die in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar gilt, regelt nicht nur die internationale und teilweise auch die örtliche Zuständigkeit in Streitigkeiten zwischen belgischen Dienstleistungserbringern und deutschen Dienstleistungsempfängern. Vielmehr bestimmt sich auch die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im jeweils anderen EU-Mitgliedstaat nach der EuGVVO. Aufgrund der zum 10.1.2015 in Kraft getretenen Reform der EuGVVO gilt je nachdem, wann das Verfahren eingeleitet wurde, die Fassung der Brüssel-I-Verordnung oder der Brüssel-Ia-Verordnung (Artikel 66 EuGVVO in der Fassung der Brüssel-Ia-Verordnung). Unabhängig davon gibt es bei unbestrittenen Forderungen die Möglichkeit, einen europäischen Vollstreckungstitel zu beantragen.

Verfahren vor dem 10.1.2015

Für Entscheidungen, die in vor dem 10.1.2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, kommt die EuGVVO in der Fassung der Brüssel-I-Verordnung zur Anwendung, sofern sie in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen. Da hiervon mittlerweile nur noch sehr wenige Verfahren betroffen sein dürften, wird an dieser Stelle auf eine Darstellung verzichtet.



Verfahren seit dem 10.1.2015

Auf Verfahren, die am 10.1.2015 oder danach eingeleitet, förmlich errichtet oder eingetragen bzw.--beziehungsweise gebilligt oder geschlossen wurden oder werden, finden die Vorschriften der EuGVVO in der Fassung der Brüssel-Ia-Verordnung Anwendung, sofern sie in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen.

Der Begriff “Entscheidungen“ umfasst dabei jegliche gerichtliche Entscheidung - ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung als Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid (Artikel 2 lit. a EuGVVO).

Die jeweilige Entscheidung wird im jeweils anderen Land dabei ohne besonderes Verfahren anerkannt (Artikel 36 EuGVVO). Die Partei, die die Anerkennung der Entscheidung erreichen möchte, hat nur eine beweiskräftige Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung sowie die sogenannte "Bescheinigung über eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen" vorzulegen (Artikel 37 EuGVVO). Für die Bescheinigung gibt es in Anhang I der EuGVVO ein Formblatt.

Voraussetzung für die Vollstreckung einer anerkannten Gerichtsentscheidung ist, dass sie im Staat der Gerichtsentscheidung (so beispielsweise in Deutschland) vollstreckbar ist (Artikel 39 EuGVVO). Auch für die Vollstreckung ist allein die Vorlage einer beweiskräftigen Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung sowie der oben genannten "Bescheinigung über eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen" erforderlich. Diese muss insbesondere auch bestätigen, dass die Entscheidung vollstreckbar ist (Artikel 42 Absatz 1 EuGVVO). Es ist klargestellt, dass bei Vorlage einer vollstreckbaren Entscheidung jede Sicherungsmaßnahme, die im Recht des Landes, wo die Entscheidung vollstreckt werden soll (so beispielsweise in Belgien), vorgesehen ist, ergriffen werden kann (vgl. hierzu den Abschnitt Eilverfahren dieses Länderberichts). Wird die Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen angestrebt, gelten besondere Formalitäten (Artikel 42 Absatz 2 EuGVVO).

Die Anerkennung einer Entscheidung kann nur auf Antrag eines Berechtigten versagt werden (Artikel 45 EuGVVO), die Vollstreckung einer Entscheidung nur auf Antrag des Schuldners (Artikel 46 EuGVVO). Das Verfahren zur Versagung der Anerkennung ist mit dem über die Versagung der Vollstreckung identisch (Artikel 45 Absatz 4 EuGVVO). Dem Antrag wird jedoch nur stattgegeben, wenn schwerwiegende Gründe, wie etwa ein der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechendes Urteil, vorliegen (Artikel 45 EuGVVO). Die Gerichtsentscheidung darf im Anerkennungs-/Vollstreckungsstaat (hier beispielsweise Belgien) nicht mehr in der Sache selbst nachgeprüft werden (Verbot der révision au fond) (Artikel 52 EuGVVO). Der Antrag ist an das zuständige belgische Gericht erster Instanz (tribunal de première instance / Rechtbank van eerste aanleg) (vgl. Abschnitt örtliche und sachliche Zuständigkeit dieses Länderberichts) zu stellen (Artikel 47 Absatz 1 EuGVVO). Gegen die Entscheidung über den Antrag kann jede Partei einen Rechtsbehelf vor dem belgischen Appelationsgerichthof (cour d'appel / hof van beroep) einlegen (Artikel 49 EuGVVO). Gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf wiederum kann vor dem belgischen Kassationsgerichtshof (Cour de Cassation / Hof van Cassatie) Revision eingelegt werden (Artikel 50 EuGVVO).

Besonderheit: Europäischer Vollstreckungstitel

Hat eine Partei in der Gerichtsverhandlung die Forderung der anderen Seite ausdrücklich anerkannt oder haben sich die Parteien vor Gericht gütlich geeinigt und einen Vergleich geschlossen, gibt es bereits seit 2005 ein vereinfachtes Vollstreckungsverfahren. Denn bei unbestrittenen Forderungen (wie den eben genannten Anerkenntnissen vor Gericht oder gerichtlichen Vergleichen) kann ein Europäischer Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG--Europäische Gemeinschaft) Nr.--Nummer 805/2004 beantragt werden. Das bedeutet für den oben dargestellten Fall des deutschen Dienstleistungsempfängers, wenn er mit dem belgischen Dienstleister wegen seiner Schadensersatzforderung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen hat Folgendes: Mit der durch das deutsche Gericht auszustellenden Bestätigung des Vergleiches als Europäischer Vollstreckungstitel kann in Belgien ebenfalls ohne den Zwischenschritt der Vollstreckbarerklärung vollstreckt werden. Den gleichen Vorteil hat natürlich auch der oben angesprochene belgische Dienstleister, wenn er und der deutsche Dienstleistungsempfänger im Prozess in Belgien einen Vergleich schließen. Weiterführende Informationen zum Europäischen Vollstreckungstitel bietet das EU-Portal mit Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung.

Vollstreckung belgischer Entscheidungen in Belgien

Die Zwangsvollstreckung belgischer Entscheidungen in Belgien vollzieht sich nach den Regelungen des belgischen Zivilprozessgesetz gemäß dem belgischen Gerichtsgesetzbuch (Artikel 1386 - 1675/19 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

Der Gerichtsvollzieher (huissier de justice / gerechtsdeurwaarder) führt die Zwangsvollstreckung durch (Artikel 519 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Dieser wird auf Betreiben des Titelinhabers tätig.

Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist grundsätzlich das gesamte Schuldnervermögen, wobei gewisse Pfändungsgrenzen und Pfändungsschranken zu beachten sind (Artikel 1408 ff.--folgende Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Im November eines jeden Jahres ergeht ein Königlicher Erlass, mit dem die Pfändungsfreigrenzen angepasst werden. Dieser wird in den ersten zwei Wochen des Monats Dezember im belgischen Gesetzblatt (Moniteur Belge / Belgisch Staatsblad) veröffentlicht und tritt zum 1.1. des folgenden Jahres in Kraft (Artikel 1409 § 2 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

Grundsätzlich werden Zahlungspflichten mittels Pfändung (saisie / uitvoerend beslag) vollstreckt. Dabei wird insbesondere zwischen der Pfändung in bewegliche (saisie-exécution mobilière / uitvoerend beslag op roerend goed - Artikel 1499-1528 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) und unbewegliche (saisie-exécution immobilière / uitvoerend beslag op onroerend goed - Artikel 1560 - 1626 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) Gegenstände, die im Eigentum des Schuldners stehen, unterschieden. Darüber hinaus kann der Gläubiger in Forderungen, die der Schuldner gegen Dritte hat, pfänden (saisie-arrêt-exécution / uitvoerend beslag onder derden - Artikel 1539 - 1544 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

Voraussetzung ist das Vorliegen eines mindestens vorläufig vollstreckbaren Titels (titre d‘exécution / uitvoerbare titel), der mit einer Vollstreckungsklausel (formule exécutoire / bevel tot tenuitvoerlegging) versehen und - sofern erforderlich - vorab zugestellt ist (1386, 1389, 1398, 1494, 1495 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

Vor der eigentlichen Pfändung muss dem Schuldner eine letzte Zahlungsaufforderung (commandement / bevel) zugestellt werden (Artikel 1499, 1564 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Um dem Schuldner noch ein letztes Mal die Chance einzuräumen, die Vollstreckung zu verhindern, darf die Pfändung in bewegliches Vermögen frühestens einen Tag später erfolgen (Artikel 1499 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek), in unbewegliches Vermögen frühestens 15 Tage und spätestens sechs Monate später (Artikel 1566 f.--folgend Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Nach der Pfändung erstellt der Gerichtsvollzieher über die Pfändung der beweglichen Gegenstände ein Protokoll (Artikel 1511 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Frühestens einen Monat nach Zustellung oder Bekanntgabe des Protokolls werden die gepfändeten beweglichen Gegenständen verkauft (Artikel 1520 ff. Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Im Falle der Pfändung von unbeweglichen Sachen muss der Gläubiger innerhalb von 15 Tage die Pfändungsanordnung in das Register des Grundbuchamtes (registre au bureau des hypothèques de la situation des biens / register op het hypotheekkantoor van de plaats waar de goederen gelegen zijn) übertragen lassen (Artikel 1569 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Schließlich kann der Gläubiger beim Vollstreckungsgericht die Bestellung eines Notars beantragen, der die Verwertung der Immobilie (Artikel 1580 ff. Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) sowie die Aufteilung des Erlöses unter den Gläubigern (Artikel 1639 ff. Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek) organisiert.

Zur Durchsetzung von gerichtlich festgestellten Ansprüchen auf Vornahme oder Unterlassung bestimmter Handlungen kann in Belgien ein Zwangsgeld (astreinte / dwangsom) für den Fall der Zuwiderhandlung verhängt werden. Dies ist allerdings dann z.B.--zum Beispiel nicht möglich, wenn der Schuldner zur Zahlung eines Geldbetrages oder zur Erfüllung seines Arbeitsvertrages verurteilt wurde (Artikel 1385bis Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek).

Bei der Zwangsvollstreckung fallen nicht nur Gerichtskosten an (Näheres hierzu im Abschnitt "Gerichts- und Anwaltskosten"). Darüber hinaus sind die Amtshandlungen des Gerichtsvollziehers kostenpflichtig. Diese trägt die Partei, gegen die vollstreckt wird (Artikel 1024 Code judiciaire / Gerechtelijk Wetboek). Die Kostenpflicht ist im Königlichen Erlass vom 30.11.1976 (Arrêté royal fixant le tarif des actes accomplis par les huissiers de justice en matière civile et commerciale ainsi que celui de certaines allocations / Koninklijk besluit tot vaststelling van het tarief voor akten van gerechtsdeurwaarders in burgerlijke en handelszaken en van het tarief van sommige toelagen) geregelt. Nähere Informationen zu den Gerichtsvollzieherkosten sind auf der Seite der Nationalen Gerichtsvollzieherkammer von Belgien (Chambre nationales des huissiers de justice de Belgique / Nationale kamer van de gerechtsdeurwaarders van België) zusammengestellt.

Germany Trade & Invest (Stand: Dezember 2021)

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