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Wirtschaftsumfeld | Bosnien-Herzegowina | Land im Überblick

Bosnien und Herzegowina – Vielvölkerstaat mit bewegter Geschichte

Der EU-Nachbarstaat ist bis heute von den Folgen des Bosnienkriegs geprägt. Die Umsetzung von Reformen könnten neue Potenziale für das Land erschließen.

Von Kristina Droll (GIZ, Eschborn)

Der auf der Balkanhalbinsel gelegene Staat Bosnien und Herzegowina (BuH) zählt rund 3,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und besteht aus zwei politischen Teilgebieten (Entitäten): der Föderation Bosnien und Herzegowina sowie der Republika Srpska. Darüber hinaus gibt es im Norden des Landes den kleinen Distrikt Brčko, der offiziell Teil beider Gebiete ist. Das komplette Staatsgebiet wird vom Dinarischen Gebirge durchzogen, die im Westen gelegene Küstenlinie an der Adria ist lediglich 20 Kilometer lang. Durch diese topografischen Gegebenheiten weist BuH ein kontinental und mediterran geprägtes Klima mit kalten Wintern und heißen, trockenen Sommern auf. Die ehemals jugoslawische Teilrepublik grenzt im Nordwesten an Kroatien, an Serbien im Osten und an Montenegro im Südosten.

Unabhängigkeit zu hohem Preis

Als unabhängiger Staat besteht BuH erst seit 1992. Umso bewegter ist die Vergangenheit des jungen Staates: Zunächst über mehrere Jahrhunderte vom Osmanischen Reich besetzt und 1908 von Österreich-Ungarn annektiert, wurde das Gebiet des heutigen BuH nach dem ersten Weltkrieg Teil des späteren Jugoslawiens. Als solches stellte BuH in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine wichtige Industriebasis. Besonders prägend für die weitere Entwicklung des Landes waren jedoch die Unabhängigkeit und der daraus resultierende Bosnienkrieg. Nachdem sich erste Nachbarstaaten von Jugoslawien losgesagt hatten, stimmte auch eine Mehrheit in BuH bei einem Referendum im Jahr 1992 für die Abspaltung von Jugoslawien. Die drei in BuH lebenden Volksgruppen hatten jedoch sehr unterschiedliche Interessen: Während die serbische Bevölkerung größtenteils einen Verbleib im jugoslawischen Staat beziehungsweise einen Verbund mit Serbien erreichen wollte, setzte sich der kroatische Teil der Bevölkerung für einen Anschluss an den neuen kroatischen Staat ein. Die Bosniaken (wie die bosnischen Muslime genannt werden) sowie die Regierung plädierten für die Einrichtung eines unabhängigen Staats. 

In den darauffolgenden Jahren versuchten die drei Bevölkerungsteile ihre jeweiligen Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Beendet wurde der Krieg 1995 auf Hinwirken der USA durch das sogenannte Dayton-Abkommen. Dabei einigten sich die Regierungen BuH, Serbiens und Kroatiens auf ein Friedensabkommen. Dadurch wurde ein unabhängiger Staat BuH zwar ermöglicht, das politische System war jedoch stark zersplittert: in die bosniakisch-kroatisch dominierte Föderation Bosnien und Herzegowina und die von bosnischen Serben geprägte Republika Srpska. 

Vor EU-Beitritt sind Reformen nötig

Bosnien und Herzegowina ist gemäß seiner Verfassung ein Vielvölkerstaat, der sich aus drei konstituierenden Völkern zusammensetzt: Bosniaken, Serben und Kroaten. Alle drei Nationen sind als Amtssprachen im Land vertreten, wobei die drei Sprachen eng verwandt sind und eine Verständigung zwischen Sprechenden der unterschiedlichen Sprachen mühelos möglich ist. Die zwei Landesteile werden durch ein komplexes politisches System verwaltet. So wirkt ein aus drei Personen bestehendes Staatspräsidium als Staatsoberhaupt, bestehend aus jeweils einem Vertreter der drei Volksgruppen. Alle 8 Monate wechselt der Vorsitz des Präsidiums. Zudem wurde in Folge des Bosnienkrieges durch die internationale Gemeinschaft das Amt des Hohen UN-Repräsentanten (OHR) eingeführt, um die Umsetzung des Friedensabkommens zu überwachen.

Die letzten Wahlen auf nationaler Ebene fanden im Oktober 2022 statt und waren geprägt von einer politischen Krise: Eine stark zersplitterte Parteienlandschaft, Korruption sowie die Abspaltungsbestrebungen der Republika Srpska stellten den Staat vor große Herausforderungen. Unter ihrem Präsidenten Milorad Dodik hat die Republika Srpska im Dezember 2021 die Abspaltung von BuH beschlossen. Dieser Beschluss bedroht nicht nur die Stabilität des Landes, sondern bremst zudem notwendige politische Reformen aus. Eine konkrete Umsetzung der Abspaltung ist seitdem jedoch nicht zu beobachten.

Seit Ende 2022 ist BuH Beitrittskandidat für die Europäische Union. Im Jahr 2015 trat das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und BuH in Kraft, das als Vorstufe für den EU-Beitritt gilt und das Land bei den notwendigen Reformen unterstützen soll. Wenngleich dieser Prozess durch die politisch herausfordernde Lage derzeit erschwert wird, gibt es auch in der geografischen Nähe zur EU sowie in der Neustrukturierung von Lieferketten im Zuge der aktuellen internationalen Krisen neue Chancen für BuH. Für Unternehmen bietet das Land insbesondere in den Bereichen Nearshoring und Sourcing vielversprechende Möglichkeiten.

Unterstützung im Transformationsprozess

Für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist BuH ein Transformationspartner; wichtiges Anliegen der deutschen Regierung ist demnach die Unterstützung der politischen und wirtschaftlichen Veränderungsprozesse im Land. Im Jahr 2021 sagte Deutschland 49 Millionen Euro für die bilaterale Zusammenarbeit zu. Diese Summe ist vor allem für die Kernthemen Klima und Energie, Just Transition, also einen Strukturwandel hin zu einer klimaneutralen und sozialen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung sowie Ausbildung und Beschäftigung vorgesehen. Seit April 2022 sind alle Aktivitäten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in der Republika Srpska aufgrund der Abspaltungsbestrebungen ausgesetzt.

Wichtiger Ansprechpartner ist die Botschaft von Bosnien und Herzegowina in Deutschland sowie die Deutsche Botschaft in Sarajewo. Sie stellen wertvolle Länderinformationen bereit.

Die Autorin Kristina Droll ist im Programm Business Scouts for Development tätig, das die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umsetzt.

Quellen: Landeszentrale für politische Bildung BW, Bundeszentrale für politische Bildung, BMZ, Germany Trade & Invest

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