Öffentlich-private Partnerschaften sollen die Investitionen anstoßen. Die Vergabe von Konzessionen läuft an. Große Anreize bestehen für die energetische Verwertung von Abfall.
Von einer einheitlichen und nachhaltigen Abfallwirtschaft ist Brasilien weit entfernt. Dabei setzte die Abfallpolitik Política Nacional dos Resíduos Sólidos (PNRS) 2010 klare Richtlinien und Fristen. Doch ein Jahrzehnt später hatten nur die Hälfte der landesweit 5.570 Städte und Gemeinden ein nachhaltiges Abfallwirtschaftskonzept vorgelegt. Aufgrund verschiedener Faktoren gerät allmählich Bewegung in die Abfallwirtschaft. Private Dienstleister wie die brasilianischen Unternehmen Orizon Valorização De Resíduos und Marquise Ambiental sowie die französische Gruppe Veolia bereiten sich auf eine Welle von Investitionsprojekten vor, die auch neue Chancen für deutsche Unternehmen bieten.
Entwicklung der brasilianischen AbfallwirtschaftEckdaten | 2010 | 2019 |
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Aufkommen von Siedlungsabfall (in Mio. t) | 66,7 | 79,1 |
Siedlungsabfall pro Einwohner (in kg/Jahr) | 348,3 | 379,2 |
Aufkommen von Bauschutt (in Mio. t) | 33,4 | 44,5 |
Medizinischer Sondermüll (in kg) | 221.270 | 252.948 |
Anteil der Städte und Gemeinden mit Mülltrennung (in %) | 56,6 | 73,1 |
Finanzmittel für abfallwirtschaftliche Dienstleistungen (in Mrd. US$)1) | 10,0 | 6,4 |
1) umgerechnet über den durchschnittlichen Wechselkurs für 2010: 1 US$ = 1,76 R$ und für 2019: 1 US$ = 3,94 R$Quelle: Abrelpe
Kommunen setzen Abfallpolitik sehr unterschiedlich um
Brasilien gehört zu den fünf größten Müllproduzenten weltweit. Die Abfallentsorgung und -verwertung in Brasilien unterscheidet sich regional stark, ist insgesamt jedoch prekär. Laut dem Branchenverband für Städtereinigung und Abfallwirtschaft Abrelpe wird nur knapp 60 Prozent des Siedlungsmülls vorschriftsgemäß entsorgt. Der Rest geht an nicht zugelassene Halden, oftmals sogar an wilde Halden, die sogenannten Lixões. Darüber hinaus werden pro Jahr mehr als 6 Millionen Tonnen Siedlungsmüll gar nicht abgeholt und folglich illegal entsorgt.
Rechtsrahmen schafft Anreize für private Investitionen
Im Jahr 2019 rief das Umweltministerium das Programm Lixão Zero ins Leben, über das den Gemeinden zusätzliche Mittel für Maschinen und Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden. Dadurch konnte laut Regierungsangaben die Anzahl wilder Halden von 3.257 auf 2.707 reduziert werden. Dennoch reichen die öffentlichen Ausgaben für Städtereinigung und Abfallwirtschaft nicht aus, bekräftigt der Branchenverband Abrelpe. Public-private Partnerships (PPP) leisten bislang nur sehr vereinzelt Abhilfe. Nur 49 Städte und Gemeinden schlossen Konzessionsverträge ab.
Mit dem Gesetz Nr. 14.026 legte die Regierung im Juli 2020 einen neuen Rechtsrahmen für die Wasser- und Abfallwirtschaft fest. Dieser verpflichtet die Kommunalverwaltungen zur Etablierung von Abfallgebühren, die bis dato weniger als ein Drittel der Städte und Gemeinden kassierten. Verträge an private Dienstleister müssen nun als 30-jährige Konzession strukturiert und öffentlich ausgeschrieben werden. Zudem begünstigt das neue Gesetz den Zusammenschluss zu regionalen Blöcken, die privaten Investoren höhere Anreize bieten.
In vier Etappen sollen die Kommunalverwaltungen bis spätestens August 2024 alle wilden Müllhalden, sogenannte Lixões, stilllegen und ausschließlich zugelassene Deponien nutzen. Ob die neuen Fristen eingehalten werden, ist jedoch zweifelhaft. Laut Abrelpe hinken derzeit rund 340 Kommunen den Zeitvorgaben des neuen Rechtsrahmens hinterher. Die Einführung neuer Gebühren inmitten der Coronakrise ist eine große Herausforderung.
Rücknahmelogistik und Verknappung von Halden stimulieren das Recycling
Geeignete Grundstücke für neue Müllhalden, die in der Nähe großer Metropolen liegen und die restriktiven Auflagen für Umweltlizenzen erfüllen, werden immer knapper. Umso kosteneffizienter werden Recycling-Technologien. Aber auch die steigende Nachfrage nach Recyclingrohstoffen sowie Umweltschutz-Initiativen stimulieren die Investitionen.
In Branchenabkommen verpflichten sich die Unternehmen dazu, in Rücknahmelogistik zu investieren. Für die Industrie elektrischer Haushaltsgeräte legte das Dekret Nr. 10.240/2020 eine etappenweise ansteigende Recyclingquote fest. Ab 2024 müssen 12 Prozent der Produktion wiederverwertet werden. Brasiliens Pionierunternehmen im Urban Mining Indústria Fox schätzt, bis dahin acht neue Fabriken errichten zu müssen, um dem Bedarf nachzukommen.
Zudem engagieren sich multinationale Konzerne insbesondere der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, um globale Ziele umzusetzen. Auch große Verpackungsmittelhersteller wie Tetra Pak, Klabin und Owen Illinois verstärken die Investitionen. Darüber hinaus schließen sich immer mehr Unternehmen der internationalen Allianz Zero Waste an und legen intern Abfallstrategien fest.
Brasiliens Recycling-Infrastruktur ist wenig entwickelt. Aufgrund der geringen Bereitschaft zur Mülltrennung spielen die bis zu eine Million Müllsammler (Catadores) noch immer eine wichtige Rolle. Besonders bei Aluminiumdosen lohnt sich das Sammeln. Brasilien weist seit langem die weltweit höchste Recyclingquote für Dosen von derzeit 97 Prozent auf. Insgesamt ist die Wertstoffsammlung jedoch unzulänglich. Daher kommen Kunststoffverwerter nur auf eine Recyclingquote von 22 Prozent. Bei Glas und Papier/Pappe sind es aus demselben Grund lediglich etwa 47 respektive 67 Prozent. Die zunehmende Nachfrage nach Recyclingmaterial stimuliert die Investitionen in automatische Sortieranlagen.
Waste-to-Energy gewinnt an Bedeutung
In der energetischen Verwertung liegt Brasilien weit zurück. Weniger als 30 Prozent der Halden erzeugen Deponiegas. Selbst die Zementindustrie bezieht bislang nur einen Bruchteil des Energiebedarfs aus der Müllverbrennung. Laut Angaben von Branchenverband Abren bietet Brasilien Potenzial für wenigstens 114 Kraftwerke in 28 Metropolregionen mit einer installierten Leistung von insgesamt 2,3 Gigawatt.
Mit den steigenden Stromtarifen interessieren sich Versorger und Eigenerzeuger zunehmend für die energetische Verwertung von Müll, die geringeren Schwankungen unterworfen ist als andere erneuerbare Energien. Zwölf Projekte mit einer Gesamtleistung von 315 Megawatt (MW) konkurrieren am 30. September 2021 um 20-jährige Abnahmeverträge für den Strommarkt mit gebundenen Kunden. Weitere Impulse für Investitionen in Biogasanlagen und -kraftwerke bieten das Förderprogramm RenovaBio und die Norm 685/2017, mit der die Öl-/Gas-Regulierungsbehörde ANP die Einspeisung von Deponiegas in das Leitungsnetz regelt. Eine ausführliche Darstellung bietet die aktuelle Zielmarktanalyse der Auslandshandelskammer Rio de Janeiro.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in Brasilien (Investitionssumme in Millionen US$)Projekt | Investitionssumme1) | Stand | Projektträger |
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80-MW-Müllverbrennungsanlage in Mauá (Bundesstaat São Paulo)2) | 174,8 | Vorläufige Umweltgenehmigung wurde erteilt, Projekt konkurriert am 30. September um einen 20-jährigen Stromabnahmevertrag | Grupo Lara |
30-MW-Müllverbrennungsanlage in Caju (Rio de Janeiro)2) | 97,1 | Vorläufige Umweltgenehmigung wurde erteilt, Projekt konkurriert am 30. September um einen 20-jährigen Stromabnahmevertrag | Ciclus Ambiental |
20-MW-Müllverbrennungsanlage in Barueri (São Paulo)2) | 68,0 | Vorläufige Umweltgenehmigung wurde erteilt, Projekt konkurriert am 30. September um einen 20-jährigen Stromabnahmevertrag | Orizon Valorização de Resíduos (vormals Foxx-Haztek) |
PPP Konzession für die Entsorgung von Siedlungsabfällen in Teresina (Piauí) | 42,1 | Versteigerung geplant für das 2. Halbjahr 2021 | - |
PPP Konzession für die Entsorgung von Siedlungsabfällen im Regionalblock Convale (Minas Gerais) | 25,8 | Versteigerung geplant für das 2. Halbjahr 2021 | - |
PPP Konzession für die Entsorgung von Siedlungsabfällen in Bauru (São Paulo) | 22,9 | Versteigerung geplant für das 2. Halbjahr 2021 | - |
Thermochemische Anlagen zur Stromerzeugung durch Vergasung fester Abfälle in Extrema und Boa Esperança (Minas Gerais) mit einer Kapazität von 2 MW respektive 1 MW | 15,9 | Durchführung | Carbogas Energia |
Sortieranlage für 500.000 t/Jahr in Jaboatão dos Guararapes (Pernambuco) | 13,6 | Planungsstadium/Technologie von Stadler Anlagenbau | Orizon Valorização de Resíduos (vormals Foxx-Haztek) |
Bau einer Recyclinganlage in Indaiatuba (São Paulo) zur Verarbeitung von 250 Millionen Verpackungen pro Jahr | 13,0 | Inbetriebnahme 4. Quartal 2021/Technologie der SFT-Group | Braskem in Partnerschaft mit Valoren |
Biomethananlage mit einer Kapazität von 60.000 Kubikmetern pro Jahr | 0,77 | Inbetriebnahme 2023 | Solví Essencis und MDC |
1) umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs 2020: 1 US$ = 5,15 R$; 2) gelistet werden nur die drei aussichtsreichsten Projekte von den insgesamt zwölf Projekten, die am 30. September um 20-jährige Stromabnahmeverträge konkurrierenQuelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Von Gloria Rose
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São Paulo