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Recycling: Bulgarien muss sich anstrengen
Das Land schafft zu viel Müll auf Deponien. Es will seine Recyclingquote bis 2035 mehr als verdoppeln. Städte und Gemeinden müssen ihr Abfallmanagement verbessern.
08.07.2022
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Bulgarien ist verpflichtet, die Richtlinien der Europäischen Union (EU) einzuhalten und will bis 2035 die Recyclingquote bei den Siedlungsabfällen mehr als verdoppeln. Aber das Land verfehlt aktuell seine Ziele. Städte und Gemeinden schafften 2020 nur 38 Prozent der im Land aufgekommenen Siedlungsabfälle wiederzuverwerten, gemessen am Volumen.
Im Jahr 2020 entsorgte das Land pro Kopf 444 Tonnen Siedlungsabfälle, berichtet das Statistische Amt der EU, Eurostat. Davon waren etwa drei Viertel wiederverwertbares Material wie Glas, Pappe oder Plastik. Ein Fünftel des recycelten Mülls verwendeten Wärmekraftwerke als Brennstoff. Der Rest war Kompost.
Städte und Gemeinden investieren in neue Abfallsysteme
Um ihrem Ziel näherzukommen, hat die Regierung im Oktober 2021 eine Roadmap für die Abfallbewirtschaftung verabschiedet. Dieser Plan skizziert Maßnahmen, im Wert von rund 715 Millionen Euro, die Bulgarien umsetzen muss. Das Land will unter anderem dafür sorgen, dass Haushalte weniger Abfall erzeugen und Maßnahmen für eine bessere Recyclingquote ergreifen. Insgesamt muss künftig weniger Müll auf den Deponien landen. Die Städte und Gemeinden planen, rund 50 Kompostierungsanlagen und etwa 40 Trennanlagen/Vorbereitungsanlagen für Hausmüll anzuschaffen.
Dafür will die bulgarische Regierung in den kommenden sechs Jahren rund 317 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Davon stehen rund 133 Millionen Euro bereit, um die Infrastruktur der Abfallentsorgung in den 20 Regionen der lokal operierenden bulgarischen Abfallverbände zu optimieren.
Maßnahme | Investition (in Mio. BGN)*) | Geplante Durchführung |
---|---|---|
Ausbau/Modernisierung regionaler Systeme für die Siedlungsabfälle | 392 | 2022 - 2028 |
Schaffung von Zentren für Wiederverwertung von Abfällen | 150 | 2022 - 2025 |
Aufbau von neuen und Erweiterung von bestehenden Systemen für getrennte Sammlung von Siedlungsabfällen | 60 | 2022 - 2028 |
Aufbau einer Anlage für Recycling von getrennt gesammelten Abfällen (Unterscheidung von Bioabfällen, gefährlichen und Produktionsabfällen) | 40 | k. A. |
Erarbeitung von Modellen zur Optimierung des Prozesses der Verwaltung der Siedlungsabfälle in den Gemeinden in Bulgarien | 20 | 2022 - 2028 |
Aufbau von kommunalen Anlagen für getrennte Sammlung von Siedlungsabfällen – in Orten mit mehr als 10.000 Einwohnern | 15 | 2022 - 2024 |
Erarbeitung von Modellen zur Optimierung des Prozesses der Verwaltung der Siedlungsabfälle in den Gemeinden in Bulgarien | 20 | 2022 - 2028 |
Handlungsdruck: EU droht Bulgarien mit Gerichtsverfahren
Nach wie vor landet der meiste Müll unsortiert auf den im Land existierenden 130 Deponien. Pro Jahr kippen die Bulgaren pro Kopf etwa 260 Kilogramm auf Müllhalden. Bulgarien droht außerdem ein Strafverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, weil noch immer 114 Deponien zu viel umweltschädliches Methangas ausstoßen und deren Betrieb gegen die 2009 erlassene EU-Richtlinie für Mülldeponien verstößt. Die Politik hat auch Ärger mit illegalen Müllkippen. Die bulgarische Staatsanwaltschaft registrierte im Jahr 2020 ganze 140 Verstöße, bei denen Müll illegal entsorgt wurde.
Neues Gesetz erfordert Verwertung von Textilien und Schuhen
Im Februar 2021 verabschiedete die Regierung ein neues Abfallgesetz. Es regelt die Behandlung von Textilien und Schuhen als zu recycelnde Stoffe. Hersteller und Händler müssen sich spätestens ab 2025 in einem Abfallregister eintragen. Damit will Bulgarien die erweiterte Haftung für das Inverkehrbringen von Textilien und Schuhen umsetzen. Die Europäische Union fordert ab 2025 eine solche erweiterte Haftung für Händler und Hersteller von Schuhen und Textilien. Nun sind Kommunen und Städte ab einer Größe von 300.000 Einwohnern verpflichtet, Recycling-Behälter dafür aufzustellen.
Fördergelder stehen bereit
Für die Verbesserung des Abfallmanagements stehen aus dem Kohäsionsfonds unter der Priorität "Abfall" der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 rund 225 Millionen Euro bereit. Das Geld ist Bestandteil des insgesamt 1,5 Milliarden Euro schweren Operationalen Programmes "Umwelt", von dem bisher 24 Prozent der Gelder ausgegeben wurden. Bulgarien hat noch bis zum Jahr 2023 Zeit, die restlichen Mittel abzurufen und die ausgeschriebenen Projekte zu realisieren. Innerhalb der aktuellen Förderperiode von 2021 bis 2027 werden außerdem weitere 15 Millionen Euro unter der Priorität "Abfall" bereitgestellt.
Projekt | Investition (in Mio. €)*) | Stand | Projektträger |
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Bau einer Anlage zur kombinierten Energieerzeugung (KWK-Anlage) in Sofia mit Verwendung von Ersatzbrennstoffen (RDF) | 189 | geplante Fertigstellung: November 2023 | |
Planung und Bau einer anaeroben Anlage für getrennt gesammelte biologisch abbaubare Abfälle | 19 | geplante Fertigstellung: Juli 2023 | |
Bau einer anaeroben Anlage für getrennt gesammelte biologisch abbaubare Abfälle | 19 | geplante Fertigstellung: | |
Bau einer anaeroben Anlage für getrennt gesammelte biologisch abbaubare Abfälle | 18 | geplante Fertigstellung: Dezember 2023 | |
Bau einer Kompostierungsanlage und einer Anlage zur Vorbehandlung von Siedlungsabfällen | 9 | geplanteFertigstellung: Dezember 2022 | |
Rekultivierung einer Deponie für ungefährliche Abfälle in der Stadt Pernik | 7 | geplante Fertigstellung: Dezember 2022 | |
Schließung und Rekultivierung einer bestehenden kommunalen Deponie | 6 | geplante Fertigstellung: Januar 2023 |
Beim Recycling von Plastikmüll erreicht Bulgarien im Jahr 2020 eine im EU-weiten Vergleich durchschnittliche Quote von 62 Prozent. Das entspricht nahezu dem durchschnittlichen Wert der gesamten EU-Länder von 66 Prozent. Dabei hat sich der Anteil der Plastikverpackungen an der Menge der Siedlungsabfälle innerhalb von zehn Jahren nur leicht vergrößert, von 25 Prozent im Jahr 2008 auf 27 Prozent im Jahr 2018.
In Bulgarien sind rund 6 Millionen Menschen an einem Abfallverwertungskreislauf angeschlossen, heißt es im Nationalen Abfallwirtschaftsplan der bulgarischen Regierung. Eine Herausforderung ist es zudem, die Bürger zu sensibilisieren, ihren Müll zu trennen und gleichzeitig weniger Müll zu produzieren.
Sofia erreicht Recycling mit Müllverbrennung
Die Hauptstadt Sofia baut für umgerechnet rund 150 Millionen Euro eine Müllverbrennungsanlage. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes RDF-Kraftwerk. Darin soll zerkleinerter und getrockneter Müll als Ersatzbrennstoff (Refuse Derived Fuel, RDF) verfeuert werden. Die Anlage wird auf dem Gelände des Fernwärmeerzeugers der Hauptstadt Toplofikatsyia Sofia gebaut. Das Unternehmen plant, ab November 2023 mit der neuen Anlage Wärme für rund 30.000 Haushalte und Strom für 40.000 Privatkunden zu erzeugen.