Die bulgarische Regierung plant die Energiewende langfristig mit Solar- und Windkraft sowie mit Wasserstoff. Derzeit fehlen aber Investitionsanreize.
Die Energiewirtschaft in dem EU-Mitgliedstaat ist übermäßig stark von fossilen Energieträgern, vor allem von Kohle abhängig. Eine große Rolle spielt auch die Kernenergie.
Energieversorgung
Im Jahr 2021 stammten 39 Prozent der im Land erzeugten Wärme und des Stroms aus Kohlekraftwerken. Bulgariens größte Energieverbraucher sind Gebäude. In den meisten Städten heizen die Menschen noch mit zentral gesteuerten Heizsystemen, die zum Teil schlecht isoliert sind und somit Energie verlieren. Wohn- und Bürogebäude verbrauchen rund 40 Prozent der Energie.
Wasserstoff soll eine Alternative sein
Außerdem will Bulgarien auf dem Weg zur Klimaneutralität ab 2030 etwa 1,1 Prozent seiner fossilen Energieträger durch Wasserstoff ersetzen. Das größte Potenzial für den Einsatz von Energie aus Wasserstoff sehen Unternehmer, Interessenvertreter und Politiker in der Industrie - etwa zur Produktion von Ammoniak, dem Grundstoff für Stickstoffdünger - und im Transportsektor.
Bis Ende 2022 erhalten das Gaskraftwerk Bobov Dol und die Gaskraftwerke Maritsa-Iztok-2 und Maritsa-Iztok-3 der Bulgarian Energy Holding jeweils einen Anschluss an das nationale Gasfernleitungsnetz. Dafür will der staatliche Betreiber von Gasübertragungs- und -speichersystemen, Bulgartransgaz, der sich auch im Besitz der Bulgarian Energy Holding befindet, rund 43 Millionen Bulgarische Lew (BGN) in den Bau von Leitungen für Gasgemische investieren. Damit entsteht die nötige Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff. Die Summe entspricht umgerechnet 21,9 Millionen Euro.
Stromversorgung
Bulgarien erzeugt knapp die Hälfte seines Stroms mithilfe fossiler Energieträger wie Kohle und Erdgas. Den größten Anteil an der Stromerzeugung hat immer noch Kohle, gefolgt von Kernkraft. Der Anteil aller erneuerbaren Energieträger an der Stromerzeugung liegt insgesamt bei 17 Prozent.
Bis 2030 will das Land mindestens 27 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen. Ziel ist, die Kapazität der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von aktuell 5,2 Gigawatt bis 2030 um auf 7,5 Gigawatt installierter Leistung zu erhöhen. Dafür arbeitet die Regierung unter anderem daran, die Rahmenbedingungen für Investoren in erneuerbare Energien zu verbessern. In der Zwischenzeit wird Bulgarien auch den Anteil der Atomenergie am Energiemix erhöhen.
Um die erneuerbaren Energien zu stärken, sollen in den kommenden Jahren Windparks mit einer installierten Leistung von 700 Megawatt, Solarparks mit einer installierten Leistung von 1,6 Gigawatt und Biokraftanlagen mit einer installierten Leistung von 219 Megawatt entstehen, teilt das Energieministerium mit. Zudem plant Bulgarien gemeinsam mit Rumänien im Schwarzen Meer einen Windpark mit einer installierten Leistung von 3 Gigawatt zu bauen.
Besonders die vom Strukturwandel betroffenen Regionen Stara Zagora und Pernik eigenen sich für den Ausbau von Solarenergie. Beide Regionen sind ähnlich wie die Lausitz geprägt vom Braunkohletagebau. Dort fördert das staatliche Unternehmen Bulgarian Energy Holding die Braunkohle für die Kraftwerke. Wenn die Reviere schließen, ergeben sich dort Geschäftsmöglichkeiten für den Ausbau von Solarenergie.
Gas kommt nun aus Aserbaidschan
Auf mittlere Sicht bleibt Bulgarien jedoch von fossilen Energieträgern abhängig. So ist das Land seit dem russischen Angriffskrieg gezwungen, alternative Lieferwege für Erdgas zu erschließen. Denn Russland hat Ende April 2022 einen Lieferstopp von Erdgas an Bulgarien verfügt. Zwischenzeitlich konnte die bulgarische Regierung Aserbaidschan als neuen Gaslieferanten gewinnen. Möglich macht dies der Interconnector mit Griechenland. Das ist eine Pipeline, die Bulgarien mit der Transadriatischen Pipeline verbindet. Sie ist seit Oktober 2022 in Betrieb.
Aus Russland kamen bisher 90 Prozent des bulgarischen Bedarfs an Erdgas. Bulgarien importiert jährlich 2,9 Milliarden Kubikmeter Gas. Ganz unabhängig von russischen Energieträgern ist das Land trotzdem nicht. Eine Ausnahmegenehmigung der EU erlaubt weiterhin die Einfuhr von russischem Erdöl für die Kraftstoffproduktion.
Atomkraft ist zweite Säule im Strommix
Kernenergie erzeugt gut ein Drittel des Stroms in Bulgarien. Bulgariens Energiepolitiker sind aber durch die EU-Sanktionen gegen russische Ausrüstungen für das einzige bulgarische Kernkraftwerk unter Druck geraten. Das Atomkraftwerk in Kozloduy arbeitet mit russischer Technologie. Die EU-Taxonomie stuft Nachrüstungen für Atomkraftwerke bis 2040 als nachhaltige Investitionen ein. Die bulgarische Regierung zieht zudem in Erwägung, in kleine modulare Atomreaktoren, sogenannte SMR-Reaktoren, zu investieren. Der Energieversorger Bulgarian Energy Holding unterzeichnete am 1. November 2021 ein Memorandum of Understanding mit dem US-amerikanischen Unternehmen Flour über die Entwicklung von SMR-Reaktoren.
Von Dominik Vorhölter
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Sofia