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Chile treibt die Energiewende voran
Der Andenstaat will bis 2050 klimaneutral sein. Ausländische Investitionen gelten als wichtiger Erfolgsfaktor. Informationen bietet die Messe Exponor im Juni 2022 in Antofagasta.
14.04.2022
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Chiles Politik verfolgt ehrgeizige Klimaziele. Bis 2030 sollen die Kohlendioxidemissionen um rund ein Drittel gegenüber dem Niveau von 2007 sinken. Rund 80 Prozent des erzeugten Stroms sollen dann aus erneuerbaren Energieträgern stammen. Bis 2050 will das Land klimaneutral sein, so der Fahrplan des chilenischen Energieministeriums.
Chile ist einer der offensten Märkte
Die Bedingungen für die Energiewende im Andenstaat sind sehr gut. Im "Climatrescope 2021" von Bloomberg liegt Chile weltweit auf Rang 11. In diesem Ranking bewertet Bloomberg seit zehn Jahren die Voraussetzungen für Investitionen in die Energiewende und die Fähigkeit, Kapital hierfür anzuziehen. "Chile ist einer der offensten Märkte der Welt für Wind- und Sonnenenergie", ergänzt Karsten Schneider, technischer Direktor der Ingenieursfirma Latwind. Öffentliche Ausschreibungen sind Usus.
Die seit März 2022 amtierende Regierung unter Präsident Gabriel Boric will die Energie- und Klimapolitik noch stärker in den Fokus rücken als ihre Vorgängerinnen. Dabei sieht der neue Wirtschaftsminister Nicolás Grau Presseberichten zufolge in ausländischen Direktinvestitionen einen Schlüssel, den Umstieg hin zu erneuerbaren Energieträgern weiter zu beschleunigen.
Bergbau will mehr grünen Strom
Gerade der chilenische Bergbau - speziell der Kupferbergbau - hat großes Interesse am stärkeren Einsatz erneuerbarer Energie. Auf Kupfer entfielen 2021 rund 55 Prozent der Exporte Chiles - und die Nachfrage aus dem Ausland steigt weiter. Mit der Umstellung auf umweltfreundlichere Energieträger sollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit (preiswerter Wind- oder Solarstrom statt teures Öl) gestärkt und außerdem Kohlendioxid eingespart werden. Beides wird die Akzeptanz chilenischer Bergbauprodukte erhöhen.
Aktuell erhöhen die explodierenden Öl- und Gaspreise in Folge des Kriegs in der Ukraine den Druck zusätzlich. Schon zuvor war Chile eines der Länder mit den höchsten Energiekosten Südamerikas.
Denn trotz hervorragender Bedingungen entfielen 2021 auf erneuerbare Energieträger nur rund 45 Prozent der Gesamtstromerzeugung. Auch ist dies keineswegs mehr als im Vorjahr, wie angesichts des forcierten Ausbaus von Solar- und Windparks zu vermuten gewesen wäre. Im Jahr 2020 hatten Erneuerbare noch mehr als 46 Prozent der Gesamtstromerzeugung ausgemacht; in den 1990er-Jahren bewegte sich ihr Anteil sogar bei über 60 Prozent. Damals stützte sich die chilenische Energieversorgung hauptsächlich auf Wasserkraft.
Energieträger | 2020 | 2021 | Veränderung (in %) | Anteil an der Gesamtstromerzeugung (in %) |
Fossile Energiequellen | 41.626 | 44.264 | 6,3 | 55.2 |
Kohle | 27.008 | 27.617 | 2,3 | 34,3 |
Gas | 13.710 | 14.464 | 5,5 | 18,0 |
Erdöl | 908 | 2.183 | 140,4 | 2,7 |
Erneuerbare Energiequellen*) | 36.125 | 35.892 | -0,6 | 44,8 |
Wasserkraft | 20.637 | 16.016 | -22,4 | 20,0 |
Solar | 7.638 | 10.215 | 33,7 | 12,7 |
Wind | 5.537 | 7.095 | 28,1 | 8.9 |
Insgesamt | 77.751 | 80.156 | 3,1 | 100 |
In den vergangenen Jahrzehnten ließ jedoch der Wirtschaftsaufschwung die Nachfrage nach Energie rapide nach oben schnellen. Allein in den letzten 20 Jahren musste die Energieproduktion verdoppelt werden. Der Ausbau von Wasserkraft stieß dabei rasch an seine Grenzen. Der Peak der Wasserkraftgewinnung war 2006 mit 38.068 Gigawattstunden (GWh) erreicht. Seit etwa zehn Jahren kämpfen die Betreiber aber mit einer extremen Trockenphase. Im Jahr 2021 konnte in Chile nicht einmal die Hälfte dieses Wertes aus Wasserkraft gewonnen werden. Um die Energielücke zu schließen, importierte Chile zunächst verstärkt Kohle, Öl und Gas. Ab 2010 begann die Entdeckung und Erschließung anderer erneuerbarer Energieträger.
Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen forciert Trend zu Erneuerbaren
Treiber des starken Ausbaus erneuerbarer Energien ist neben dem gestiegenen Energiebedarf auch die enorme Importabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Seit Schließung der letzten chilenischen Kohlemine 2020 muss Chile die komplette Kohle, mit der das Land gegenwärtig über ein Drittel seines Stroms erzeugt, importieren. Das ist nicht nur teuer, sondern auch kohlendioxidintensiv.
Deshalb beschloss Chiles Vorgängerregierung unter dem damaligen Präsidenten Piñera im Juni 2021 einen vollständigen Ausstieg aus der Kohle schon bis 2040. Bis 2024 sollen acht Kohlekraftwerke abgeschaltet werden; sie stehen für 19 Prozent der installierten Kohlekraftwerkskapazitäten Chiles. Wenn die anderen 20 in den darauffolgenden Jahren wie vorgesehen folgen, wird dies Chile dem Ziel der Kohlendioxidneutralität ein ganzes Stück näherbringen. Insgesamt deckt Kohle, so die Comisión Nacional de Energía (CNE), etwa ein Fünftel des hiesigen Primärenergiebedarfs. Laut Deutscher Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) verursachen die 28 chilenischen Kohlekraftwerke mehr als ein Viertel der chilenischen Kohlendioxidemissionen.
Auch Öl und Gas bezieht Chile quasi zu 100 Prozent aus dem Ausland. Die Rohölproduktion lag 2021 laut Angaben der U.S. Energy Information Administration bei 22.000 Barrel pro Tag. Selbst das ebenfalls nicht erdölreiche Deutschland fördert 188.000 Barrel pro Tag. Jedes Jahr entfallen wertmäßig etwa 15 Prozent der chilenischen Auslandsbezüge auf Kraftstoffe und Schmiermittel, darunter 2021 laut chilenischem Zoll 32 Prozent auf Rohöl, 26 Prozent auf Diesel und 11 Prozent auf Flüssigerdgas. Davon geht etwa ein Drittel in den Transport und ein Viertel in die Industrie. Der Bergbau benötigt weitere rund 18 Prozent.
Für deutsche Unternehmen, die sich für den chilenischen Energie- und Bergbausektor interessieren, empfiehlt sich insbesondere der Besuch der Exponor. Die Messe findet vom 13. bis 16. Juni 2022 in Antofagasta statt. Partnerland ist in diesem Jahr erstmals Deutschland, nachdem dies bisher nur klassische Bergbauländer und die VR China waren. Die AHK Chile unterstützt die Messe mit einem deutschen Pavillon.