Special China Seidenstraße
Die neue Seidenstraße 2021: Viele Projekte, aber kaum grüner
Chinas Belt and Road Initiative (BRI) war im Jahr 2021 von vielen kleineren und spezialisierten Projekten geprägt. "Grün" ist die neue Seidenstraße noch lange nicht.
27.01.2022
Von Marcus Hernig | Bonn
Weniger ist mehr: Chinas neue Seidenstraße geht nach Recherchen von GTAI in eine neue Richtung. Kleine und überschaubare Projekte liegen im Trend. Typische Beispiele sind Abschnitte neuer Straßen, Gaskraftwerke, Immobilien oder Windkraftgeneratoren. Hinzu kommen Ausbauten bereits früher begonnener Großprojekte Chinas im Ausland. Ägyptens neue Verwaltungshauptstadt ist ein solches Langzeitprojekt, das viele Folgeaufträge nach sich zieht. Die Zeit großer Infrastrukturprojekte scheint vorüber.
Auffällig ist die gestiegene Anzahl der neu abgeschlossenen Unternehmungen. GTAI identifizierte im Jahr 2021 insgesamt 917 Vorhaben, welche als BRI-Projekte klassifiziert wurden. Ihre Anzahl steigerte sich im 2. Halbjahr um 28,7 Prozent gegenüber den ersten beiden Quartalen. Allein im 4. Quartal wurden 266 Ausschreibungen gewonnen, Verträge unterzeichnet oder Projekte gestartet. Auch reine Absichtserklärungen (Memorandum of Understanding, MoU) wurden bei der Aufstellung mitgezählt.
Energie ist der wichtigste Sektor
Energie, Transportinfrastruktur sowie Industrie und Bergbau waren 2021 die drei führenden Sektoren der neuen Seidenstraße. Auf den Energiesektor entfielen mehr als ein Drittel aller Projekte des Jahres.
Zum Transportsektor können 23 Prozent der geplanten und bereits durchgeführten Vorhaben gezählt werden. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Afrika und in Asien spielt weiterhin eine gewichtige Rolle. Viele Projekte treiben den Straßenbau in diesen Regionen voran.
Der drittwichtigste Sektor, Industrie und Bergbau, zeigte im Jahresverlauf das stärkste Wachstum. Von den insgesamt 136 Projekten in diesem Sektor fielen 93 in das 3. und 4. Quartal. Damit konnte die Projektanzahl in der 2. Jahreshälfte mehr als verdoppelt werden. Das Erschließen neuer Erzminen für Edelmetalle spielt dabei eine große Rolle. Ein Beispiel ist die Kupfermine Benete auf der indonesischen Insel Sumbawa. Der Staatskonzern China Nonferrous Metals Industry soll dort für rund 908 Millionen US-Dollar (US$) eine Kupferhütte sowie Hafeninfrastruktur für den Abtransport bauen.
Auf den weiteren Plätzen folgten die Sektoren Immobilien, Umwelt, Gesundheit, Bildung sowie die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT).
Trotz Kohlestopp: Die Seidenstraße wird kaum grüner
Die dominante Branche im Energiesektor bleibt der Kraftwerksbau. Staatsbetriebe wie die China Energy Engineering Group bauen neue Kraftwerke mit fossilen Energieträgern, insbesondere Gas und Erdöl. Rückläufig sind die Aktivitäten im Kohlesektor. Im September 2021 sagte China zu, im Ausland keine Kohleprojekte mehr zu bauen. In der ersten Jahreshälfte waren noch acht Vorhaben zum Neubau beziehungsweise der Modernisierung von Kohlekraftwerken vereinbart worden. Zwei der Projekte lagen dabei in Vietnam, wo chinesische Staatsunternehmen gleichzeitig maßgeblich am Aufbau neuer Windparks beteiligt sind.
In der 2. Jahreshälfte wurde kein weiteres Projekt zu Ausbau oder Modernisierung von Kohlekraft gelistet. Allerdings ging der Anteil der Projekte in den Branchen Wind- und Solarenergie gleichzeitig um über 40 Prozent zurück. Er erholte sich im letzten Quartal aber wieder deutlich. Allerdings sind die meisten Energieprojekte im Rahmen der neuen Seidenstraße auch 2021 den Sektoren Gas und Erdöl zuzuordnen. Ähnlich bedeutsam ist die umstrittene Erschließung von Wasserkraftressourcen in Südostasien, Afrika oder auch in Südamerika. Von allen erneuerbaren Energieträgern verfügen chinesische Unternehmen bei der Wasserkraft über die größte Expertise.
Region | 1. Halbjahr | 2. Halbjahr | Gesamt |
Afrika | 125 | 176 | 301 |
Südostasien | 125 | 98 | 223 |
Ostasien | 0 | 1 | 1 |
Zentralasien | 15 | 29 | 44 |
Südasien | 41 | 42 | 83 |
Mittlerer Osten | 25 | 56 | 81 |
Europa | 24 | 49 | 73 |
Ozeanien | 11 | 15 | 26 |
Südamerika | 35 | 46 | 81 |
Nordamerika | 0 | 4 | 4 |
Neue Schwerpunktregionen: Mittlerer Osten, Afrika und Lateinamerika
Fast die Hälfte aller BRI-Projekte des Jahres 2021 sind in Asien verortet. Auch im 4. Quartal 2021 blieb Asien mit 121 Projekten der wichtigste Kontinent für die neue Seidenstraße. Knapp 52 Prozent aller asiatischer Projekte liegen im wirtschaftsstarken Südosten des Kontinents. Verstärkt rückten in der 2. Jahreshälfte Projekte im Mittleren Osten in den Blickpunkt. Mit 56 gegenüber 25 Projekten der 1. Jahreshälfte steigerten chinesische Unternehmen ihre Aktivitäten dort um mehr als das Doppelte. Die Projektanzahl in Südostasien erlitt in der 2. Jahreshälfte mit 96 gegenüber 125 Vorhaben in der 1. Jahreshälfte einen Rückgang um 24,2 Prozent. Ostasien spielt für die neue Seidenstraße so gut wie keine Rolle.
In Afrika wurden im 4. Quartal 82 Vorhaben projektiert oder bereits gestartet. Damit blieb Chinas Engagement auf dem Kontinent auf dem hohen Niveau des 3. Quartals (94). Insgesamt ergab sich damit eine deutliche Steigerung gegenüber den 125 Projekten in der 1. Jahreshälfte 2021.
Lateinamerika bildet mit 29 Seidenstraßenprojekten den drittwichtigsten Kontinent. Chinas Aktivitäten in Lateinamerika lagen mit 56,7 Prozent im letzten Quartal 2021 von allen sechs Regionen am deutlichsten über dem Jahresdurchschnitt.
Auch Europa verzeichnet mehr BRI-Aktivitäten
Mit 49 gegenüber 24 Projekten verdoppelte sich auch in Europa – Russland eingeschlossen – die Zahl der BRI-Projekte im 2. Halbjahr 2021. Südosteuropa und Russland blieben mit 67 Prozent Anteil die Schwerpunktregionen. Auf die Staaten der Europäischen Union (EU) entfielen 27 Prozent, auf das Vereinigte Königreich 6 Prozent der BRI-Vorhaben des Jahres 2021. Der Großteil der Seidenstraßenvereinbarungen in der EU und im Vereinigten Königreich betraf dabei Lieferungen von Solarenergie- und Windkraftkomponenten.
Ozeanien, einschließlich Australien und Neuseeland, konnte im Jahr 2021 insgesamt 26 Vorhaben auf seinem Territorium vereinbaren. Wichtigste Partnerländer Chinas waren Papua-Neuguinea und Australien.
Nordamerika bleibt als „Systemrivale“ Chinas weiterhin bedeutungslos für die neue Seidenstraße. Interessant ist aber, dass chinesische Quellen den Verkauf aller Stammaktien von Neolithium Canada an die Zijin Mining Group sowie zwei Gaslieferungen aus den USA nach China als BRI-Projekte führen.
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