Special China Seidenstraße
Welche Länder sind Teil der neuen Seidenstraße?
Fast 80 Prozent aller Staaten der Welt haben ein Abkommen im Rahmen von Chinas Seidenstraßeninitiative unterzeichnet. Nur wenig neue Länder dürften folgen. (Stand: 24.05.2024)
Von Lisa Flatten | Bonn
Laut offizieller chinesischer Webseite zur Seidenstraßeninitiative hat China mit 153 Ländern im Rahmen der neuen Seidenstraße sogenannte Memorandums of Understanding (MoU) abgeschlossen. Daneben unterzeichneten auch 33 internationale Organisationen, einschließlich der Afrikanischen Union, ein solches Abkommen mit China. Viele davon sind Unterorganisationen der Vereinten Nationen. Doch auch einige internationale Entwicklungsbanken wie die Asiatische Entwicklungsbank und die Weltbank halten ein Seidenstraßenabkommen. Unterzeichnet haben auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sowie die Europäische Investitionsbank (EIB).
Das Reich der Mitte hatte sich in den frühen Jahren der 2013 präsentierten Belt and Road Initiative (BRI) klar auf den asiatischen und europäischen Raum konzentriert, während Afrika, Südamerika sowie die pazifischen Staaten später in den Fokus rückten. Die hier genutzte chinesische Quelle kann von unabhängigen Informationen der einzelnen BRI-Länder abweichen.
Globaler Süden im Fokus der neuen Seidenstraße
In Afrika sind Eswatini, Westsahara und Mauritius die letzten drei verbliebenen Länder beziehungsweise Gebiete ohne ein BRI-MoU. China konnte zudem die Mehrheit der asiatischen Staaten für seine Initiative gewinnen. Darunter auch alle Mitgliedsstaaten des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN).
Neben den Palästinensischen Gebieten haben sich im Nahen Osten und in Südasien 20 Staaten der BRI angeschlossen. Indien stand der Initiative dagegen von Beginn an kritisch gegenüber. Ähnlich hält es Japan, das sich jedoch für ein von der BRI unabhängiges bilaterales Abkommen mit China zur Zusammenarbeit auf Drittmärkten entschied. Solche bilateralen Erklärungen zu Entwicklungsprojekten in Drittländern sind keine Seltenheit, auch Frankreich schloss beispielsweise 2015 ein solches Abkommen mit China.
Mittlerweile traten auch alle acht postsowjetischen Staaten in Zentralasien und im Kaukasus der neuen Seidenstraße bei. Im pazifischen Raum wurden bisher zwölf Abkommen im Rahmen der BRI unterzeichnet. Während Neuseeland 2017 ein BRI-MoU mit China schloss, sprach sich das Nachbarland Australien gegen eine Teilnahme aus. Der australische Bundesstaat Victoria unterzeichnete im Jahr 2018 ein eigenes MoU mit China. Dies geschah jedoch zum Missfallen der australischen Regierung, die das Abkommen 2021 wieder aufkündigte. In Lateinamerika und der Karibik gingen 22 Staaten ein Abkommen ein.
Abbruch der Beziehung zu Taiwan
Eswatini ist Taiwans letzter diplomatischer Verbündeter in Afrika. Nur noch wenige Länder weltweit erkennen Taiwan als souveränen Staat an. Um Teil der neuen Seidenstraße zu werden, haben einige Länder die diplomatischen Beziehungen mit der Volksrepublik China aufgenommen und sich damit gegen die Anerkennung Taiwans entschieden. Aktuelle Beispiele sind Nicaragua (2021), Honduras (2023) und Nauru (2024).
In Europa kann China nicht alle Länder nachhaltig überzeugen
In Europa schienen zunächst insbesondere mittel- und osteuropäische Länder Chinas neuer Seidenstraße aufgeschlossen gegenüberzustehen – vor allem im Rahmen des regelmäßig stattfindenden 17+1-Formats. Beim Gipfel des Kooperationsformats im Jahr 2021 zeichnete sich jedoch ab, dass einige Staaten die Zusammenarbeit mit China mittlerweile kritischer sehen. Im selben Jahr trat Litauen dann auch aus der 17+1-Runde aus. Die baltischen Nachbarn Estland und Lettland folgten 2022.
In der Europäischen Union halten 17 der 27 Mitgliedsstaaten ein Seidenstraßenabkommen mit China im Rahmen der BRI. Rumänien war hier 2015 der erste Unterzeichner. Viele Staaten folgten, bis 2019 Zypern als vorerst letztes EU-Land der Initiative beitrat. Deutschland hat kein solches MoU unterzeichnet. Auch die anderen neun EU-Staaten ohne Abkommen liegen in Westeuropa.
Italiens Beitritt zur BRI als einziger G7-Staat im Jahr 2019 wurde von Kritik begleitet. Ende 2023 entschied sich die Regierung unter Premierministerin Giorgia Meloni dann jedoch auch als erstes Land wieder aus der neuen Seidenstraßeninitiative auszutreten.
Die meisten Beitritte erfolgten 2018
Die europäischen Länder traten vermehrt zwischen 2014 und 2017 der Initiative bei. Auch asiatische und postsowjetische Staaten unterzeichneten vor allem in den ersten vier Jahren nach dem Start der Initiative. Die ASEAN-Länder traten der neuen Seidenstraße verteilt über die zweite und dritte Beitrittswelle (2016-2018) bei. Die meisten afrikanischen und pazifischen Staaten kamen dann im Jahr 2018 hinzu. Dies gilt ebenso für den lateinamerikanischen sowie den karibischen Raum.
Damit haben rund 79 Prozent aller Länder der Welt ein Abkommen zur BRI unterzeichnet. Jedoch beschränkt China seine Zusammenarbeit nicht nur auf Länder mit BRI-MoU. In Brasilien investierte China beispielsweise auch ohne BRI-Abkommen in die Digitalisierung und die Entwicklung von Häfen.
BRI-Abkommen werden meist nicht veröffentlicht
Von den 153 geschlossenen Abkommen sind nur drei offiziell einsehbar. Dies betrifft die Vereinbarungen mit Neuseeland, Polen und Ungarn. Auch wenn es Unterschiede in der Ausgestaltung der MoUs gibt, ist die Grundstruktur ähnlich. Nach der Übereinkunft, die Zusammenarbeit zu vertiefen, einigen sich die Parteien auf bis zu fünf Kooperationsprioritäten im Rahmen der BRI: Verflechtung von Politik, Handel, Finanzmärkten, Infrastruktur und Kultur. Die Zusammenarbeit kann ein breites Spektrum an Bereichen abdecken, wie zum Beispiel die gemeinsame Entwicklung von Verkehrsinfrastruktur, die Errichtung von Industriezonen, die Förderung von Handel und Investitionen oder die finanzielle Zusammenarbeit.
Auf die grundlegenden MoUs folgen oftmals Anschlussabkommen, die sich mit spezifischen Projekten sowie Kooperationsfeldern befassen. So schloss Ungarn beispielsweise beim Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping im Mai 2024 verschiedene Abkommen zu Seidenstraßenprojekten ab. Konkret beschlossen wurde beispielsweise der Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zum Flughafen Ferihegy in Budapest, ein Güterbahnprojekt zur Umgehung der Hauptstadt (bekannt als V0) sowie die Prüfung einer gemeinsamen serbisch-ungarischen Ölpipeline.
Viel Potenzial zur Erweiterung der Seidenstraße gibt es nicht. Die meisten Staaten ohne BRI-Abkommen stehen der Initiative kritisch gegenüber. Einige greifen die Kritik an der BRI auf und haben mittlerweile eigene Investitionsoffensiven gestartet, darunter die EU mit ihrer Global-Gateway-Initiative.
GTAI berichtet regelmäßig zur neuen Seidenstraße:
- 1. Quartal 2024: Wird Chinas Seidenstraße wirklich kleiner, grüner und smarter?
- Jahresbericht 2023: China investiert in seine Nachbarländer.
- 3. Quartal 2023: Chinas Nachbarn bleiben an neue Seidenstraße gebunden.
- 1. Halbjahr 2023: Chinas Seidenstraße setzt auf mehr Industrieproduktion.
- 1. Quartal 2023: China zahlt immer weniger für neue Seidenstraße.
Hier finden Sie alle GTAI-Informationen zur Belt and Road Initiative.