In Mittel- und Osteuropa sowie auf dem Balkan erzielen chinesische Firmen durchaus Erfolge. In Westeuropa aber bleibt es für sie schwierig.
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) bleiben für chinesische Infrastrukturbaufirmen ein schwieriges Pflaster. Die europäischen Ausschreibungsgesetze erschweren die Anwendung des "chinesischen Finanzierungsmodells": Denn gerade in ärmeren Partnerländern der Belt and Road Initiative bietet China eine Art Paketmodell an.
Bei diesem Modell liefern chinesische Banken wie die China Development Bank oder die China Exim Bank die Finanzierung, die implizit oder explizit an die Umsetzung des Projektes durch einen chinesischen Auftraggeber geknüpft ist. Die Übernahme der Aufträge machen die oft staatlichen chinesischen Baukonzerne unter sich aus. Die Gewinner greifen dann auf chinesische Zulieferer zurück, sofern diese die geforderten Teile produzieren können. Ausländische Lieferanten, etwa aus Deutschland, kommen nur in Ausnahmefällen zum Zuge, wenn hoch spezialisierte Lösungen gefragt sind.
Gleichzeitig aber werden chinesische Firmen immer besser darin, nach EU-Standards zu bauen. So können sie auch freie, europäische Ausschreibungen zusehends für sich entscheiden. Innerhalb der EU gibt es dabei große regionale Unterschiede. Allgemein gilt: Je größer der Aufholbedarf bei der Infrastruktur ist, und je geringer das Budget für die geplanten Baumaßnahmen, desto höher liegen auch die Chancen für eine chinesische Firma, zum Zuge zu kommen.
Gerade in den Regionen Mitteleuropa und Südwesteuropa konnten sich chinesische Konzerne daher in den vergangenen Jahren etablieren. Dabei profitierten sie auch von Geldern aus den EU-Strukturfonds, die viele Infrastrukturprojekte in der Region unterstützen.
In Westeuropa haben chinesische Firmen einen schweren Stand
In Westeuropa tun sich chinesische Baufirmen dagegen noch schwer. Die etablierte lokale Konkurrenz und hohe Qualitätsansprüche machen den Einstieg schwierig. Das größte Projekt, das eine chinesische Firma in der Region umsetzt, ist eine Müllverbrennungsanlage nahe der Stadt Pau in Frankreich im Wert von 225 Millionen Euro. Für diese Anlage hatte der französische Generalunternehmer Urbaser S.A.U. allerdings bereits 2020, also noch vor der Übernahme von Urbaser durch China Tianying im Juni 2021, den Zuschlag erhalten.
Ausgewählte Auslandsprojekte chinesischer Firmen in Westeuropa (Projektwert in Millionen Euro)Land | Projekt | Wert | Firmen (Mutterkonzern) | Anmerkungen |
---|
Frankreich | Modernisierung des Müllheizkraftwerks Pau | 225 | Urbaser (Tianying) | Aufwändige Modernisierung der Anlage; Vertrag (2020) mit Laufzeit von 20 Jahren |
Italien | Ausbau der Aluminiumhütte PortoVesme | 100 | China Aluminum International Engineering und Shenyang Aluminium Engineering (Chalieco) | Vertrag 2019, Inbetriebnahme 2020 |
Italien | Offshore-Windpark Taranto | k.A. | MingYang Smart Energy | Lieferung, Betrieb und Instandhaltung von Offshore-Windturbinen |
Spanien | Mehrere Fotovoltaikprojekte (137 MW) | 100 | Energy China | Vertrag 2019; sechs Unterprojekte mit jeweils 19-28MW, teilweise noch im Bau |
Spanien | Hafenausbau Algeciras (TTIA) | k.A. | Shanghai Zhenhua Heavy Industries (CCCC) | Gewinn der Ausschreibung im März 2021; Kranerhöhung und -verlängerung |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Südosteuropa ist offener für Investitionen aus China
In den EU-Mitgliedsstaaten in Südosteuropa konnte China bereits besser Fuß fassen. Mit dem 16+1 Format, vormals 17+1, hat China eine Plattform für einen wirtschaftspolitischen Dialog mit den Ländern Mittel- und Südosteuropas etabliert. Die Teilnehmerstaaten profitieren dabei unterschiedlich stark von chinesischen Investitionen.
Teilnehmer der 17+1-Initiative
|
© GTAI
In Griechenland, der Heimat des nun chinesisch geführten Hafens Piräus, konnten sich chinesische Firmen bei zwei großen Energieprojekten durchsetzen. Eine Tochter der Energy China baut ein großes Solarwärmekraftwerk auf der Insel Kreta. Auf Rhodos errichtet eine chinesische Firma ein Müllheizkraftwerk.
In Kroatien wird die China Road and Bridge Corporation (CRBC) die Arbeiten am ersten Bauabschnitt der Pelješac-Brücke im Sommer 2022 abschließen. Die 2,5 Kilometer lange Brücke verbindet das kroatische Festland mit der Halbinsel Pelješac und damit zwei Landesteile Kroatiens, die bisher durch den schmalen Meereszugang von Bosnien und Herzegowina voneinander getrennt waren. 85 Prozent der Baukosten in Höhe von 280 Millionen Euro werden aus EU-Mitteln finanziert. Ein Konkurrenzangebot der österreichischen Firma STRABAG unterbot CRBC um 20 Prozent. STRABAG reichte gegen das Ausschreibungsergebnis eine Beschwerde ein – vergeblich.
In Rumänien entstehen zwei Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke nach europäischem Standard. Die Turbinen werden von Siemens zugeliefert. Abgesichert wird das Projekt von der staatlichen chinesischen Versicherungsgesellschaft Sinosure. Ein anderes Prestigeprojekt chinesisch-rumänischer Kooperation kam dagegen nicht zustande. Das Angebot der China General Nuclear Power Corporation, dem rumänischen Kernkraftwerk Cernavodă zwei Reaktoren hinzuzufügen, wurde im Mai 2020 von der rumänischen Regierung verworfen.
Ausgewählte Auslandsprojekte chinesischer Firmen in Südosteuropa (Projektwert in Millionen Euro)Land | Projekt | Wert | Firmen (Mutterkonzern) | Anmerkungen |
---|
Bulgarien | Logistic Center Varna | 120 | China Machinery Engineering Corperation | Ausbau des Hafens von Varna; Vertrag 2019, im Bau |
Bulgarien | General Toshevo Windpark (300MW) | k.A. | China Zhongyuan Engineering (China National Nuclear Power), North China Engineering (Energy China) | Vertragsabschluss im August 2021 |
Bulgarien | Belozan Photovoltaic Project | k.A. | Power China | Neubau eines Solarkraftwerkes; Vertrag August 2018 |
Griechenland | Solarwärmekraftwerk auf der Insel Kreta (50MW) | 290 | China Gezhouba International Engineering (Energy China), Zhejiang Supcon Solar Technology | Designphase abgeschlossen, warten auf Finanzierung |
Griechenland | Müllheizkraftwerk auf der Insel Rhodos | 130 | China National Complete Plant Import & Export | Absichtserklärung 2019 |
Kroatien | Peljesac-Brücke | 280 | China Road and Bridge Corperation (CCCC) | 2,5 km lange Verbindungsbrücke; Vertragsunterzeichnung 2018, Eröffnung im Sommer 2022 |
Kroatien | Windenergie-Projekt Senj | 230 | Norinco | Onshore-Windpark mit 156 MW Leistung; Vertrag 2017, Inbetriebnahme 2021 |
Rumänien | Zwei Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke in Bukarest (540 MW) und Cluj (661 MW) | k.A. | Northeast Institute of Energy China | Vertrag Oktober 2021 |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Firmen aus der Volksrepublik machen gute Geschäfte in Mitteleuropa
In Mittel- und Osteuropa konnten chinesische Firmen sich ebenfalls bereits im Infrastrukturbau etablieren. Die Region beheimatet einige der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der EU und hat dementsprechend einen hohen Bedarf an moderner Infrastruktur. Dabei ist China im Baltikum deutlich weniger erfolgreich als in den Staaten der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn). Das gilt insbesondere für Polen und Ungarn.
In Polen konnten sich chinesische Infrastrukturbaufirmen in den vergangenen Jahren viele Großprojekte sichern. Die PowerChina-Tochter Stecol setzt mehrere Projekte im Eisenbahn- und Autobahnsektor um. PowerChina baute zwischen 2018 und 2021 außerdem zwei Wasserreservoirs in der Region Niederschlesien. Der staatliche Stromnetzbetreiber China State Grid erhielt mit seiner Tochtergesellschaft, der Pinggao Group, in Polen bereits mehrere Projekte im Energiesektor, darunter Stromleitungen und ein neues Umspannwerk.
In Ungarn befindet sich ein Teil eines der Prestigeprojekte der 16+1-Initiative: die Erneuerung der Bahnstrecke Budapest-Belgrad. Das ungarisch-serbische Vorhaben war bereits beim Gründungsgipfel des Formats im Jahr 2013 präsentiert worden. Künftig sollen Passagierzüge auf der Strecke mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde verkehren können. Die Linie soll im Anschluss nach Süden über Skopje zum griechischen Hafen Piräus ausgebaut werden.
Bis 2017 wurden die Modernisierungsarbeiten auf der serbischen Seite weitgehend abgeschlossen. Auf ungarischer Seite brachte ein Ermittlungsverfahren der europäischen Wettbewerbshüter das Projekt zunächst zum Stillstand. Mit der Ankündigung einer neuen Finanzierungsrunde durch die China Exim Bank im April 2020 kam wieder Leben in das Projekt. 85 Prozent der Gesamtkosten in Höhe von 2,1 Milliarden Euro finanziert die chinesische Bank, den Rest steuert die ungarische Regierung bei.
Ausgewählte Auslandsprojekte chinesischer Firmen in Mitteleuropa (Projektwert in Millionen Euro)Land | Projekt | Wert | Firmen (Mutterkonzern) | Anmerkungen |
---|
Polen | Onshore-Windpark (324,8 MW) | 568 | China Energy Engineering Group Guangdong Power Engineering (Energy China) | Fünf Teilprojekte an der Ostseeküste; Vertrag: 2019; teilweise noch im Bau |
Polen | Erneuerung der Eisenbahnstrecke Czyżew-Białystok | 500 | Power China International Group, Stecol Corporation Tianjin Branch (PowerChina) | Streckenabschnitt von 71 Kilometern, 5 Stationen; Teil des Projekts Rail Baltica; Vertrag: Juni 2020 |
Polen | Streckenabschnitt Autobahn S14 | 305 | Stecol Corporation Tianjin Branch (PowerChina) | 16 Kilometer langer Streckenabschnitt, Ringstraße Łódź. Vertrag 2019, Baubeginn 2020 (35 Monate) |
Polen | Autobahn A2 | 140 | Stecol Corporation Tianjin Branch (PowerChina) | Streckenabschnitt Groszki-Gręzów (13 Kilometer); Vertrag: Februar 2021 |
Polen | Stromtrasse und Umspannwerk | 120 | Pinggao Group (China State Grid) | 400 kV-Leitung Gdańsk–Żydowo Kierzkowo–Słupsk; Baubeginn 2015, Fertigstellung 2020 |
Polen | Zwei Wasserreservoirs nahe Kłodzko | 69 | PowerChina | Zwei Wasserreservoirs zum Hochwasserschutz; Baubeginn 2018, Fertigstellung Dezember 2021 |
Polen | Neu- und Umbau Deich und Kanal in Zielona Góra | 55 | PowerChina International Group, Stecol Corporation Tianjin Branch (PowerChina) | Mehrere Kanalabschnitte, Deiche, Pumpstation; Baubeginn: Januar 2020 (43 Monate) |
Polen | Stromtrasse Bacina-Plavska | n.a. | Shanghai Electric Power Construction (PowerChina) | 141 km Doppelfreileitung zur Verbesserung der Netzintegration mit Deutschland; Baubeginn Mai 2021 |
Ungarn | Budapest-Belgrad Bahnstrecke | 2100 | China Tiejiuju Engineering & Construction, China Railway Electrification Engineering Group, RM International Zrt. | 159,4 km langer Streckenabschnitt auf ungarischer Seite; Finanzierungszusage China Exim Bank: April 2020 |
Ungarn | Fotovoltaikanlage Kaposvar (100 MW) | 100 | SINOMEC (Sinomach) | Baubeginn Juli 2019, Inbetriebnahme Mai 2021 |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Von Sebastian Holz
|
Bonn