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Digitale Datenautobahn unter der Arktis geplant
Unterseekabel gewinnen zunehmend an Bedeutung - auch für die EU-Initiative Global Gateway. Der finnische Anbieter Cinia plant eine Reihe von Großprojekten.
08.10.2024
Von Niklas Becker | Helsinki
"Internationale Datenkabel, insbesondere Unterseekabel, werden immer mehr zu kritischer Infrastruktur. Daher ist es notwendig, dass die Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene Risiken durch alternative Routen gesichert wird." Das sagt Taneli Vuorinen, Head of Strategic Ventures bei Cinia, einem finnischen Dienstleister für Telekommunikation, Cybersicherheit sowie Softwaretechnologien.
Erstes panarktisches Datenkabel
Cinia arbeitet derzeit an solch einer Alternativroute zu bereits funktionierenden interkontinentalen Datenkabeln. Far North Fiber (FNF), ein 14.000 Kilometer langes Unterseekabel, soll künftig Europa und Asien über Nordamerika verbinden – als erstes Kabel durch die Arktis überhaupt.
Die Idee für eine Arktisquerung gibt es schon lange. "Aufgrund des Klimawandels wird dies nun realistischer", so Vuorinen von Cinia. Es seien zwar neue technische Lösungen erforderlich, aber diese seien machbar. Der Experte ist sicher, langfristig werde es mehrere Kabelverbindungen auf der panarktischen Route geben. Für FNF wurde Anfang 2024 eine Kabeltrassenstudie abgeschlossen, die eine Vielzahl detaillierter Informationen für die weitere Entwicklung des Arktiskabels lieferte.
Aktuell gibt es drei Hauptrouten für digitale Datenautobahnen zwischen Europa und Asien. Die kürzeste ist die rund 14.00 Kilometer lange Russische Terrestrische Route von London über Russland nach Tokio. "Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist sie für westliche Nutzer natürlich nicht mehr attraktiv", sagt Vuorinen. Auch die alternative, etwa 21.000 Kilometer lange Route durch das Rote Meer, führt durch Regionen mit höherem Risiko. Nur die dritte, 20.000 Kilometer lange Verbindung durch den Atlantik, über den amerikanischen Kontinent und durch den Pazifik ist derzeit zuverlässig nutzbar.
Neben dem Arktiskabel sind noch zwei innereuropäische Datenkabel geplant
Neben FNF ist Cinia noch an zwei weiteren Netzinfrastrukturprojekten beteiligt: C-Lion2 (CL2) und Terrestrial Backbone Finland (TBF).
Das geplante Unterseekabelsystem CL2 soll wichtige Zentren im Ostseeraum – insbesondere in Finnland, Schweden und Deutschland – miteinander verbinden. TBF ist ein sogenanntes nationales Backbone-Netz, das Hochgeschwindigkeitsverbindungen innerhalb Finnlands und eine effiziente Weiterleitung in andere nordische Länder und nach Mitteleuropa ermöglichen soll.
Im Sommer 2024 befanden sich die drei Datenkabelprojekte FNF, CL2 und TBF noch in der Entwicklungsphase. Eine endgültige Investitionsentscheidung hat Cinia noch für keines der Projekte getroffen. "Wir haben uns nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festgelegt. Unterseekabel werden für eine Betriebsdauer von mindestens 25 Jahren geplant, daher wollen wir unsere Entscheidung nicht überstürzen", erklärt Vuorinen.
Global-Gateway-Leuchtturmprojekt: Northern EU Digital Gateways
Die drei Projekte FNF, CL2 und TBF wurden von der EU zum Vorhaben Northern EU Digital Gateways zusammengefasst. Dieses wird im Rahmen der EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway als Leuchtturmprojekt gefördert. Insgesamt hat die EU 138 solcher Vorzeigeprojekte für 2024 nominiert.
Für den Zeitraum 2023 und 2024 hat die EU im Rahmen der Connecting Europe Fazilität (CEF) Fördergelder für Northern EU Digital Gateways bereitgestellt, die verschiedene Schritte der Projekte finanzieren sollen. Im Rahmen der zweiten Runde der CEF hat Cinia weitere EU-Mittel für die Jahre 2024 bis 2026 erhalten. "Cinias Plan ist es, diese Gelder vor allem für Datenkabelprojekte zwischen Europa und Asien – wie unser FNF-Projekt – zu verwenden", sagt Vuorinen.
Mit den USA, Kanada und Japan vernetzt
Far North Fiber ist das ambitionierteste Projekt innerhalb von Northern EU Digital Gateways. Zudem ist es nicht nur für die EU von Bedeutung. Von nordamerikanischer Seite sind das Unternehmen Far North Digital aus Alaska/USA und dessen kanadische Tochtergesellschaft True North Global Networks beteiligt. Aus Sicht der USA verläuft die geplante FNF-Route mehrere tausend Kilometer zu weit nördlich der großen Wirtschaftszentren. Sie würde lediglich eine bessere Internetverbindung für Alaska bedeuten.
Doch für Kanada bietet das FNF-Kabel neue Chancen. Denn das Land baut gerade Hochgeschwindigkeitsglasfaserverbindungen aus und investiert mit Beschluss vom Sommer 2023 insgesamt 14,5 Millionen US-Dollar (US$), um seine arktischen Gebiete infrastrukturell besser an den Rest des Landes anzuschließen.
Auf japanischer Seite beteiligt sich Arteria Networks, eine Tochterfirma des Handelshauses Marubeni und der Sicherheitsfirma Secom, am FNF-Projekt. Denn auch Japan sieht darin eine Möglichkeit, Risiken zu streuen, und den Datenaustausch mit Europa zu diversifizieren.
Auch Deutschland hätte direkten Zugang zum neuen Arktiskabel
Cinia – schon 1861 gegründet, aber erst seit 2015 unter diesem Namen auf dem Markt – betreibt heute insgesamt 15.000 Trassenkilometer Glasfasernetz. Größter Anteilseigner ist der finnische Staat.
Zum Cinia-Netz gehört auch die von Finnland initiierte Unterwasserverbindung C-Lion1 (CL1). Es ist das einzige direkte Datenkabelsystem zwischen Finnland und Deutschland – 1.200 Kilometer lang und seit 2016 in Betrieb. Über CL1 und über die geplante CL2-Verbindung könnte Deutschland dann auch vom panarktischen FNF-Kabel profitieren.
"Solche Verbindungen werden immer wichtiger, nicht zuletzt aufgrund der Nachfrage, die durch die Entwicklung der digitalen Gesellschaft und durch künstliche Intelligenz entsteht", sagt Vuorinen.
Der digitale Highway CL1 bietet die kürzeste und schnellste Verbindung zwischen Mitteleuropa und den wichtigsten Rechenzentrumsstandorten in den nordischen Ländern, die neue Investitionen anziehen. So hat Microsoft angekündigt, drei neue Rechenzentren in Finnland zu errichten. Google plant umfangreiche Erweiterungen für sein Rechenzentrum nahe der südfinnischen Stadt Hamina. Auch deutsche Unternehmen wie die Einzelhandelskette Lidl und der Hosting-Dienstleister Hetzner sind an mehr Datenverbindungen nach Finnland interessiert.