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Hongkong baut Gesundheitssektor kräftig aus

Bis 2036 sollen für 64 Milliarden US-Dollar etwa 15.000 zusätzliche Klinikbetten entstehen. Für ausländische Firmen ergeben sich daraus umfangreiche Zulieferchancen.

Von Roland Rohde | Hongkong

Die Omikron-Variante des Coronavirus verbreitet sich Anfang 2022 explosionsartig in der unzureichend immunisierten Bevölkerung. Schon zu Beginn der neuen Infektionswelle geriet das unterfinanzierte Gesundheitssystem an seine Grenzen. Mitte Februar 2022 gab es bereits 4.000 Ansteckungen pro Tag und 90 Prozent aller Intensivbetten waren belegt. Doch die Infektionszahlen werden in den nächsten Wochen weiter zulegen. Mit der Unterstützung vom chinesischen Festland sollen nun in Windeseile Behelfshospitäler gebaut werden.

Darüber hinaus gibt es langfristig angelegte Ausbaupläne. Denn selbst nach dem Ende der Covid-19-Pandemie muss der Gesundheitssektor der Sonderverwaltungsregion (SVR) große Herausforderungen bewältigen. An erster Stelle steht die rasche Alterung der Gesellschaft. Bereits jetzt haben Hongkonger nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die höchste Lebenserwartung der Welt. Mehr als die Hälfte aller 2022 geborenen Mädchen dürfte nach Einschätzung von Medizinern ihren 100. Geburtstag erleben.

Anteil von Senioren in Bevölkerung soll sich verdreifachen

Der Anteil von Senioren in der Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten spürbar zunehmen. In der Gruppe der Hochbetagten wird sogar ein exponentielles Wachstum erwartet. Laut Prognosen des lokalen Statistikamtes wird der Anteil von Personen, die 80 Jahre und älter sind, zwischen 2021 und 2046 nahezu um den Faktor drei steigen. Zugleich wird die Bevölkerung infolge von Zuwanderung vom chinesischen Festland weiterwachsen.

Dies zieht insbesondere für staatliche Krankenhäuser Konsequenzen nach sich. Dort wird nämlich der Großteil aller Einwohner nahezu kostenlos behandelt. Doch für nicht lebensbedrohliche Standardeingriffe wie die Operation des Grauen Stars oder den Einsatz einer künstlichen Hüfte müssen Patienten lange Wartezeiten in Kauf nehmen. In den Krankenzimmern stehen oft ein Dutzend Betten. Wer es sich leisten kann, geht zur privaten Konkurrenz und muss dafür eine teure Krankenversicherung abschließen oder tief in die eigene Tasche greifen.

Hongkong gibt für Gesundheit nur halb so viel aus wie Deutschland

Den hohen Nachholbedarf verdeutlichen die bisherigen Ausgaben. So lagen die gesamtwirtschaftlichen Aufwendungen für den Gesundheitsbereich im Ende März endenden Fiskaljahr 2019/2020 nach Angaben des Gesundheitsamtes lediglich bei 6,8 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Deutschland, das beim BIP pro Kopf auf einem ähnlichen Niveau wie Hongkong liegt, kam 2019 gemäß Angaben des Statistischen Bundesamtes auf eine entsprechende Quote von 11,9 Prozent. Zudem stammen in der SVR nur gut die Hälfte der Gesundheitsausgaben aus staatlichen Quellen.

Hongkongs Gesundheitssektor im Überblick 2020

Indikator

Wert

Daten zum Gesundheitssektor1

Anzahl Ärzte2

15.298

Ärzte pro 1.000 Einwohner

2,0

Anzahl Zahnärzte

2.651

Daten zur medizinischen Infrastruktur

Anzahl Hospitäler, davon

55

  Öffentlich

43

  Privat

12

Anzahl Krankenhausbetten, davon

34.841

  Öffentlich

29.791

  Privat

5.050

Daten zu Gesundheitsausgaben3

Gesamtausgaben (in Milliarden US$), davon

24,3

  Öffentlich

13,0

  Privat

11,3

Ausgaben pro Kopf (in US$)

3.249

Relative Ausgaben (in Prozent vom BIP)

6,8

1) Jahresende; 2) ohne registrierte Anbieter traditioneller chinesischer Medizin; 3) Fiskaljahr 2019/2020, das am 31. März endetQuelle: Department of Health

Langfristig soll sich dies spürbar ändern: Um etwa die soziale Zufriedenheit zu verbessern, soll der staatliche Gesundheitssektor kräftig ausgebaut und modernisiert werden. Dafür nimmt die Regierung, die nach Corona immer noch auf beachtlichen fiskalischen Reserven sitzen wird, viel Geld in die Hand. So werden für den Neu- und Ausbau der staatlichen Krankenhäuser im Rahmen von zwei Zehnjahresplänen umgerechnet 64 Milliarden US-Dollar (US$) einkalkuliert. Mithilfe der Initiative sollen bis 2036 rund 15.000 zusätzliche Klinikbetten entstehen. Das kommt gegenüber dem Bestand von Ende 2020 einer Steigerung von 50 Prozent gleich. Des Weiteren sollen 90 zusätzliche Operationsräume bereitgestellt werden.

Die Regierung investiert hohe Summen, um den auf Kosteneffizienz getrimmten Gesundheitssektor zu modernisieren.

Die Pläne schaffen umfangreiche Geschäftschancen für ausländische Ingenieur- und Planungsbüros sowie für Anbieter von Krankenhausausstattung und Medizintechnik. In Hongkong gibt es kaum noch verarbeitendes Gewerbe und entsprechend wenige Branchenhersteller, sodass fast alle Produkte importiert werden müssen. Gleiches gilt für die Gebäude- und Energiespartechnik.

Transparente Ausschreibungen und öffentliche Beschaffung

Da die SVR Mitglied des Agreement on Government Procurement (GPA) der Welthandelsorganisation (WTO) ist, müssen ab einem bestimmten Schwellenwert sämtliche Beschaffungen öffentlich ausgeschrieben werden. Die Hospital Authority ist Betreiber von 43 staatlichen Krankenhäusern sowie 122 Tageskliniken. Die Behörde informiert registrierte Zulieferer zusätzlich bei kleineren Aufträgen, die unter dem GPA-Schwellenwert liegen. Auf ihrer Webseite kann man sich über aktuelle Ausschreibungen informieren. Die Behörde wickelt alle Anschaffungen über das Government Logistics Department ab. Dort kann man sich online als Zulieferer registrieren lassen.

Öffentliche Ausschreibungen und Beschaffungen verlaufen in Hongkong zumeist fair und offen, Korruption ist kaum verbreitet. Im Corruption Perception Index 2020 landete die SVR auf Rang elf von insgesamt 180 Plätzen. Im Baubereich werden jedoch tendenziell lokale und chinesische Firmen bevorzugt. Bei der Gebäudeausstattung legen die Behörden zumeist besonderen Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit, sodass die Chancen ausländischer Anbieter auf einen Zuschlag steigen. Bei Medizintechnik sind die Ansprüche noch höher. Hersteller aus den USA, Japan und Deutschland sind im Hightech-Bereich die bedeutendsten Zulieferer.

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