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In Indien entstehen reihenweise neue Rechenzentren
Die Rechenzentren selbst und ihre Kapazitäten werden rasant ausgebaut. Auch große Branchenunternehmen investieren in Indien. Dabei gibt es lokale Schwerpunkte.
14.07.2023
Von Florian Wenke | Mumbai
Je nach Quelle unterscheidet sich die Anzahl der in Indien bereits vorhandenen, sogenannten Colocation-Rechenzentren. Die oft genannte Menge von 138 Rechenzentren dürfte mittlerweile veraltet sein. Branchenblogs wie Cloudscene oder Data Center Map liegen mit ihren Schätzungen von 151 beziehungsweise 160 Colocations wohl näher an der tatsächlichen Zahl. Die Marktgröße für 2021 wurde vom Marktforschungsunternehmen Arizton Advisory & Intelligence auf rund 4,4 Milliarden US-Dollar (US$) geschätzt. Die Analysten prognostizieren bis 2027 ein Anwachsen auf über 10 Milliarden US$.
Kapazitäten der Rechenzentren sollen sich mehr als verdoppeln
Das Immobilienunternehmen ANAROCK Binswanger prognostizierte 2022, dass die Leistung von Colocation-Rechenzentren bis 2025 um 1.015 Megawatt zulegen soll. Damit würde sich die Kapazität von 737 Megawatt auf dann 1.752 Megawatt mehr als verdoppeln. Den Flächenzuwachs geben die Experten mit 13 Millionen Quadratfuß (umgerechnet rund 1,2 Millionen Quadratmeter) an. Die Finanzberatung Avendus sieht die Entwicklung des Marktes ähnlich positiv. Sie prognostiziert, dass die Kapazitäten von 800 Megawatt im Jahr 2022 auf 1.700 Megawatt im Jahr 2025 steigen. Dafür sind laut Berechnungen 5 Milliarden US$ an Investitionen notwendig. Für die kommenden zehn Jahre sehen die Analysten sogar eine potenzielle Projektpipeline im Umfang von 3.000 Megawatt und einem Investitionswert von 23 Milliarden US$.
Die Erweiterung der Rechenzentren ist auch im Interesse der Regierung. Sie möchte Indien zu einem globalen Hub für diesen Technologiebereich ausbauen. Während die Unternehmen das vorhandene Potenzial bereits nutzen, ist die Verwaltung noch nicht ganz so weit. Ein Konzept für Datenzentren (Data Center Policy) stellte die Regierung bereits 2020 vor, allerdings befindet sich dieses noch immer in der Diskussionsphase.
Viele Gründe fördern den Ausbau
Für den massiven Ausbau geben Fachleute den wachsenden Datenverbrauch als einen der Gründe an. Während 2022 pro Kopf in Indien erst 17 Gigabyte Datenvolumen im Monat genutzt wurden, sollen es 2027 bereits 50 Gigabyte sein. Hinzu kommt die steigende Zahl an Internetnutzern insgesamt. Der Branchenverband Internet and Mobile Association of India schätzte die Anzahl für 2022 auf 759 Millionen Nutzern und prognostiziert eine Zunahme bis 2025 auf 900 Millionen. Auch der Start des Mobilfunkstandards 5G erhöht den Datenverbrauch. Hinzu kommt ein verstärkter Druck durch regulatorische Änderungen, Daten lokal zu speichern und zu verarbeiten.
Alleine der Bau der Datenzentren ist ein Milliardengeschäft. So geht das Marktforschungsunternehmen Research and Markets davon aus, dass der Datenzentren-Baumarkt 2022 rund 1,5 Milliarden US$ betrug und bis 2028 einen Wert von 3,5 Milliarden US$ erreichen soll. Mit dem physischen Ausbau der Rechenzentren wächst der Bedarf an entsprechender Ausrüstung. Experten erwarten, dass 2023 rund 3,4 Milliarden US$ dafür ausgegeben werden. Die Datenanalysten von Statista fassen den Begriff Ausrüstung etwas weiter und gehen für 2023 von einem Umsatz in diesem Bereich von 7,8 Milliarden US$ aus. Dabei besitzt die Netzwerkinfrastruktur den größten Anteil. Neben der reinen technischen Ausrüstung gibt es Geschäftschancen beim Thema Kühlung und Energieversorgung der Anlagen. Insbesondere der Betrieb mit erneuerbaren Energien ist ein Wachstumsfeld.
Branchengrößen investieren Milliarden
Bisher gibt es klare Trends bei der Ansiedlung von Rechenzentren. Zu den Unternehmen, die in Indien investieren, gehört der Branchenriese Amazon. Über die Tochterfirma Amazon Web Services erfolgte im Mai 2023 die Ankündigung, bis 2030 rund 12,7 Milliarden US$ in die Cloud-Infrastruktur in Indien investieren zu wollen. Bereits seit 2016 betreibt der Konzern ein Rechenzentrum in Mumbai und seit 2022 eines in Hyderabad.
Mit Microsoft vergrößert derzeit ein weiteres digitales Schwergewicht seine Präsenz vor Ort. Schon 2022 hatte der Konzern den Bau von drei Rechenzentren in Hyderabad angekündigt. Anfang 2023 folgte dann die Meldung, dass Microsoft drei weitere Datenzentren bauen wird. Jedes der sechs Projekte soll einen Umfang von 100 Megawatt besitzen. Dafür nimmt das Unternehmen laut indischen Medien rund 1,9 Milliarden US$ in die Hand.
NTT Data kündigte ebenfalls an, in den kommenden vier Jahren rund 2 Milliarden US$ investieren zu wollen. Die Anzahl der Rechenzentren von NTT in Indien soll dadurch von zwölf auf 21 steigen.
Neben den Giganten der Branche investieren auch kleinere und mittlere Unternehmen. Immer öfter schließen sich dabei die technischen Unternehmen mit lokalen Infrastrukturbauanbietern zusammen.
Klare Trends bei der regionalen Verteilung
Mumbai besitzt eine dominierende Stellung bei der Verteilung von Rechenzentren in Indien. Rund die Hälfte der vorhandenen Kapazität in Megawatt ist in der Stadt an der Westküste konzentriert. Das ist wenig überraschend, denn die meisten der großen Seekabel, die Indien digital mit dem Rest der Welt verbinden, verlaufen über Mumbai. Weitere wichtige regionale Zentren befinden sich im Süden des Landes, vornehmlich in den Städten Chennai, Bengaluru und Hyderabad. Auch in der Hauptstadtregion in und um New Delhi finden sich einige Rechenzentren. Wenngleich die Investitionen der kommenden Jahre auch in anderen Regionen erfolgen dürften, gehen Branchenkenner davon aus, dass die bisherigen regionalen Schwerpunkte weiter gestärkt werden und ihre vorherrschende Marktstellung behalten.