Wirtschaftsausblick | Indien
Indiens Wirtschaft bleibt in guter Verfassung
Das indische Wirtschaftswachstum ist stärker als in allen anderen großen Volkswirtschaften. Der Konsum legt zu und Unternehmen investieren, obgleich Luft nach oben bleibt.
18.11.2024
Von Florian Wenke | Mumbai
Wirtschaftsentwicklung: Indien als Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft
Indien ist derzeit die am schnellsten wachsende große Volkswirtschaft der Welt und liegt in der konjunkturellen Entwicklung vor vielen anderen Schwellen- und Entwicklungsländern Asiens. In den vergangenen Monaten haben Ökonomen die Wachstumsraten für das Bruttoinlandsprodukt nach oben korrigiert. Im laufenden Finanzjahr 2024/2025 (1. April bis 31. März) soll die indische Wirtschaft um 7 Prozent wachsen, so die aktuelle Einschätzung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Damit haben die Experten ihre Prognose vom Frühjahr 2024 um 0,4 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte angehoben.
Für 2025/2026 erwarten Weltbank und IWF ein Wirtschaftswachstum von 6,7 beziehungsweise 6,5 Prozent. Hintergrundinformationen zu diesen und weiteren Wirtschaftsdaten bietet unsere Reihe Wirtschaftsdaten kompakt.
Nicht ausgelastete Kapazitäten hemmen private Investitionen
Laut Weltbank werden die Bruttoanlageinvestitionen 2024/2025 um 7,8 Prozent und im Folgejahr in einer ähnlichen Größenordnung zulegen. Trotzdem bleiben hier noch Steigerungsmöglichkeiten. Ein neuer privatwirtschaftlicher Investitionszyklus auf breiter Front hat nicht begonnen, die durchschnittliche Kapazitätsauslastung ist zu gering. Laut indischer Zentralbank lag sie im 2. Quartal 2024 im verarbeitenden Gewerbe bei 74 Prozent.
Bisher investieren überwiegend Branchen, die von den staatlichen Ausgaben für den Infrastrukturausbau profitieren. Die Regierung machte im Haushalt deutlich, dass sie weiterhin Gelder hierfür bereitstellen wird.
Zudem dürften Subventionen in Form der Produktion Linked Incentives (PLI) Investitionen anstoßen. Der Finanzdienstleister S&P Global erwartet, dass insbesondere die Bereiche Fotovoltaik und Batteriefertigung in den kommenden Jahren stark von PLI-getriebenen Investitionen profitieren werden. Die Experten gehen jedoch davon aus, dass der Höhepunkt der insgesamt durch Fördermittel unterstützten Investitionen im Finanzjahr 2025/2026 erreicht wird.
Der Konsum zieht an
Das laufende Finanzjahr verspricht beim privaten Konsum einen Zuwachs von 5,7 Prozent – deutlich mehr als 2023/2024 (4 Prozent). Dennoch wäre dieses Ergebnis für Indien eher schwach. Volkswirte weisen darauf hin, dass positive Impulse für den Konsum derzeit überwiegend von Personen mit hohen Einkommen und aus dem ländlichen Raum kommen. Die Verbraucher aus der mittleren und unteren urbanen Mittelklasse hingegen geben beispielsweise für Konsumgüter des täglichen Bedarfs tendenziell weniger aus.
Außenhandel wird das Vorjahresergebnis wahrscheinlich übertreffen
Der Warenhandel verzeichnet 2024/2025 wieder mehr Aufwärtsdynamik. Hochgerechnet könnte sich ein Importwert von 697 Milliarden US-Dollar (US$) und ein Exportwert von 445 Milliarden US$ für das noch laufende Finanzjahr ergeben. Beide Schätzwerte liegen über den realisierten Werten des Vorjahreszeitraums.
Top-Thema: Wie entwickelt sich das Verhältnis zu den USA?
Auch Indien muss sich nach den Wahlen in den USA mit einer erneuten Trump-Administration arrangieren. Dabei könnte der wachsende indische Außenhandel dem bevölkerungsreichsten Land der Erde Probleme bereiten.
Seit Jahren erwirtschaftet Indien Überschüsse im Außenhandel mit den USA bei Gütern und Dienstleistungen. Im laufenden Finanzjahr hat insbesondere die Ausfuhr von Pharmaka, aber auch der Export von Elektronik (insbesondere Smartphones) in die USA stark zugelegt. Umso genauer verfolgt die indische Regierung nun Ankündigungen zur zukünftigen Handelspolitik von Trump. Immer wieder hatte er eine verschärfte Zollpolitik gegenüber Indien ins Gespräch gebracht.
Deutsche Perspektive: Steigende Zuversicht in die wirtschaftliche Entwicklung Indiens
"Indien ist ein enorm wichtiger Wachstumsmarkt für die deutsche Industrie. Insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, Industrie 4.0, Mobilität, Erneuerbare Energien, energieeffiziente Produktion und im Gesundheitssektor, aber auch darüber hinaus. Die deutsche Industrie ist sehr daran interessiert ihr Engagement in Indien zu vertiefen. Die Bedingungen hierfür haben sich in den vergangenen Jahren durch den Ausbau der Infrastruktur sowie anderer politischer und sozialer Maßnahmen in Indien wesentlich verbessert", so Friedolin Strack, Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)-Abteilungsleiter Internationale Märkte und Sprecher der Geschäftsführung und Koordinator Deutschland, Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft.
Im "AHK Asien-Pazifik Business Outlook" für den Herbst 2024 erreichen Indien und die Philippinen den mit Abstand größten Zuspruch bei der Frage nach Investitionsabsichten deutscher Unternehmer. Zudem geben im Vergleich zum Frühjahr 2024 mehr Unternehmen an, Personal vor Ort aufbauen zu wollen. Gleichzeitig beklagen Unternehmen unter anderem bürokratische Hürden und hohe Importzölle.
Indien und die EU verhandeln weiter über ein Freihandelsabkommen. Ein Abschluss ist derzeit nicht in Sicht. Trotzdem ist der deutsch-indische Handel derzeit auf gutem Weg, die Werte aus dem Vorjahr zu erreichen. In den ersten acht Monaten des Jahres 2024 lag der Wert der deutschen Exporte nach Indien bei 11,5 Milliarden US$. Importe der Bundesrepublik aus Indien kamen im gleichen Zeitraum auf einen Wert von 10,1 Milliarden US$.
Vor allem für die exportorientierte europäische Maschinenbauindustrie ist Indien ein wichtiger Wachstumsmarkt und ein bedeutender Partner für das De-Risking von China. "Zahlreiche Mitgliedsunternehmen bauen gerade ihre Geschäftsaktivitäten in Indien aus und investieren dort in erheblichem Umfang", sagt Ulrich Ackermann, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Er fordert: "Indien ist eines der letzten Hochzollländer im Maschinenbau. Deshalb brauchen wir endlich ein Freihandelsabkommen der EU mit Indien."
Einen Überblick über die Standortbedingungen bietet unser Wirtschaftsstandort. Alle Informationen zu Indien finden Sie auf der GTAI-Länderseite.