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Special | Indien | Start-ups

Start-ups sammeln weniger Geld ein

Die Rahmenbedingungen für Neugründungen in Indien haben sich sehr gut entwickelt. Obwohl sich die Mittelzuflüsse verringern, bleiben die langfristigen Wachstumsaussichten gut. 

Von Florian Wenke | Mumbai

Regierungsangaben zufolge gab es zum 7. November 2022 rund 82.200 Start-ups in Indien. Allerdings legt Ministry of Commerce and Industry recht großzügige Kriterien für diese Bezeichnung an. Dennoch ist die Zahl Ausdruck eines ungebrochenen Gründergeistes. Während 2017 erst circa 5.200 dieser jungen und innovativen Unternehmen gegründet wurden, waren es 2021 bereits fast 20.200 Start-ups. Im laufenden Jahr wurde dieser Wert bereits Anfang November übertroffen. Unter Experten gilt das indische Ökosystem für Start-ups als gut entwickelt. Mittlerweile ist es das drittgrößte weltweit.

Die Investitionen gehen zurück

Im Niedrigzinsumfeld der vergangenen Jahre waren Investoren weltweit auf der Suche nach attraktiven Anlagemöglichkeiten. Indische Start-ups waren eine beliebte Option. Die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) gibt die Mittelzuflüsse durch Risikokapital (Venture Capital) und privates Beteiligungskapital (Private Equity) für 2021 mit 35,2 Milliarden US-Dollar (US$) an. Für die ersten drei Quartale 2022 betrug der Wert 20,5 Milliarden US$. Im 3. Quartal steckten Investoren allerdings nur noch 2,7 Milliarden US$ in indische Start-ups. Von Januar bis September 2022 wurden knapp 840 Finanzierungsdeals abgeschlossen. Experten gehen davon aus, dass im laufenden Jahr die Anzahl von über 1.000 Vereinbarungen aus 2021 nicht erreicht wird. 

Die Berater von PwC sprechen bereits von einem Finanzierungswinter. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass die Frühfinanzierungsphase (Early-Stage Funding) die geringsten Einbußen zu verzeichnen hatte. Eine durchschnittliche Vereinbarung lag dabei zwischen 4 Millionen und 5 Millionen US$. Dies werten die Experten als Zeichen dafür, dass Investoren weiterhin großes Vertrauen in indische Start-ups besitzen. Zudem besitzen zahlreiche Start-ups noch Finanzierungszusagen aus früheren Investitionsrunden (sogenanntes Dry-Powder), die bisher nicht abgefragt wurden. 

Als Gründe für den allgemein nachlassenden Mittelzufluss gelten die weltweiten Zinserhöhungen der Zentralbanken – auch in Indien wurde die Geldpolitik gestrafft. Damit werden weniger risikobehaftete Anlagemöglichkeiten attraktiver. Mit einem niedrigeren Mittelzufluss steigt der Kostendruck für die Unternehmen, denn die Investoren schauen vermehrt auf Profitabilität. Statt zukünftiger Wachstumsaussichten und Umsatz zählen nun auch der tatsächlich erzielte Gewinn und andere Kennzahlen der Profitabilität. Nach Jahren des dynamischen Wachstums setzen einige Start-ups inzwischen den Rotstift an. Um die Kosten zu senken, wird auch Personal abgebaut. So hat beispielsweise das E-Learning-Unternehmen Byju's nach Medienangaben bereits rund 2.500 Stellen im laufenden Jahr abgebaut.

Es gibt mehr indische als deutsche Einhörner

Die hohen Mittelzuflüsse der vergangenen Jahre spiegeln sich in den Werten der Unternehmen wider. Aus Indien kommt eine Reihe besonders hoch bewerteter Start-ups. Wenn ein Unternehmen mit mehr als 1 Milliarde US$ bewertet wird, sprechen Experten von einem Einhorn. Die auf Technologie spezialisierte Informationsplattform Inc42 gab die Anzahl der indischen Einhörner Anfang November 2022 mit 105 an. Alleine 2021 erreichten 44 Unternehmen diesen prestigeträchtigen Status. Zum Vergleich: Deutschland brachte nach Angaben der Analysten von Tracxn bis November 2022 insgesamt 39 Einhörner hervor. 

Die meisten dieser wertvollen Unternehmen sind im Bundesstaat Karnataka (hauptsächlich in dessen Hauptstadt Bengaluru), der Hauptstadtregion rund um New Delhi und im Bundesstaat Maharashtra (insbesondere in Mumbai und Pune) beheimatet. Zu den wichtigsten Aktivitätsfeldern der Einhörner zählen die Bereiche Onlinehandel, gefolgt von Finanzservices (FinTech) und Firmendienstleistungen mit Fokus auf Digitalisierung und Technologie. 

Die Voraussetzungen für Start-ups sind günstig

Das verarbeitende Gewerbe in Indien leidet bisweilen unter einer ausufernden Bürokratie. Da viele Bereiche im Dienstleistungssektor nicht oder nur ansatzweise reguliert waren beziehungsweise sind, konnte dieser sich gut entwickeln. Ähnlich sieht es bei Start-ups aus. Vielfach kann der Gesetzgeber nicht mit technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen mithalten, sodass die Neugründungen unternehmerisch frei agieren können.  

Unter Branchenkennern gelten außerdem das Reservoir an IT-Fachkräften und der große Binnenmarkt als günstige Grundlagen für die Entwicklung von Start-ups. Hinzu kommt eine große Offenheit gegenüber neuer Technologien. In Anbetracht der zurückgehenden Mittelzuflüsse bewerten Experten derzeit vor allem den Bereich "Software as a Service" als attraktiv. Die Produktentwicklung ist hier meist günstiger als in anderen Bereichen und das Geschäftsmodell wirft vergleichsweise schnell positive Erträge ab. Mittel- bis langfristig gelten aber weiterhin Bereiche wie beispielsweise EdTech, FinTech, HealthTech, aber auch der Onlinehandel und Business-to-Consumer-Plattformen als Wachstumssegmente.

Staat hilft mit Förderungen

Indien möchte sich als attraktiver Standort für Start-ups positionieren und unterstützt Gründer vor Ort. Eine Reihe von Maßnahmen der Zentralregierung sollen helfen, das Start-up-Ökosystem zu stärken. Dazu zählen beispielsweise finanzielle Unterstützungsleistungen in der Gründungsphase der Unternehmen, Kreditgarantien, Steuervergünstigungen und beschleunigte Verfahren zum Schutz von Patenten und geistigem Eigentum. Weiterhin möchte die Zentralregierung bei Ausschreibungen verstärkt auf die Produkte und Dienstleistungen lokaler Start-ups zurückgreifen. 

Zusätzlich unterstützen Regierungsangaben zufolge 31 Bundesstaaten und Unionsterritorien Start-ups mit eigenen Strategien. Dazu gehören beispielsweise KarnatakaMaharashtra und die Region um die Hauptstadt New Delhi.

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