Wirtschaftsumfeld | Indien | Inflation
Indien leitet die Zinswende ein
Erstmals seit Jahren senkt die indische Zentralbank die Leitzinsen. Geringere Zinsen sollen die Konjunktur stützen und sind ein Zeichen zurückgehender Inflation.
24.02.2025
Von Florian Wenke | Mumbai
Der indischen Wirtschaft geht es gut: Für das laufende Finanzjahr 2024/2025 (1. April bis 31. März) geht der Internationale Währungsfonds von einer realen Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 6,5 Prozent aus. Für das kommende Finanzjahr prognostizieren die Experten den gleichen Wachstumswert. Obgleich das Wirtschaftswachstum im internationalen Vergleich hoch ist, hat es sich in den vergangenen Jahren abgekühlt. Im Finanzjahr 2023/2024 legte das BIP noch um 8,2 Prozent zu. Volkswirte werten die sinkenden Zinsen daher als wichtiges Signal zur Stützung der Konjunktur.
Erste Leitzinssenkung seit fünf Jahren
Später als die Vereinigten Staaten von Amerika und die EU hat nun Indien die Zinswende eingeleitet. Im Zuge der Inflationsbekämpfung war der Zinssatz seit Frühjahr 2022 in mehreren Schritten erhöht worden. Anfang Februar 2025 hat die indische Zentralbank (Reserve Bank of India; RBI), die Leitzinsen (Repo Rate) erstmals seit fünf Jahren wieder gesenkt. Der Zinssatz sank um 0,25 Prozentpunkte auf 6,25 Prozent. Sinkende Zinsen gelten als förderlich für die Konjunktur, sofern die Zinssenkung von den Banken weitergegeben wird. Dann vergünstigt sie die Aufnahme von Krediten durch Unternehmen und Verbraucher und belebt so die Investitionen und den Konsum.
Die Deutsche Bank prognostiziert, dass auf der nächsten Sitzung des für Geldpolitik zuständigen Komitees im April 2025 ein weiterer Zinsschritt um 0,25 Prozentpunkte nach unten erfolgt. Danach gehen die Experten erst einmal von einer Pause aus. Jedoch halten sie weitere Maßnahmen für wahrscheinlich, darunter Käufe der RBI im Rahmen der Offenmarktpolitik. Die Bank of Baroda sagt hingegen größere Zinssenkungen um weitere 0,5 Prozentpunkte voraus, in zwei Schritten und ausgehend vom aktuellen Zinsniveau. Die Mehrzahl der Volkswirte bewegt sich mit den Prognosen für weitere Zinssenkungen im Rahmen von weiteren 0,25 bis 0,75 Prozentpunkten.
Mehr Volatilität der indischen Rupie wahrscheinlich
Beobachter gehen davon aus, dass die indische Rupie größere Volatilität zeigen wird. Unternehmen, die Geschäfte in Rupien abwickeln, sollten dies beachten und Wechselkursrisiken entsprechend absichern. Insbesondere gegenüber dem US-Dollar büßt die indische Rupie an Wert ein. Die Deutsche Bank geht derzeit davon aus, dass Ende 2025 etwa 88 indische Rupien für 1 US-Dollar bezahlt werden müssen. Aktuell liegt der Wechselkurs bei einem Wert um 87 indische Rupien pro US-Dollar, Ende 2023 hatte er noch 83:1 betragen.
Laut der Ratingagentur Moody's zählt die indische Währung zu den schwächsten der vergangenen Jahre in Süd- und Südostasien. Die Analysten melden, dass die indische Rupie in den letzten zwei Jahren 5 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar eingebüßt hat. Seit Januar 2020 beträgt der Verlust sogar 20 Prozent. Die weitere Abwertung der Rupie im laufenden Jahr wird aber nicht linear erfolgen, sondern mit deutlichen Schwankungen nach oben, aber auch nach unten verbunden sein. Gründe dafür sehen Experten beispielsweise in den Unsicherheiten rund um mögliche weltweite Zoll- und Handelsauseinandersetzungen. Die RBI verfügt jedoch über ausreichend Mittel, um die Rupie stabilisieren zu können. Zum 7. Februar 2025 hielt sie ausländische Währungsreserven in Höhe von 638 Milliarden US-Dollar vor.
Die Inflation geht zurück
Sinkende Zinsen sind auch ein Zeichen, dass die RBI mit ihrem Kampf gegen die Inflation Fortschritte gemacht hat. Im Januar 2025 betrug die Preissteigerung des Consumer Price Index (CPI) 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Kerninflation ohne die schwankungsanfälligen Preise für Lebensmittel und Energie betrug 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Für das noch laufende Finanzjahr 2024/2025 rechnet die RBI mit einer Inflationsrate von 4,8 Prozent (bezogen auf den CPI), gefolgt von 4,3 Prozent im Folgejahr. Die Werte liegen innerhalb des von der Zentralbank abgesteckten Zielkorridors, der einen Inflationswert von 4 Prozent mit Abweichungen um 2 Prozentpunkte nach oben und unten als ideal vorgibt.