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Wirtschaftsumfeld | Israel | Neue Regierung

Regierungswechsel wirft Schatten auf die Wirtschaft

In Israel hat eine Rechtsregierung das Steuer übernommen. Beobachter befürchten, dass die von ihr anvisierte Politik die gute Wirtschaftslage trüben könnte.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Seit dem 29. Dezember 2022 ist die neue israelische Regierung im Amt. Sie wird von Benjamin Netanjahu geführt, der nach anderthalb Jahren als Oppositionsführer zum sechsten Mal das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen konnte. Die größte Fraktion ist Netanjahus rechtsnationale Likud-Partei. Sie koaliert mit drei Parteien vom rechten Rand des politischen Spektrums sowie zwei ultraorthodoxen (strenggläubigen jüdischen) Parteien.

Neues Kabinett erbt gute Wirtschaftslage

Netanjahu übernimmt das Land in einer soliden ökonomischen Lage. Das Bruttoinlandsprodukt wächst und die finanzielle Lage des Landes ist stabil. Die Staatsschuldenquote ist 2022 gesunken und liegt vorläufigen Zahlen zufolge zum Jahresende 2022 bei 60 bis 61 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Netanjahu gilt als ein Befürworter marktwirtschaftlicher Prinzipien. Änderungen der Außenwirtschaftspolitik, inklusive des liberalen Importregimes, sind daher nicht zu erwarten. Allerdings lassen die Koalitionsvereinbarungen eine Änderung der vom Vorgängerkabinett beschlossenen Einfuhrerleichterungen für Agrarprodukte grundsätzlich zu.

Haushaltsbelastung durch sektorale Beihilfen befürchtet

Beobachter befürchten, dass die neue Koalition höhere Haushaltsausgaben in die Wege leiten könnte. Das liegt nicht zuletzt an Netanjahus Zugeständnissen an die ultraorthodoxen Parteien.

Schätzungsweise 13 Prozent der israelischen Gesamtbevölkerung gelten als ultraorthodox. Ihr offizielles Lebensideal sieht für Männer ein lebenslanges Studium religiöser Schriften vor. Diesen Langzeit-Lernenden gewährt die Regierung bereits seit Langem Stipendien, die jetzt annähernd verdoppelt werden sollen. Darüber hinaus werden weitere Vergünstigungen für ultraorthodoxe Bürger und Institutionen erwartet.

Sorge um liberale Werte

Die Koalitionsvereinbarungen der Likud-Partei mit ihren Partnern sehen Schritte vor, die Kritiker als Verstöße gegen die Grundsätze der liberalen Demokratie entschieden ablehnen.

Demnach soll dem Obersten Gericht die Kontrolle über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung weitgehend oder sogar ganz entzogen werden. Diese erfolgt bislang über eine Reihe sogenannter Grundgesetze, denen eine Art Verfassungsrang zusteht. Gesetze, die nicht im Einklang mit den Grundgesetzen stehen, können vom Obersten Gericht demnach für unzulässig erklärt werden. Nach Plänen der Koalition soll das Parlament mithilfe einer sogenannten Überwindungsklausel solche Beschlüsse des Obersten Gerichts zukünftig überstimmen können.

Damit will die Regierung das ihrer Meinung nach richtige Gleichgewicht zwischen den drei Gewalten wiederherstellen. Wie aus Plänen der Koalitionsparteien zur Justizreform hervorgeht, hätte die Regierung mit ihrer Mehrheit von 64 Mandaten und der Überstimmungsklausel das letzte Wort bei der Verabschiedung von Gesetzen.

Kundenboykott aus religiösen Gründen

Vor allem in den Reihen der extremen Rechten sind antiarabische und homophobe Auffassungen verbreitet. Beobachter befürchten, dass diese Vorstellungen Eingang in die Regierungspolitik finden.

Zum Teil bahnt sich das bereits an. So etwa haben sich Netanjahus Likud und die Partei des Religiösen Zionismus auf eine Gesetzesänderung geeinigt, die eine Diskriminierung bestimmter Kundengruppen im Geschäftsleben erlaubt. Dem Entwurf zufolge sollen private Firmen das Recht erhalten, Kunden abzuweisen, deren Bedienung den religiösen Überzeugungen des Inhabers widerspräche. Damit wäre es beispielsweise Geschäftsinhabern, die Homosexualität für eine Sünde halten, gesetzlich erlaubt, gleichgeschlechtlich gesinnte Gruppen oder Paare nicht zu bedienen – es sei denn, dass sie am Ort eine Monopolstellung hätten.

Sorge vor negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft

Diese Bestrebungen lösen zumindest in Teilen der Wirtschaft Besorgnis aus. In einem offenen Brief an Netanjahu warnten rund 400 israelische Hightech-Unternehmer davor, eine Beschädigung der Justiz und die Beschränkung von Minderheitsrechten könne Investoren abschrecken.  

Auch Vertreter des Fremdenverkehrssektors haben sich zu Wort gemeldet. Sie fürchten, dass die Erlaubnis, bestimmte Minderheitsgruppen zu boykottieren, dem Tourismus im Land erheblichen Schaden zufügen könnte.

Siedlungsausbau im Westjordanland steigert Konfliktpotenzial

Zudem hat sich die neue Regierung auf einen Ausbau der israelischen Siedlungen im Westjordanland festgelegt. Die Koalitionsvereinbarungen sehen Maßnahmen vor, die der Jerusalem Post zufolge auf eine offizielle Annexion von Gebieten im Westjordanland hinauslaufen.

Zu befürchten sind eine Verschlechterung der israelisch-palästinensischen Beziehungen und negative internationale Reaktionen. Das gilt auch für Israels Schutzmacht USA, die weiterhin auf eine Zweistaatenlösung setzen. Für die neue Koalition ist eine Zweistaatenlösung jedoch unannehmbar. Belastungen, die Israels Position in der Weltwirtschaft beeinträchtigen könnten, drohen somit nicht nur im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, sondern auch mit weiteren Partnern, beispielsweise den Ländern der Europäischen Union.


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