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Japan digitalisiert seine maritime Wirtschaft
Digitalisierung spielt eine wichtige Rolle beim Ziel Japans, den maritimen Sektor zu automatisieren und zu dekarbonisieren.
05.05.2022
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japan will die Digitalisierung seiner maritimen Wirtschaft voranbringen. Diese Ambition reicht vom Design über das Flottenmanagement bis hin zum autonomen Schiffsbetrieb. So will die Branche unter anderem dem Problem des Arbeitskräftemangels entgegnen, den der Sektor auch in Japan spürt. Zudem lassen sich mit dem Einsatz digitaler Mittel menschliche Fehler vermeiden und zudem eine höhere Effizienz erzielen.
Die Schiffsautomatisierung ist außerdem bei der Dekarbonisierung des Seehandels von Bedeutung. Neue Schiffsantriebe und -designs sowie optimale Routenberechnungen können die Emissionen der Handelsflotte senken und so die Wettbewerbsfähigkeit von Japans maritimer Industrie erhöhen. Automatisierung kann nicht zuletzt die Umschlagszeit in Häfen verkürzen. Insgesamt zielen die Reedereien, Werften und Hafenbetreiber darauf ab, möglichst viele Aktivitäten zu digitalisieren.
Moderne Schiffe sind Hightech-Maschinen
Japans neuere Schiffsgenerationen sind mit einer Vielzahl von Informations- und Kommunikationstechnologie ausgestattet, um den Betrieb auf der Brücke wie auch durch Kommandozentralen an Land kontrollieren zu können. Sensoren, Kameras, Radarsysteme, Cloud Computing und künstliche Intelligenz sollen die Effizienz erhöhen und menschliche Fehler vermeiden helfen. Damit die Sicherheit gewährleistet wird, gilt es, die Hightech-Schiffe gegen Hackerangriffe zu schützen.
Im digitalen Hardware- und Softwarebereich für die maritime Wirtschaft haben sich viele Unternehmen etabliert und kommen mit neuen Lösungen auf den Markt. So kooperieren bereits seit 2017 verschiedene Akteure aus der maritimen Wirtschaft in dem grundlegenden Projekt Smart Ship Application Platform. Sie unterstützen die Entwicklung von ISO-Standards wie 19847 und 19848, um so den Einsatz von Internet of Things, Big Data und entsprechender Ausrüstung in der Branche zu fördern.
Autonome Schiffe brauchen gute Datenverbindung
Das National Maritime Research Institute hat 2022 eine Reihe von Softwarelösungen auf den Markt gebracht. Sie sind über eine offene Cloud-Plattform verfügbar und verbessern den Betrieb von Schiffen. Im Rahmen des mehrjährigen Projekts namens OCTARVIA hatten 25 verschiedene Unternehmen und Organisationen diese Plattform entwickelt. Weitere Anbieter von digitalen Lösungen sind noch relativ junge japanische Firmen, wie Marindows und iO3, die beispielsweise mit internationalen Partnern, etwa der finnischen NAPA oder Wärtsilä Voyage, kooperieren.
Um die Konnektivität der international agierenden Branche sicherzustellen, hat die Sky Perfect JSAT Corporation Anfang 2022 einen maritimen Breitbanddienst eingerichtet. Dieser nutzt eigene Satelliten, um schnelle Internetverbindungen mit hoher Netzwerksicherheit anzubieten. Gegenwärtig deckt dies Schiffsrouten im westlichen Pazifik, Indischen Ozean und im Mittleren Osten ab.
Japan fördert autonome Schifffahrt
Mit dem Ziel, die autonome Seefahrt voranzutreiben, haben sich in Japan 30 Unternehmen, von Reedereien über Schiffbauer bis zu Telekomausrüstern, im "Future of Full Autonomous Ship (DFFAS)"-Projekt zusammengetan. Ab 2025 soll der kommerzielle Verkehr automatisierter und autonomer Schiffe starten. Das sieht die "Roadmap to Realize Autonomous Ships" des Ministry of Land, Infrastructure, Transport and Tourism vor.
Vorläufig wird es wohl noch halbautonom zugehen und die Schiffsführer werden im Falle von unvorhergesehenen Vorkommnissen manuelle Eingriffsmöglichkeit haben. Wie bei Straßenverkehrsfahrzeugen sind verschiedene Stufen der Autonomie definiert. Einhergehend mit der technologischen Entwicklung und ersten praktischen Erfahrungen arbeitet Japan mit der International Maritime Organization an der Formulierung von Standards.
Praxistests laufen
Autonome Schiffe sind keine Zukunftsmusik mehr. In Japan ist im Februar 2022 der Testlauf verschiedener autonomer Wasserfahrzeuge unter Realbedingungen erfolgt. Dabei ist ein Containerschiff von 749 Tonnen auf der vielbefahrenen Route zwischen der Tokyo Bay und der Ise Bay autonom und lediglich mit Fernüberwachung knapp 800 Kilometer entlang der Küste Japans gefahren. Zudem ist eine große Autofähre von 223 Meter Länge zwischen Fukuoka und Oita über 240 Kilometer navigiert. Zum Test gehörte auch jeweils das autonome An- und Ablegen.
Dies ist Teil des Fully Autonomous Ship Program der Nippon Foundation, das unter dem Namen MEGURI2040 im Februar 2020 startete. Die Nippon Foundation erwartet, dass sich die Effizienzgewinne aus der autonomen Schiffsnavigation im Jahr 2040 auf mehr als 8 Milliarden US-Dollar pro Jahr belaufen. Voraussetzung ist, dass bis dahin etwa 50 Prozent der japanischen Flotte ohne Besatzung verkehren können.
Digitale Schiffe unterstützen die Dekarbonisierung
Japans Regierung setzt darauf, dass Automatisierung in Verbindung mit emissionsarmen und emissionsfreien Antrieben der maritimen Wirtschaft neue Dynamik verleiht. Denn in der Planung, im Design sowie in der Ausrüstung ist auf dem Archipel viel Knowhow vorhanden. Um dies zu nutzen, haben mehrere Werften und Schiffseigner im Dezember 2020 das "Planning and Design Centre for Greener Ships" (GSC) in Yokohama gegründet.
Das GSC erhielt im April 2022 für seinen Entwurf eines Panamax-Massengutfrachters die grundsätzliche Genehmigung durch die Klassifizierungsgesellschaft ClassNK. Das Schiff mit einem Eigengewicht von circa 80.000 Tonnen soll zwar vorerst auf LNG-Basis ausgelegt sein, sich aber leicht auf den Betrieb mit Ammoniak (NH2 ready) umstellen lassen. Zudem wird der Frachter mit den neuesten verfügbaren Technologien ausgestattet. Auch wenn es noch nicht autonom fahren kann, so soll es doch eine möglichst hohe Effizienz erreichen.