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Deutschland und Japan wollen Krisen gemeinsam bewältigen
Unternehmen und Fachleute aus beiden Ländern wollen beim Umgang mit Krisen stärker kooperieren. Raum für Diskussion bot das 16. bilaterale Wirtschaftsforum auf der Hannover Messe.
21.04.2023
Von Christiane Süßel | Bonn
Klimawandel, geopolitische Auseinandersetzungen, Rohstoff- und Energieknappheit sowie fragile Lieferketten – Deutschland und Japan stehen vor großen Herausforderungen. Darin sind sich Vertreter der deutsch-japanischen Wirtschaft einig. Das Beratungsunternehmen ECOS und der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW) haben Experten beider Länder für das 16. Deutsch-Japanische Wirtschaftsforum am 17. April 2023 auf die Hannoveraner Bühne geladen. Sie nutzten die größte Industrieschau der Welt, um Lösungswege für multiple Krisen zu diskutieren.
Bilaterale Beziehungen immer enger verflochten
Grußworte kamen per Video vom deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem japanischen Vizeminister für Wirtschaft, Handel und Industrie Shinichi Nakatani: Ein Zeichen dafür, dass die bilateralen Beziehungen nach der zweiten Japanreise des Bundeskanzlers und den ersten Deutsch-Japanischen Regierungskonsultationen am 18. März 2023 oben auf der Agenda stehen. Japan und Deutschland sind Partner auf Augenhöhe. Sie teilen nicht nur gemeinsame Werte, sondern auch Zukunftsaufgaben. Eine davon ist die grüne Transformation. Es gelte, saubere Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten und die Industrie umzubauen, betonte Habeck.
Deutschland und Japan stehen vor ähnlichen Herausforderungen.
Japan strebt nach Resilienz
Angesiedelt war das Forum mit dem Titel "Nachhaltige Produktion und Energieversorgung in der Industrie in Zeiten multipler Krisen" auf der Konferenzbühne Energy 4.0. Die Redebeiträge spannten einen breiten Bogen. Thomas Gambke, Vorsitzender des Grünen Wirtschaftsdialogs, attestierte bei der Podiumsdiskussion, dass Deutschland von Japan bei der Bewältigung von Krisen durchaus lernen könne. Auf dem immer wieder von Naturkatastrophen erschütterten Archipel gelte es schon seit jeher, alle denkbaren Systeme resilient aufzustellen. In Japan ist es eine alltägliche Notwendigkeit, Stromausfälle bei Erdbeben zu überbrücken. In Deutschland haben in Zeiten der Energiekrise mögliche Blackouts jüngst an Brisanz gewonnen.
Intelligente Prozesse fördern Nachhaltigkeit
Auch Takenori Baba, Research Manager bei Mitsubishi Electric Europe, betonte, dass der japanische Elektronikriese beständig daran arbeite, auf Diskontinuität unterschiedlichster Art zu reagieren. Um Maschinen für Menschen sicherzumachen, setze der Konzern etwa auf den Einsatz von Daten und Sensoren, die intelligente Prozesse ermöglichen. Als ein Leitmotiv hob Baba das japanische Konzept des "Monozukuri" hervor. Es beschreibt einen Schaffensprozess, der Nachhaltigkeit und Resilienz einbezieht und den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Dekarbonisierung der Industrie als Mammutaufgabe
Zu den Herausforderungen zählt vor allem der Klimawandel. Mit dem German-Japanese Energy Transition Council (GJETC) ist ein Austauschformat zum Umbau der Energieversorgung bereits seit 2016 etabliert. Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und GJETC-Mitglied, skizzierte welche Antworten technische Innovationen auf die Herausforderung der Dekarbonisierung bieten. Die Industrien beider Länder treiben dieselben Themen um: Im internationalen Vergleich hohe Strom- und Gaskosten und geopolitische Abhängigkeiten, die zur Gefahr für die nachhaltige Energieversorgung werden könnten. Auf beiden Seiten seien Resilienz und Diversifizierung daher das Gebot der Stunde.
Die Industrie braucht grüne Energie zu bezahlbaren Preisen.
Japans Industrie nimmt Herausforderung an
Vor diesem Hintergrund müsse sich die Industrie neu ausrichten, unterstrich Kohei Onizuka, der Vertreter von Toshiba Europe auf dem Podium. Er betonte, dass auch der japanische Unternehmerverband Keidanren mit Challenge Zero und dem Carbon Neutrality Action Plan die Notwendigkeit erkannt habe. Der Aktionsplan sieht klare Emissionsziele für die japanische Industrie vor, strebt die Einbindung der Verbraucher und Kunden bei der CO2-Minderung an und setzt auf internationale Kooperation sowie innovative Technologien.
Es sei richtig, die CO2-Emissionen zu bepreisen, betonten Rolle und Onizuka gleichermaßen. Zugleich gelte es, die Reduktion der Emissionen finanziell zu fördern. Denn die Transformation der Industrie kostet Firmen enorm viel Geld. Japans Regierung hat daher mit dem Green Innovation Fund einen Fördertopf von umgerechnet rund 15,2 Milliarden US-Dollar aufgesetzt.
Bilaterale Kooperation auch auf Firmenebene
Die gemeinsame Lernkurve ist steil. Laut BDI-Vertreter Rolle kann Deutschland Japan dabei unterstützen, die hohen Strompreise zu mindern. Ein Mittel ist der Ausbau der Erneuerbaren, der in Japan noch hinterherhinkt, insbesondere beim Offshore-Wind. Andererseits ist Japan etwa beim Einsatz von Ammoniak als Energieträger weiter als Deutschland.
Deutschland kann Japan beim Hochfahren der Erneuerbaren helfen.
Die deutsche und japanische Industrie ist in vielen Bereichen bereits verflochten, so Boris Rigault von Siemens Energy Global. Der deutsche Technikkonzern hat in Japan Biomassekraftwerke errichtet und setzt darauf, entstehende CO2-Emissionen über "Carbon Capturing Storage" abzuscheiden und zu speichern. Diese Technik müssen beide Länder einsetzen, wenn sie ihre Netto-Emissionen deutlich herunterfahren wollen.
Der Softwaregigant SAP arbeitet an modularen Lösungen für eine digitale Lieferkette. Daten helfen, die Produktivität, aber auch die Energieeffizienz zu steigern. Das Unternehmen visualisiert den CO2-Fußabdruck auch bei Zulieferern in Japan und schafft über die Analyse von Produktionsdaten Transparenz und damit die Voraussetzung für die Kreislaufwirtschaft.
Neben der Kooperation der großen Player ist eine Aufgabe des GJETC-Dialogs bilateral auch Mittelständler bei ihrer Transformation zu unterstützen. Wie diese einen Beitrag leisten können, zeigen die Start-ups eve auto und Novocarbo. Die japanische eve auto bietet Lösungen beim Warentransport mit autonomen Elektroautos, das deutsche Unternehmen Novocarbo arbeitet an Lösungen für die CO2-Abscheidung.