Special | Kanada | Rohstoffsicherung
Kanada will größere Rolle bei Rohstoffsicherung spielen
Für seine Handelspartner möchte Kanada ein strategischer Rohstofflieferant werden. Das gilt auch für die kritischen Mineralien Niob, Titan und Platinmetalle.
01.12.2023
Von Daniel Lenkeit | Berlin
Kanada ist einer der weltweit führenden Produzenten von Rohstoffen. Insbesondere bei Kali (Platz 1 weltweit), Titan (Platz 2), Diamanten (Platz 3) und Gold (Platz 5) nimmt das Land eine Spitzenposition ein. Zudem werden auch die von der EU als "kritische Rohstoffe" eingestuften Metalle der Platingruppe und Niob sowie die strategischen Rohstoffe Nickel und Kobalt in größeren Mengen gefördert. Kupfer baut Kanada ebenfalls ab, jedoch reicht die Produktion nicht an die Spitzenreiter wie Chile und Peru in Südamerika heran.
Die wichtigsten Abbaugebiete für Mineralien sind Ontario, Quebec, Neufundland und Labrador sowie British Columbia. Ein großer Teil der Bodenschätze liegt im wenig erschlossenen Norden Kanadas. Dort fehlen häufig wichtige Voraussetzungen für einen unkomplizierte Abbau. Zum einen mangelt es oft an wichtiger Infrastruktur für den Betrieb von Minen. Auch die Abstimmung mit den indigenen Bevölkerungsgruppen erfordert Geduld. Unternehmen müssen über die Landnutzung beziehungsweise die wirtschaftliche Einbindung der lokalen Gemeinden an den Projekten verhandeln.
Aufgrund der hohen Anforderungen sind solche Minenprojekte oft schwer zu finanzieren. Bergbauunternehmen bemühen sich oft vergeblich um staatliche Unterstützung oder langfristige Abnahmeverträge. Dadurch bleiben vielversprechende Abbauregionen wie die Northwest Territories oder der "Ring of Fire" in Ontario, die große Vorkommen an Nickel, Kupfer und Platinmetallen aufweisen, unerschlossen.
Hier liegen aus Sicht der Einkäufer die größten Risiken für einen versorgungssicheren Beschaffungsmarkt in Kanada. Gleichzeitig bemühen sich unter anderem deutsche Unternehmen wie Volkswagen darum, ihren Bedarf an Nickel, Kupfer oder Kobalt über direkte Beteiligungen mit kanadischen Partnern zu sichern.
Vorkommen: Weltspitze bei Niob
Bei den Reserven an kritischen Rohstoffen kann Kanada im globalen Ranking der deutschen Rohstoffagentur Dera vor allem mit Niob punkten. Das maßgeblich für die Stahlproduktion genutzte Schwermetall ist in Kanada reichlich vorhanden. Nach Angaben der DERA liegen hier 12,5 Prozent der globalen Niobvorräte. Das sind die zweitgrößten Vorkommen der Welt hinter Brasilien. Drei Minen, zwei in Brasilien, eine in Kanada decken laut Angaben der Regierung Quebecs über 90 Prozent der weltweiten Niobproduktion ab.
Aber auch bei Titan und den Metallen der Platingruppe verfügt das Land über bedeutende Vorkommen. Für Platinmetalle ist der prozentuale Anteil an den gesamten Vorkommen zwar gering. Doch verzerrt dies etwas die Bedeutung des Standortes. Weltweit weist Kanada die fünftgrößten Vorkommen hinter Südafrika, Russland, Simbabwe und den USA auf. Südafrika hält allerdings 91 Prozent aller Vorräte der Platinmetalle.
Rohstoff | Vorräte (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Niob | 1.600 | 12,5 |
Titan | 31.000 | 4,0 |
Kanada eine mögliche Alternative für Kobalt und Lithium
Bei Kobalt verzeichnet Kanada mit 230.000 Tonnen die sechstgrößten Vorkommen weltweit. Auch wenn diese nur 3,3 Prozent der weltweiten Vorräte ausmachen, könnte Kobalt aus Kanada gerade für deutsche Abnehmer interessant werden. Mit zunehmenden Sorgfaltspflichten für die Lieferketten haben Produzenten wie Australien und Kanada klare Vorteile gegenüber Ländern wie etwa der DR Kongo.
Die zuletzt große Dynamik auf dem Lithiummarkt ist auch in Kanada spürbar. Schätzte die DERA 2019 die dortigen Lithiumvorkommen noch auf 370.000 Tonnen, gibt der U.S. Geological Survey 2023 belegte Reserven in Höhe von 930.000 Tonnen an. Kanada selbst beziffert seine Vorkommen im Jahr 2022 auf 3,6 Prozent der weltweiten Vorräte. Es wird damit Exportmächte wie Australien und Chile nicht in Bedrängnis bringen. Sollte es seine noch schleichende Lithiumproduktion allerdings wie geplant ankurbeln, kann Kanada zumindest eine Alternative als Beschaffungsmarkt werden.
Erschließung: Kanada identifiziert 31 Mineralien als "strategisch"
Die kanadische Regierung verabschiedete im Dezember 2022 ihre Critical Minerals Strategy. Im Rahmen der Strategie sollen als "kritisch" definierte Mineralien unter Berücksichtigung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen im eigenen Land erschlossen und verarbeitet werden. Dadurch will die Regierung sowohl die lokalen als auch die globalen Wertschöpfungsketten für die Green Economy und die Digitalwirtschaft stützen.
Kanada bezeichnet 31 Mineralien als kritisch. Nach eigenen Angaben produziert das Land bereits 21 der 31 identifizierten Rohstoffe. Bei der Förderung von Titan, Platinmetallen und Nickel gehört Kanada zu den Top-5-Produzenten in der Welt. Bei der Erschließung von Kobalt liegt es auf Rang 6, bei Lithium und Molybdän auf Rang 8.
Herauszuheben ist zudem Kanadas kooperativer, internationaler Ansatz. Zur Förderung von Resilienz in den Lieferketten schließt das Land unter anderem bilaterale und multilaterale Partnerschaftsabkommen für kritische Mineralien. Neben einem "Joint Action Plan" mit den USA und einer "Working Group" mit Japan hat das Land auch mit der EU ein Abkommen unterzeichnet.
Mit der Canada-EU Strategic Partnership on Raw Materials erhofft sich Kanada vor allem Investitionen in den eigenen Bergbausektor, stärkeren Handel mit EU-Unternehmen im Bereich kritische Mineralien und eine Integration von kanadisch-europäischen Wertschöpfungsketten.
Rohstoff | Förderung (in 1.000 t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Titan (Ilmenit/FeTiO₃) | 2.100 | 16,8 |
Titan (TiO2) | 444 | 8,5 |
Palladium | 17.900 (kg) | 8,4 |
Nickel | 181 | 6,7 |
Platin | 10.300 (kg) | 5,5 |
Verarbeitung: Großer Aufholbedarf bei der Weiterverarbeitung
Kanadas Verarbeitungsindustrien für kritische Mineralien sind wenig entwickelt. Lithiumverarbeitung findet nach eigenen Angaben noch gar nicht statt. Kobaltraffination erfolgt meist als Beiprodukt der Nickelverarbeitung. Außerhalb der Nickel-, Kobalt- und Vanadiumverarbeitung kann das Land aber kaum Kapazitäten aufweisen.
Nickel wird hauptsächlich in Ontario sowie in Neufundland und Labrador abgebaut und dann in drei Raffinerien in Fort Saskatchewan (Alberta), Sudbury (Ontario) und Long Harbour (Neufundland und Labrador) verfeinert. Das kanadische Unternehmen Sherritt International und der brasilianische Bergbaukonzern Vale gehören zu den wichtigsten Firmen in der lokalen Nickelverarbeitung.
Rohstoff | Verarbeitung pro Jahr (in t) | Weltanteil (in %) |
---|---|---|
Nickel | 123.900 | 5,2 |
Kobalt | 6.075 | 4,6 |
Vanadium | 1.200 | 4,5 |