Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

In St. Thomas, Ontario, entsteht die erste Gigafactory des Volkswagen-Konzerns in Übersee. Bis zu 3.000 Mitarbeiter sollen dort ab 2027 Batterien für E-Fahrzeuge produzieren. Geplant sind Investitionen in Höhe von insgesamt 4,8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. In St. Thomas, Ontario, entsteht die erste Gigafactory des Volkswagen-Konzerns in Übersee. Bis zu 3.000 Mitarbeiter sollen dort ab 2027 Batterien für E-Fahrzeuge produzieren. Geplant sind Investitionen in Höhe von insgesamt 4,8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. | © Volkswagen AG

Markets International 1/25 I Kanada I Investitionsklima

Belastbare Beziehung

Kanada ist Partnerland bei der Hannover Messe 2025. Ob Robotik, KI oder saubere Technologien: Es ist eine Topgelegenheit für neue Kooperationen mit kanadischen Unternehmen und Forschungszentren.

Von Heiko Steinacher | Toronto

Ungeachtet der Probleme des Mutterkonzerns auf dem Heimatmarkt zieht Volkswagen-Tochter Powerco SE jenseits des Atlantiks eine Batteriefabrik hoch – auf einer Fläche so groß wie 210 Fußballfelder. VW investiert dafür im Südwesten der kanadischen Provinz Ontario rund 5,2 Milliarden US-Dollar. Nach Unternehmensangaben ist die Standortvorbereitung abgeschlossen. Man wolle die ersten Batteriezellen im Jahr 2027 produzieren und die Fertigung dann bedarfsgerecht hochfahren. Zudem seien bereits hundert Mitarbeitende eingestellt worden. Bei der Zahl bleibe es aber nicht, das Recruiting gehe weiter und die Zahl der Beschäftigten werde noch steigen.

Markets International Ausgabe 1/25

Markets International 02/24 Markets International 02/24 | © GTAI

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 1/2025 mit dem Schwerpunkt Robotik. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.

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Die Zellen will Powerco hauptsächlich an nordamerikanische VW-Werke liefern. Ob alles wie geplant klappt, hängt auch von US-Präsident Donald Trump und seinen Drohungen mit Strafzöllen ab – auch auf kanadische Produkte. Damit würde Trump das NAFTA-Nachfolgeabkommen United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) torpedieren, in dem er eine große Errungenschaft seiner früheren Amtszeit sieht. Der VW-Konzern bleibt deshalb vorsichtig und erklärt, über etwaige Regulierungspläne der neuen US-Regierung, die Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen der Automobilindustrie haben könnten, nicht spekulieren zu wollen.

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Doch ist Kanada nicht allein als Standort für die Batteriefertigung und andere High-Tech-Industrien interessant. Das Land ist ein stabiler Partner – ob im Außenhandel oder bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Die kanadische Forschungslandschaft sticht bei künstlicher Intelligenz (KI), Quantentechnologien und Pharmazeutika hervor, um nur einige Fachgebiete zu nennen. Deutschland und Kanada kooperieren schon Jahrzehnte erfolgreich in Luft- und Raumfahrt, Umwelttechnologie, Gesundheit und Arktisforschung.

Interessante Rohstoffe im Angebot 

Als Absatz- und Beschaffungsmarkt wächst Kanadas Bedeutung für deutsche Unternehmen. Dabei stehen kritische Mineralien für die Energiewende im Fokus. Um Kanadas Förderpotenzial zu heben, muss das Land aber noch viel Geld in Bergbauinfrastruktur und Weiterverarbeitung investieren. Mercedes-­Benz und VW haben bereits im Jahr 2022 ein Abkommen mit der kanadischen Regierung geschlossen, um sich Zugang zu wichtigen Batterierohstoffen zu sichern. Auch die Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Ausbau sauberer Energie bieten aus deutscher Sicht gute Geschäftschancen. Kanadas Bundes- und Provinzregierungen unterstützen Investitionen in diese Bereiche. 
In Ontario und Québec fließen hohe Summen in die Batterielieferkette, und den Großprojekten der Autoriesen folgen immer mehr Zulieferer. Große Regionalversorger in Ontario, Québec und British Columbia wollen in den nächsten zehn Jahren hohe zweistellige Milliardenbeträge in den Ausbau sauberer Energie und des Stromnetzes investieren.

Dies sind alles Themen der Hannover Messe 2025, die unter dem Motto „Energizing a Sustainable Industry“ steht. Da trifft es sich gut, dass Kanada in diesem Jahr Partnerland ist. Vor allem aus Bereichen wie Automatisierung, Robotik, KI, E-Mobilität und saubere Technologien wollen viele kanadische Unternehmen, Industrieverbände und wissenschaftliche Einrichtungen anreisen. Im Mittelpunkt steht diesmal Wasserstoff: als Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung der Industrie und die Schaffung einer nachhaltigen Energiezukunft.

Grüner Wasserstoff verbindet die Länder

In seiner grünen Variante spielt Wasserstoff in der transatlantischen Energie- und Klimaallianz zwischen Deutschland und Kanada eine besondere Rolle: In den kanadischen Atlantikprovinzen sollen Unternehmen grünen Wasserstoff erzeugen und später in Form von Ammoniak nach Deutschland liefern. Unter den Projektentwicklern sind auch deutsche Firmen. So bekam ABO Energy im August 2023 auf staatlichem Grund und Boden den Zuschlag für ein Fünf-Gigawatt-Grünwasserstoffprojekt in Neufundland und Labrador. Die Ausmaße sind enorm: Auf einer Fläche von 100.000 Hektar, das entspricht etwa der Fläche der Insel Rügen, will der Wiesbadener Projektentwickler – schrittweise – 900 Windräder aufstellen. 

»Großes Interesse an der Zusammenarbeit«

 

Tom Moise, Geschäftsführer der kanadischen Niederlassung des Beratungsunternehmens Cratos GmbH Tom Moise, Geschäftsführer der kanadischen Niederlassung des Beratungsunternehmens Cratos GmbH | © Privat/Tom Moise

Tom Moise ist Geschäftsführer der kanadischen Niederlassung des Beratungsunternehmens Cratos GmbH. Die Muttergesellschaft aus Hannover unterstützt Kunden unter anderem bei komplexen Wasserstoffprojekten.

 

 

Was sind die größten Herausforderungen beim Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft in Kanada?

Ich denke, da ist vor allem die Höhe der Investitionen zu nennen. Es gibt zwar Pläne und Pilotprojekte, aber es fehlt oft an konkreten finanziellen Zusagen und Unterstützung für Demonstrationsprojekte, trotz einiger Anreize wie Steuergutschriften. Auch der Transport von Wasserstoff ist technisch anspruchsvoll und teuer. Solange es keine langfristigen Abnahmeverträge mit verbindlichen Preisen gibt, halten sich die Investoren zurück.

Laufen Wasserstoffprojekte in Kanada ähnlich wie in Deutschland?

Nein, da gibt es einige Unterschiede: In Kanada geht es meist um Großprojekte von 20 Megawatt und mehr. In Deutschland findet die Produktion dagegen eher dezentral in kleineren Anlagen statt. Der Go-to-Market-Prozess ist in Kanada nach unserer Erfahrung zeitaufwendiger. Stakeholder auf Bundes- und Provinzebene haben dabei unterschiedliche Prioritäten. Auch müssen Partnerschaften mit indigenen Völkern aufgebaut werden. Und außerdem fehlen Anreize auf der Nachfrageseite. In Deutschland ziehen Bund, Länder und Kommunen beim Ausbau der Wasserstoffwirtschaft dagegen weitgehend an einem Strang.

Sie haben im November an einer Delegationsreise der Auslandshandelskammer Kanada teilgenommen. Was war Ihr größtes Take-away?

Dass es bei Wasserstoff für Kanada ein riesiges Produktions-, Export- und Nutzungspotenzial zu erschließen gilt. Und dass beiderseits des Atlantiks ein großes Interesse zur Zusammenarbeit besteht.

Seit Mitte 2022 haben sich schon zehn solcher Großprojekte in den Atlantikprovinzen formiert. Der Strom für die Herstellung des Wasserstoffs soll aus Windkraft kommen. Bereits 2025 will die Provinzregierung von Nova Scotia Auktionen für Pachtverträge von Offshore-Windprojekten mit einer Kapazität von fünf Gigawatt anbieten. Der Optimismus ist begründet: Die regionale Umweltverträglichkeitsprüfung in Nova Scotia und damit einhergehende Konsultationsverfahren für Offshore-Wind waren bis Dezember 2024 fast abgeschlossen.

„Dennoch wurde bisher für keines der großen Grünwasserstoffprojekte eine endgültige Investitionsentscheidung getroffen“, sagt Jens Honnen, Berater beim Forschungs- und Beratungsinstitut Adelphi. Denn schließlich muss auch der Preis stimmen: So soll mithilfe eines Doppelauktionsmodells die Differenz zwischen dem Ammoniakverkaufspreis in Kanada und der Zahlungsbereitschaft deutscher Abnehmer (Green Premium) zumindest teilweise ausgeglichen werden. Auch müssen in Deutschland die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, um Wasserstoff aus Kanada zu importieren, erklärt Honnen: „Die Abnehmer benötigen Planungssicherheit darüber, wie der Wasserstoff zu ihnen gelangt.“

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Gute Zulieferchancen in Kanada

Mit der Genehmigung des mehr als 9.000 Kilometer langen Wasserstoffkernnetzes in Deutschland im Oktober 2024 können die Netzbetreiber nun schrittweise die Infrastruktur für Wasserstoff aufbauen. Dadurch steigt tendenziell die Bereitschaft deutscher Abnehmer, langfristige Abnahmeverträge mit kanadischen Unternehmen abzuschließen – eine wichtige Voraussetzung für die Kanadier angesichts der hohen Vorlaufkosten bei diesen Projekten. Daraus können sich für deutsche Unternehmen gute Zulieferchancen in Kanada entwickeln – etwa für Windkrafttechnik, fortschrittliche Elektrolyseure, Brennstoffzellentechnologie und Power-to-Gas-Anlagen.

Eine Unsicherheit bleibt, da der bisherige Premierminister Justin Trudeau Anfang 2025 seinen baldigen Rücktritt erklärt hat. Die Wahrscheinlichkeiten für vorgezogene Neuwahlen und einen Regierungswechsel steigen damit. Doch während die bisherige liberale Minderheitsregierung eine klare, staatlich subventionierte Industriestrategie verfolgt und ein großes Interesse daran hat, grüne Energie nach Deutschland zu exportieren, ist die Haltung der Konservativen Partei Kanadas zu dem Thema nicht eindeutig. Doch diese führt in den Wahlumfragen. Pierre Poilievre, Chef der Konservativen und möglicher nächster Regierungschef Kanadas, hat sich jedenfalls bisher nicht zu staatlichen Subventionen für grüne Investitionen bekannt. 

Andererseits unterstützen viele Konservative in den Atlantikprovinzen die aktuellen Entwicklungen bei Wasserstoff und Windenergie. Es bleibt also spannend in Kanada. 

Kanadas vier Topbranchen

 

Bergbau (Metalle und Mineralien) Bergbau (Metalle und Mineralien) | © AdobeStock

Bergbau (Metalle und Mineralien)Fast 420.000 direkt Beschäftigte tragen 78 Milliarden US-Dollar zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. In der Planung sind 129 Großprojekte im Wert von 420 Milliarden US-Dollar.

 

 

Automobil Automobil | © AdobeStock

Automobil: Der direkte Beitrag zum BIP beträgt 13 Milliarden US-Dollar. Zu den 125.000 direkt Beschäftigten kommen noch 371.400 Personen in Aftermarket-Dienstleistungen und Händlernetzen. Bis Mitte 2024 investierte die Branchen 33 Milliarden US-Dollar in E-Auto- und Batteriewerke.

 

 

Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologieen Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologieen | © Adobe

Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie: Die Produktionskapazität von kohlenstoffarmem Wasserstoff beläuft sich auf 3.450 Tonnen pro Jahr. Angekündigt sind etwa 80 Projekte im Gesamtwert von 72 Milliarden US-Dollar zur Herstellung von grünem Wasserstoff.

 

 

Medizintechnik Medizintechnik | © AdobeStock

Medizintechnik: Der Markt für Medizinprodukte (ohne In-vitro-Diagnostika) umfasst etwa 9,5 Milliarden US-Dollar, mehr als 35.000 Menschen sind in der Branche beschäftigt. Im Februar 2023 kündigte Kanadas Regierung Investitionen in eine bessere Gesundheitsversorgung in Höhe von rund 147 Milliarden US-Dollar bis 2033 an.

 

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