Podcast
Folge 24: Mit Energietechnik ins Auslandsgeschäft
- November 2024 -
Weltweit arbeiten Staaten daran, die Klimaziele zu erreichen und den CO2-Ausstoß zu verringern. Das ist eine riesige Herausforderung für die Gesellschaften, aber auch eine Chance für die Wirtschaft. Vor allem Unternehmen im Energiesektor sind stark gefragt. Absatzmärkte für deutsche Energietechnik finden sich auf der ganzen Welt.
WELTMARKT stellt heute einige Förderprogramme vor, von denen deutsche (Energie-)Firmen beim Schritt ins Ausland profitieren können und beleuchtet, in welchen Bereichen deutsche Expertise besonders gefragt ist. Außerdem spricht WELTMARKT mit einem Experten zum Thema Wasserstoff – dem Energieträger, der die Energiewende überhaupt erst ermöglichen soll.
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Gäste in dieser Folge
Farhan-Reimpell_pic2a_1000x1000 | © Farhan ReimpellAngelika Farhan-Reimpell
Angelika Farhan-Reimpell leitet seit Februar 2020 die Geschäftsstelle der Exportinitiative Energie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Mit ihrem Team koordiniert sie die verschiedenen Fördermaßnahmen für Klein- und Mittelständler im Bereich klimafreundlicher Energietechnologie unter der Dachmarke „Mittelstand Global“.
Nach ihrem Studium (Geografie, Politikwissenschaft und Jura) fand sie als Projektmanagerin von Windparks bei WKN Windkraft Nord in Deutschland, Italien, Spanien und Rumänien den Einstieg in die internationale Energiewende. Nach einigen Jahren wechselte sie zur Juwi AG, wo sie im Vorstandsstab die Verschmelzung der Unternehmensbereiche Wind, Solar und Biogas begleitete, bevor sie als Expertin für Erneuerbare Energien für die GIZ nach Tansania ging. Nach einiger Zeit wechselte sie als integrierte CIM-Expertin zum East African Business Council (EABC) und setzte sich für die regionale wirtschaftliche Integration in Ostafrika ein.
Benedict Hartmann | © GTAI/Bundesfoto VoelknerBenedict Hartmann
Benedict Hartmann ist seit 2020 als Manager bei Germany Trade & Invest (GTAI) tätig und auf internationale Markterschließung sowie Standortförderung spezialisiert. Er informiert vor allem zu Erneuerbaren Energien und Wasserstofftechnologien, unterstützt deutsche Unternehmen bei der Expansion ins Ausland und ausländische Investoren beim Markteintritt in Deutschland. Seit drei Jahren verantwortet er bei GTAI die Themenschwerpunkte Erneuerbare Energien und Wasserstoff und ist Co-Leiter der interdisziplinären Projektgruppe „Nationale Wasserstoffstrategie“.
Bereits während seines Studiums der Volkswirtschaftslehre spezialisierte er sich auf die Energiewirtschaft in Schwellen- und Entwicklungsländern. Als Certified Expert in Climate and Renewable Energy Finance (Frankfurt School of Finance and Management) vertiefte er sein Wissen, insbesondere im Bereich der grünen Wasserstoffwirtschaft.
Weiterführende Informationen
Exportinitiative Energie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)
Förderprogramme Energieexport
GTAI-Webinarreihe zu Wasserstoff, H2-Update weltweit
GTAI-Sonderseite zur Dekarbonisierung der Wirtschaft
WELTMARKT Folge 1: Die Wasserstoffwende: Grünes Gas mit großen Chancen
WELTMARKT Folge 12: Förderprogramme der deutschen Außenwirtschaft
WELTMARKT Folge 14: Klimaschutz in der Industrie
Transkript der Folge
Das folgende Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit mit einer Spracherkennungssoftware erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es entspricht nicht unseren Ansprüchen an ein vollständig redigiertes Interview. Vielen Dank für Ihr Verständnis. |
Weltweit wollen Staaten den Ausstoß von Treibhausgas reduzieren, sich von fossilen Brennstoffen verabschieden, den Klimawandel bremsen. Das ist eine enorme Herausforderung, mit der natürlich kein Land alleine fertigwerden kann. Aus der Sicht von Unternehmen, die im Energiesektor tätig sind, bedeuten diese globalen Herausforderungen aber auch globale Geschäftschancen. Wir schauen uns heute unter anderem verschiedene Förderprogramme an, von denen deutsche Unternehmen im Auslandsgeschäft profitieren können. Und wir sprechen darüber, in welchen Bereichen deutsche Unternehmen international besonders gefragt sind.
Angelika Farhan-Reimpell Wenn es darum geht, bestimmte Sektoren, sei es Hitze, Wärme, Kälte, Energieerzeugung, Speicher usw., alles zu vereinen, dann können wir glaube ich sehr gut punkten, ja, mit kompletten Systemlösungen. Also nicht nur einzelne Komponenten, sondern tatsächlich Komplettlösungen.
Das war Angelika Farhan-Reimpell. Sie leitet die Geschäftsstelle der Exportinitiative Energie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Sie erklärt uns gleich, welche Unterstützung es für deutsche Unternehmen im Auslandsgeschäft gibt. Danach sprechen wir mit dem Energieexperten Benedict Hartmann von Germany Trade & Invest. Er sieht unter anderem in der weltweiten Produktion von Wasserstoff ein enormes Potential für den Export deutscher Technik:
Benedict Hartmann Das fängt an in der Stromerzeugung der erneuerbaren Energien, geht über die Elektrolyse bis hin zur Umwandlung von Wasserstoffderivaten, also Ammoniak, Methanol und synthetischen Kraftstoffen, wobei da die erforderlichen logistischen Aspekte natürlich auch berücksichtigt werden müssen.
Doch kommen wir zuerst zu Angelika Farhan-Reimpell von der Exportinitiative Energie.
Frau Farhan-Reimpell, Was genau machen Sie?
Angelika Farhan-Reimpell Also es ist das Ziel der Exportinitiative, Klein- und Mittelständler mit Produkten oder Dienstleistungen aus dem Bereich klimafreundliche Energietechnologie ins Auslandsgeschäft zu begleiten. Also vor 20 Jahren, als es angefangen hat, ging es noch darum, die Energiewende in die Welt zu tragen. Und, na gut, da ist sie ja inzwischen angekommen. Von daher geht es jetzt eher darum, den Unternehmen zu helfen, in neue Märkte noch reinzufinden. Oder da, wo das schon der Fall ist, sie beim Verbleib in diesen Märkten auch zu unterstützen. Und das tun wir durch verschiedene Programme, die also im Rahmen dieser Exportinitiative laufen.
Und was für Programme sind das?
Und zwar ist das einmal, das ist sozusagen das Kernstück, ein sehr umfangreiches Energiegeschäftsreiseprogramm, wo wir also Delegationen in die ganze Welt begleiten. Diese Reisen finden zu verschiedenen Themen statt. Wir haben inzwischen uns auf vier Hauptanwendungsfelder dabei spezialisiert, und zwar einmal Energieerzeugung, Energieeffizienz, Wasserstoff natürlich, da geht kein Weg dran vorbei, und auch das Thema Energieinfrastruktur, Off-Grid und Speicher.
Ein zweites Programm der Exportinitiative ist das Projektentwicklungsprogramm. Das wird von der GIZ implementiert. Da geht es darum, in bestimmten Schwellen- und Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika und in Asien, Projekte vorzuentwickeln. Also Unternehmen haben ja das Risiko, wenn sie in einen neuen Markt wollen, speziell jetzt diese schwierigen Märkte, dass sie relativ hohes Risiko am Anfang eingehen, weil sie lange erst mal vorentwickeln müssen, es gibt viel Vorarbeit, es kostet Zeit, Ressourcen, Geld. Und da ist es jetzt so, dass die GIZ vor Ort eine Infrastruktur hat, mit der sie Projekte, Opportunitäten identifiziert, insbesondere bei Industrie und kommerziellen Kunden, und die auch vorentwickelt.
Und dann diese Opportunitäten, wenn denn alles passt und stimmt, auch an deutsche Unternehmen in dem Bereich weiterleitet, die dann die Möglichkeit haben, sich auch natürlich mit anderen zusammen, auch europäische Unternehmen, auf diese Opportunitäten zu bewerben. Ein weiteres Programm ist das Renewable Energy Solutions Programm. Das wird von der dena, der Deutschen Energie-Agentur, umgesetzt. Da geht es darum, Referenzprojekte zu unterstützen. Hier ist es so, dass sich Unternehmen von sich aus einmal im Jahr anmelden können oder bewerben können mit Projekten, die schon relativ weit fortgeschritten bzw. entwickelt sind oder es gibt zumindest ein MOU, es gibt also schon einen Kunden und das ganze Projekt läuft an.
Und hier ist es so, dass die Dena oder eben die Exportative bei Schulungs- und Marketingmaßnahmen unterstützt. Ein weiteres Programm, das wir haben, ist ein Sondermesseprogramm. Da haben wir etwa zehn Messen im Jahr, die wir auswählen. Und zwar sind das eben nicht nur wie beim normalen Auslandsmesseprogramm der Bundesregierung sind es ja Fachmessen, die sich also alle auf erneuerbare Energien in der einen oder anderen Form spezialisieren oder fokussieren. Und dort haben wir dann einen großen German Pavillon, der also auch speziell für unsere Zwecke gestaltet ist, wo sich Klein- und Mittelständler, die sich vielleicht selber keinen Messestand leisten können, eben im Rahmen dieses Pavillons mit einmieten können und präsentieren können und dann aber auch auf die Infrastruktur natürlich zurückgreifen.
Das sind in der Tat ziemlich viele Förderprogramme, auf die wir natürlich in unseren Shownotes verlinken werden. Was wäre zum Beispiel ein relativ neues Programm?
Angelika Farhan-Reimpell Also wir haben seit einigen Jahren aber noch nicht so lange ein Konsortialbildungsprogramm. Da ist es also so, dass wir in der Vergangenheit festgestellt haben, dass sich auf diesen Reisen nicht nur Partner In- und Ausland finden, sondern dass auch innerhalb der Delegation gelegentlich Partnerschaften entstehen. Und das haben wir aufgegriffen und inzwischen gezielt in Angriff genommen, indem wir bestimmte Projekte identifizieren im Ausland und Vorhaben.
Dazu gibt es jetzt Projekterkundungsreisen, beispielsweise haben wir die neue Hauptstadt in Indonesien oder Smart City Mailand oder Green City Kigali oder dergleichen, also größere Vorhaben, die vielleicht für deutsche Unternehmen interessant sein können, die aber jetzt nicht so richtig wissen, an welcher Stelle, zu welchem Zeitpunkt komme ich da jetzt richtig rein, sodass wir also auf diese Projekte oder Vorhaben zugeschnitten Reisen anbieten und dazu gezielt auch Konsortien suchen.
Und warum ist das so wichtig?
Es ist ja so, dass kleine Unternehmen manchmal auch solche Nischenprodukte haben, die alleine jetzt nicht so richtig den Abnehmer finden, denn potenzielle Kunden im Ausland möchten ja gerne eine Systemlösung haben, wollen sich nicht alle Komponenten einzeln zusammenkaufen, so dass es eigentlich ganz schön ist, wenn Unternehmen sich zusammentun können und sagen Ja, wir können gemeinsam ein Komplettlösung anbieten. Und dabei unterstützen wir sie halt erstens mal, sich untereinander zu finden, sich auch so ein bisschen zusammenzuraufen, ihr gemeinsames Produkt auch zu entwickeln und entsprechend zu präsentieren, so dass sie am Ende auf einer Konsortialreise wo wirklich nur sie als Konsortium reisen, noch mal eben mit Ihren Geschäftspartnern oder potenziellen Geschäftspartnern ins Gespräch kommen können.
Wo sehen Sie als Initiative denn die größten Chancen? In welchen Branchen und Märkten?
Angelika Farhan-Reimpell Also die Nachfrage ist insbesondere in den europäischen Märkten gerade. Ja, das hat so ein bisschen die Ursache: Erstens, weil in Deutschland ist man ausgelastet. Auf der anderen Seite hat sich seit Covid natürlich auch das Geschäftsgebaren der Unternehmen geändert. Es wird nicht mehr so viel gereist. Europa ist sowieso dichter, ist auch sicherer, es waren viele disruptive Ereignisse weltweit, die auch einige Märkte eher unsicher erscheinen lassen. Was wir auch sehen, ist, dass zum Beispiel der Bereich Energieeffizienz immer interessanter wird. Wasserstoff war ein riesen Hype und jetzt hat sich das so ein bisschen oder konsolidiert sich gerade etwas.
Ja, so dass man also merkt, da waren einige Start-ups vielleicht auch ein bisschen zu euphorisch am Anfang. Die kommen jetzt gerade so ein bisschen ins Straucheln. Also da ist versuchen wir auch ein bisschen mit Vorsicht jetzt zu schauen, wo sind die Chancen am realistischsten Also der Bereich Energieeffizienz kommt gerade ganz gut, in Energieinfrastruktur, da kommen immer mehr Themen wie Cyber Security, IT-Lösungen usw. Denn wir haben andere Länder, die jetzt also technologisch zumindest was Hardware und so angeht, auch aufgeholt haben, so dass wenn wir Reisen nach Fernost haben, wir häufig darauf achten müssen, dass wir überhaupt ein konkurrenzfähiges Produkt im Markt anbieten können.
Europa ist also gerade besonders beliebt als Markt … und welcher noch?
Angelika Farhan-Reimpell Afrika ist tatsächlich auch immer ein Schwerpunkt. Das hat auch mit der Afrikastrategie der Bundesregierung zu tun, die da einen besonderen Fokus drauflegt, so dass es also auch noch andere Förderprogramme gibt, die man gut kombinieren kann mit unserem. Und die anderen Märkte, natürlich, wie gesagt, wir sind weltweit unterwegs, könnte ich jetzt keins kategorisch ausschließen.
Hätten Sie da mal ein Beispiel, wie sich so ein Markt öffnet und wie die Exportinitiative darauf reagiert?
Angelika Farhan-Reimpell Im Moment zum Beispiel gibt es in Ostafrika einen Trend zu Energieeffizienz. Also, es war eine ganze Zeit lang so, dass Solar ganz besonders gut lief. Gerade in Afrika ist die Nachfrage nach Off-Grid-Lösungen sehr hoch. Dann hat aber eine Regierung angefangen und hat gemerkt, nee Energieeffizienz ist auch wichtig und hat da also Regularien erlassen. Dann hat die Nachbarregierung, also die des Nachbarlandes, nachgezogen. Und jetzt ist es so in der ganzen Region ein Trend. Und jetzt brauchen die vor Ort natürlich Energieauditoren, sie brauchen die entsprechende Technologie etc.
Jetzt haben wir speziell jetzt in Ostafrika beispielsweise unser Projektentwicklungsprogramm, die unter anderem auch sogenannte German Training Weeks anbieten, wo sie lokale Stakeholder einladen und zu einem bestimmten Thema eine Woche lang weiterbilden. Als nächstes haben wir dann eine Geschäftsreise angeboten, die eben sich mit dem Thema Energieeffizienz insbesondere beschäftigt.
Das Projektentwicklungsprogramm ist beispielsweise in Kenia, bedient aber Uganda und Ruanda mit. Kenia hat eine Energieeffizienzregulierung erlassen und als nächstes kam dann Ruanda dazu und Uganda ist nun auch dabei, sodass also die Geschäftsreise, die wir dann angeboten haben, eben auch über diese mehrere Länder ging. Dabei haben wir dann gesehen, dass in Kigali beispielsweise der City Council, ein neues Stadtgebiet am Reißbrett entworfen hat und daran weiter plant. Das nennt sich dann Green City Kigali, wo eben solche Lösungen auch gefragt sind, sodass wir im nächsten Jahr voraussichtlich eine Projekterkundungsreise dorthin machen werden, genau zu diesem Thema, wo wir dann eben versuchen, Unternehmen da erst mal da heranzuführen und bei entsprechender Nachfrage hinterher zum Beispiel bei der Bildung von einem Konsortium auch unterstützen würden.
Was würden Sie sagen: Sind deutsche Unternehmen beim Thema Energie und Energieeffizienz besonders gefragt?
Angelika Farhan-Reimpell Ja, Quality made in Germany, das ist ja immer so der Klassiker. Es wird zunehmend schwierig, tatsächlich das auch als solches zu vermarkten. Es gibt viele Länder, natürlich vor allem im globalen Süden, da zählt das Argument noch. Da ist natürlich auf der einen Seite die asiatische, chinesische Konkurrenz relativ hoch, auf der anderen Seite können da gerade deutsche Unternmehmen doch damit punkten, dass sie beispielsweise viel local content akzeptieren und mit einbinden. Die Schulung lokaler Mitarbeiter dort vor Ort ist ein großer Faktor, der inzwischen gerade in diesen Ländern, in Afrika beispielsweise, auch sehr hoch angerechnet wird. Also das Produkt kann ruhig ein bisschen teurer sein, aber wenn darüber gewährleistet ist, dass also auch lokale Kräfte davon profitieren können, dann ist das auch immer wieder ein Plus.
Und in welchen Bereichen haben deutsche Unternehmen die Nase denn besonders weit vorn?
Angelika Farhan-Reimpell Ich glaube tatsächlich, der Bereich Energieeffizienz und auch die Sektorkoppelung, also wenn es darum geht, bestimmte Sektoren, sei es Hitze, Wärme, Kälte, Energieerzeugung, Speicher usw. alles zu vereinen, dann können wir glaube ich sehr gut punkten, ja, mit kompletten Systemlösungen. Also nicht nur einzelne Komponenten, sondern tatsächlich Komplettlösungen.
Vielen Dank an Angelika Farhan-Reimpell von der Exportinitiative Energie.
Gleich sprechen wir mit Benedict Hartmann, Energie- und insbesondere Wasserstoffexperte bei Germany Trade & Invest, über den zentralen Baustein der Energiewende.
Aber zuerst die wichtigsten Fakten zur nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesrepublik.
Seit 2020 haben wir in Deutschland eine nationale Wasserstoffstrategie, die 2023 nochmal aktualisiert wurde. Diese Fortschreibung hat die Klimaziele noch einmal nach oben gesetzt, um so die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Deutschlands Elektrolysekapazität soll schon im Jahr 2030 nun nicht mehr nur fünf sondern zehn Gigawatt betragen. Dennoch dürfte der damit erzeugbare Wasserstoff nach Meinung von Experten nur 30 bis maximal 50 Prozent des deutschen Bedarfs decken. Den restlichen Wasserstoff muss Deutschland importieren.
Die Strategie will nicht nur einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz und zur Sicherheit der Energieversorung leisten, sondern will Deutschland gleichzeitig zu einem global führenden Standort für die Herstellung und den Einsatz von Wasserstofftechnologien machen. Auf dem Weg dahin sind noch einige Hürden zu nehmen. Insbesondere müssen die Produktionskosten gesenkt und die Erzeugungskapazitäten gesteigert werden.
Vor diesem Hintergrund umfasst die nationale Wasserstoffstrategie eine ganze Reihe von Maßnahmen: Beispielsweise Investitionen in den Aufbau von Elektrolysekapazitäten und stabile Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Absatz von Wasserstoff. Die hohen Produktionskosten sollen kompensiert, der Ausbau einer nachhaltigen Wasserstoffinfrastruktur verstärkt werden. Das beinhaltet insbesondere den Aufbau eines Netzwerks, um Wasserstoff bereitzustellen und diesen auch speichern zu können.
Ein weiterer Punkt ist die internationale Zusammenarbeit. Allein kann Deutschland die Energiewende natürlich nicht schaffen. Nicht zuletzt, weil Deutschland von Wasserstoffimporten abhängig ist. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung in diesem Sommer eine Importstrategie verabschiedet. Gleichzeitig haben deutsche Unternehmen auch eine Menge zu bieten, insbesondere Technologien zur Gewinnung grünen Wasserstoffs. Bislang hat Deutschland mit 22 Ländern Abkommen, Partnerschaften und Allianzen vereinbart.
Was das für die Exportwirtschaft bedeutet, erörtern wir jetzt mit Benedict Hartmann, dem Wasserstoff-Experten von Germany Trade & Invest.
Herr Hartmann, warum ist die deutsche Wasserstoffstrategie auch für die deutsche Exportwirtschaft ein Riesenthema?
Benedict Hartmann Die nationale Wasserstoffstrategie oder deren Fortschreibung 2023 hat das Hauptziel, Wasserstoff zu importieren, einerseits, weil wir eben mit unserer Elektrolysekapazität den Bedarf in 2030 nicht decken können. Daher müssen Leitprojekte oder Leuchtturmprojekte in Energiepartnerländern vorangetrieben werden und daher hat die Wasserstoffstrategie unter anderem das Ziel, Deutschland als Leitanbieter für Wasserstofftechnologien weltweit zu etablieren, das heißt deutsche Projekte weltweit zu positionieren und fördert dadurch diese Technologien der Herstellung von Wasserstoff und deren Derivaten, aber auch von Technologien im Bereich des Transports, der Infrastruktur und natürlich auch der Abnahme, also der Off-Taker in Deutschland.
Beim sogenannten grünen Wasserstoff stammt die Energie für die Elektrolyse ja aus erneuerbaren Energien, Quellen wie Wind, Wasser oder Sonne. Grüner Wasserstoff ist daher klimaneutral. Für blauen Wasserstoff wird hingegen Erdgas verwendet - dabei entsteht CO2. Wovon sprechen wir hier?
Benedict Hartmann Die Bundesregierung fokussierte sich in der Unterstützung bislang auf die Herstellung von grünem Wasserstoff. Allerdings ist blauer Wasserstoff natürlich auch als Brückentechnologie unabdingbar. Das hat die Bundesregierung auch erkannt und hat in der Importstrategie diese rechtlichen Rahmenbedingungen auch noch mal etwas erweitert. Das bedeutet, der blaue Wasserstoff heißt nun kohlenstoffarmer Wasserstoff und wird auch durchaus gefördert, soll aber auch ein Signal senden an Produzenten, Erzeuger im Ausland, damit Deutschland ein ja sicherer Abnahmehafen sein kann für die Erzeugung von Wasserstoff, grün oder blau.
Bei blauem Wasserstoff sehen wir momentan noch den Vorteil, dass er einfach kosteneffizienter ist als als grüner Wasserstoff. Das wird sich in naher Zukunft beziehungsweise auf lange Frist ändern. Denn aufgrund von Klimaschutzverträgen, aber auch aufgrund von sinkenden Stromentstehungskosten und sinkenden Instandhaltungskosten von Elektrolyseuren wird es dazu kommen, dass wir eine höhere Kosteneffizienz haben von grünem Wasserstoff und somit blauer Wasserstoff momentan als Brückentechnologie gesehen wird für die Etablierung des Wasserstoffmarktes.
Wo konkret sehen Sie denn Möglichkeiten für deutsche Unternehmen?
Benedict Hartmann Also Chancen für deutsche Unternehmen gibt es im Bereich Wasserstoff eigentlich entlang der kompletten Wertschöpfungskette. Das fängt an in der Stromerzeugung der erneuerbaren Energien, geht über die Elektrolyse bis hin zur Umwandlung von Wasserstoffderivaten, also Ammoniak, Methanol und synthetischen Kraftstoffen, wobei da die erforderlichen logistischen Aspekte natürlich auch berücksichtigt werden müssen.
Darüber hinaus umfassen spezifische Projekte auch den Ausbau für die Schaffung wichtiger Infrastrukturen, Häfen, geeignete Transportnetze zum Beispiel für Wasserstoff, aber auch Erdgas, wenn wir über die Technologie CCUS, also Carbon Capture Utilization and Storage, also quasi die Abscheidung von Kohlenstoff, sprechen, aber eben auch Anlagen wie zum Beispiel Entsalzungsanlagen damit ausreichend Wasser auch für die Elektrolyse zur Verfügung steht.
Und wo stehen kleine und mittlere Unternehmen?
Benedict Hartmann Diverse große Unternehmen, also Energieerzeuger insbesondere, die bilden die Nachfrage für spezifische Technologien, so wie Brennstoffzellen, aber auch die Elektrolysehersteller. Auf der anderen Seite bedarf es da doch sehr spezifischer Technologie entlang der Wertschöpfungskette und insofern sind kleine Unternehmen auch sehr dominant in der Umsetzung von Projekten auf der ganzen Welt. Die Auftragsbücher von Unternehmen wie zum Beispiel H-Tec Systems oder Sunfire, ein Elektrolyseur aus Dresden, die sind voll.
Welche Unternehmen haben sich denn schon im Wasserstoffbereich etabliert?
Benedict Hartmann Ja, also in Deutschland haben sich einige Unternehmen zum Ziel gesetzt, ganz weit vorne zu sein im internationalen Wasserstoffmarkthochlauf. So hat sich zum Beispiel das Unternehmen H-Tec Systems, das eine Tochter des MAN Konzerns ist, das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2050 weltweit 1 % des jährlichen Treibhausgases einzusparen. Und aufgrund dessen hat sich das Unternehmen auch den Namen Quest One gegeben, um hier wirklich auch ein Zeichen zu setzen.
Weitere deutsche Unternehmen bringen sich weltweit ins Spiel. Nicht nur Elektrolyseure, sondern auch Energieunternehmen. Ich spreche hier insbesondere von dem mittelständischen Unternehmen Enertrag aus der Uckermark, das durch das Megaprojekt Hyphen in Namibia mit einem ja mit einer Investitionssumme von rund 10 Milliarden US-Dollar den Vollausbau einer Elektrolyseanlage und damit der Erzeugung von jährlich 350.000 Tonnen Grünen Wasserstoff bzw Ammoniak produzieren kann. Damit werden ungefähr 6 Millionen Tonnen CO2 Emissionen pro Jahr ersetzt.
Welches sind denn die größten Auslandsmärkte?
Benedict Hartmann Absatzmärkte für deutsche Technologien entlang der Wertschöpfungskette Wasserstoff ergeben sich dort, wo Strom überhaupt im Überfluss vorhanden sein kann. Das bedeutet, wo die Gegebenheiten zum Ausbau der erneuerbaren Energien optimal sind. Lange Küsten für Offshorewind oder eben viel Sonneneinstrahlung für die Erzeugung von Photovoltaik. Aber insbesondere in den Ländern des globalen Südens verzeichnen wir eine sehr hohe Förderbereitschaft, um Wasserstoffprojekte umzusetzen.
Marokko, Namibia, Chile, aber auch Australien sind Märkte, in denen die Produktion von grünem Wasserstoff ganz weit oben auf der Agenda steht und wo auch Energiepartnerschaften zwischen Deutschland jüngst mit Australien diesen Monat unterzeichnet wurden. Das heißt, dort, wo die Förderlandschaft positiv ist, dort, wo die Bedingungen für die Erzeugung von grünem Strom positiv sind, da sind Chancen für deutsche Unternehmen am besten.
Aber wahrscheinlich gibt es da auch Hürden zu überwinden?
Benedict Hartmann Absolut. Die Länder, von denen ich jetzt sprach, haben auf der einen Seite natürlich die Herausforderung, dass sie das zur Verfügung stehende Wasser nutzen. Ich spreche da gerade von Chile. Hier gibt es Überlegungen, auch das Salzwasser zu nutzen. In Namibia genauso. Die Technologie der Wasserentsalzung ist relativ weit vorangeschritten und bildet keinen großen Kostenträger.
Auf der anderen Seite, es ist immer in diesen Ländern, insbesondere Namibia, davon auszugehen, dass wir vermeiden müssen, als Deutschland so eine Art postkoloniale Aktivitäten vor Ort zu durchzuführen, um vor Ort natürlich auch noch die lokale Bevölkerung einzubeziehen. Also hier müssen ganz klar sozioökonomische Aspekte berücksichtigt werden.
Wie ist das überhaupt mit Europa? Gibt es da eine Zusammenarbeit bezüglich der Wasserstoffstrategie? Oder bleibt das eine nationale Sache?
Benedict Hartmann Wenn man davon spricht, dass wir den Wasserstoffmarkthochlauf in Deutschland vorantreiben möchten, dann ist das auch eine europäische Angelegenheit. Und wir sind nur mit unseren europäischen Partnern in der Lage, diese Herausforderungen zu stemmen. Ich spreche hier auch insbesondere über die Hydrogen Backbone Initiative, eine Initiative, die Gasnetzbetreiber oder Fernnetzbetreiber in Europa zusammenbringt, um hier die Bereitstellung des Wasserstoffs in fünf verschiedenen Korridoren darzustellen, die nach Zentraleuropa führen müssen, um auch an das deutsche Kernnetz angebunden zu sein.
Wo würden Sie sagen, steht Deutschland momentan im internationalen Vergleich?
Benedict Hartmann Projekte der deutschen Technologieanbieter sind auf der ganzen Welt vertreten. Das heißt, wir haben durch unsere Förderprogramme, die bilateral, aber auch multilateral in insbesondere Energiepartnerschaftsländern umgesetzt werden, haben wir schon sehr viele Meilensteine gesetzt. Die Bundesregierung hat durchaus hier etwas ins Rollen gebracht. Wir haben eine starke Nachfrage nach Technologie made in Germany. Also insofern kann man sagen, dass Deutschland das Ziel erreicht, Leitanbieter für Wasserstofftechnologien zu sein und auch zu bleiben.
Aber wahrscheinlich ist jetzt nicht alles nur positiv, oder?
Benedict Hartmann Also, was wir momentan verzeichnen, ist, dass der Hochlauf bislang eher unter den Erwartungen geblieben ist. Das hat verschiedene Gründe. Ich würde sagen, dass viele Abnehmer von Elektrolyseuren, also große Energieerzeuger bislang relativ geringe Förderzuschläge bekommen oder diese eben aufgrund von regulatorischen Rahmenbedingungen, von komplizierter Bürokratie, von Produktanforderungen, Zertifizierungsprozessen einfach nicht so schnell umgesetzt werden können wie wir, die wir das eigentlich erwartet haben.
Dazu kommt natürlich noch die fehlende Bereitschaft, den Wasserstoff zu dem derzeitigen Preis auch abzunehmen. Die Projekte sind aber nicht aufgehoben, sondern sie sind eher verschoben, auch aufgrund der politischen Lage in Deutschland. Man weiß nicht so genau, wie geht das weiter? Wasserstoff ist natürlich ein Zukunftsmarkt und wir gehen stark davon aus, dass sich auch das nicht mit einer neuen Regierung ändern wird. Aber das sind Herausforderungen, die sich momentan die Technologieanbieter ausgesetzt sehen.
Aber die Großwetterlage ist trotzdem immer noch positiv. Wir werden nicht darum herumkommen, den Wasserstoff als Energieträger zu nutzen. Er wird nicht in allen Feldern der Industrie, also in der Wärmeerzeugung vermutlich eher nicht, in der Mobilität eher nur im Schwerlasttransport, aber insbesondere in diesen sogenannten Hard-to-abate-Industrien eingesetzt werden, das heißt in der Stahlindustrie, in der Zement- und Glasindustrie, in der Chemie, wo insbesondere Wasserstoff und Wasserstoffderivate eingesetzt werden müssen, um die Ziele zu erreichen.
Also haben Sie die Hoffnung, dass die nationale Wasserstoffstrategie aufgeht?
Benedict Hartmann Die Ziele sind ambitioniert, aber sie sind nicht unrealistisch. Und ich gehe davon aus, dass wir mit verschiedenen Skaleneffekten, mit einer Beschleunigung der bürokratischen Hürden, die wir in Deutschland, aber auch auf europäischer Ebene haben, dass wir da sehr schnell im Dialog mit Politik und Wirtschaft diese Ziele erreichen können.
Vielen Dank, Benedict Hartmann, für diesen optimistischen Ausblick in eine klimafreundliche Zukunft und den Einblick in Chancen, die sich für deutsche Unternehmen bieten. Wenn Sie sich ins umfassende Thema Energie weiter einlesen wollen, schauen Sie unbedingt in unsere Shownotes.
In unserer allerersten Podcast-Folge von Dezember 2022 haben wir uns übrigens schon mal mit der Wasserstoff-Wende beschäftigt, hören Sie sehr gern hinein: Folge 1: Die Wasserstoffwende: Grünes Gas mit großen Chancen | Podcast Lohnenswert ist ganz sicher auch unsere Folge zu “Klimaschutz in der Industrie”: Folge 14: Klimaschutz in der Industrie | Podcast Und in Folge 12 stellen wir viele weitere Förderprogramme für deutsche Unternehmen vor: Folge 12: Förderprogramme der deutschen Außenwirtschaft | Podcast
Im Dezember widmet sich WELTMARKT dann dem Export von Architektur-Dienstleistungen. Deutsche Unternehmen können auch hier punkten - auch wenn kaum jemand darüber spricht. Wir tun es - und hören uns hoffentlich bei der nächsten Folge wieder! Bis dahin.