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Kasachstan verfolgt ehrgeiziges Ziel beim Export von IT-Diensten
Die IT-Industrie gedeiht auch außerhalb der bekannten Tech-Hubs. Ein Beispiel dafür ist Kasachstan. Das Land setzt bei der Diversifizierung seiner Wirtschaft auf die Trendbranche.
12.09.2024
Von Viktor Ebel | Bonn
Im Jahr 2023 setzten kasachische Anbieter mit Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologien (IT) etwa 2,4 Milliarden US-Dollar (US$) um. Die Branche wuchs damit wertmäßig um 41,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr, so das kasachische Statistikbüro Qazstat. In den Folgejahren dürfte der Trend anhalten, da die zunehmende Digitalisierung etwa in Branchen wie Gesundheit, Bildung, Finanzen oder öffentliche Verwaltung die Nachfrage nach IT-Produkten weiter ankurbeln wird. Hinzu kommt die Einführung von Technologien wie 5G und künstliche Intelligenz (KI). Auch die Nachfrage aus dem Ausland stimuliert das Wachstum.
Auf Softwareentwicklung entfiel 2023 mit 1,3 Milliarden US$ mehr als die Hälfte des Marktvolumens, gefolgt von IT-Beratung (175 Millionen US$) und Softwaresupport (160 Millionen US$). Die beiden Millionenmetropolen Almaty und Astana stehen für 90 Prozent der Wertschöpfung.
IT-Dienste sollen zum Exportschlager entwickelt werden
Die Entwicklung der Exporte von IT-Dienstleistungen zeigt, dass die Branche sich nicht nur in Kasachstan behaupten kann: Ihre Verkäufe ins Ausland verzehnfachten sich zwischen 2020 und 2023 auf über 500 Millionen US$, zitiert die Astana Times Verantwortliche vom Astana Hub, der in IT-Fragen in Kasachstan als führender Technologiepark gilt. Bereits 2026 soll die Marke von 1 Milliarde US$ geknackt werden, so das Ziel der Regierung. Bis Ende des Jahrzehnts sind sogar ehrgeizige 5 Milliarden US$ angepeilt. Auch wenn das möglicherweise zu hoch angesetzt sein dürfte – der IT-Sektor leistet einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung der Exporte des Landes.
Zu den Hauptkunden im Ausland gehören Unternehmen aus den USA (Exporte 2023: 126 Millionen US$), Russland (89 Millionen US$) und das Vereinigte Königreich (72 Millionen US$). Zudem wurden während des Digital Almaty Forum im Februar 2024 mit einer Reihe von Ländern Absichtserklärungen unterzeichnet, die den Export kasachischer Lösungen aus dem Bereich E-Government vorsehen. Zu den Interessenten zählen Länder aus Zentralasien und Afrika.
IT-Industrie profitiert von günstigen Rahmenbedingungen
Im Jahr 2021 hat das Digitalministerium das Programm "Tech Orda" ins Leben gerufen, das breitenwirksame IT-Fortbildungen ermöglicht. Mit Zuschüssen von umgerechnet etwa 1.250 US$ je teilnehmender Person werden an Universitäten, Berufsschulen und privaten IT-Schulen Kurse in Bereichen wie Webentwicklung, künstliche Intelligenz und Big Data gefördert. Bis 2025 will die Regierung insgesamt 100.000 zusätzliche IT-Fachkräfte ausgebildet haben.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | |
---|---|---|---|---|---|
Beschäftigte (in 1.000) | 161,7 | 159,7 | 161,7 | 166,5 | 187,8 |
durchschnittlicher Nominallohn (in US$) *) | 685,2 | 705,3 | 799,4 | 949,0 | 1.289,1 |
Zudem profitiert Kasachstan vom Zustrom zahlreicher IT-Experten aus Russland, die ihre Heimat seit 2022 aufgrund von Sanktionen oder der Teilmobilmachung verlassen haben. Zwischen 2021 und 2024 habe sich die Zahl russischer Firmen und Einzelunternehmer im Land auf über 23.000 verdoppelt, schreibt das Portal zakon.kz und beruft sich dabei auf Zahlen von Qazstat. Davon sei gut ein Zehntel im IT-Bereich tätig. Kasachstan bietet, verglichen mit anderen Ländern, geringe Hürden beim Verlagern der Geschäftsaktivitäten, da die russische Sprache weit verbreitet ist, kein Visum benötigt wird und ein Gewerbe in wenigen Tagen angemeldet werden kann.
Erfahrene IT-Spezialisten verdienen wesentlich mehr
Das Analyseportal ranking.kz hat 2.900 Stellenanzeigen des Personalvermittlers Headhunter mit Bezug zur IT-Branche ausgewertet. Demnach bewegen sich die Nominallöhne in Kasachstan für Tätigkeiten als Programmierer, Softwareentwickler, Netzwerkingenieure und IT-Designer zwischen 1.000 und 4.000 US$, je nach Position und Erfahrung.
Nicht zuletzt, um auch mehr internationale Tech-Konzerne nach Kasachstan zu locken, investiert der kasachische Telekommunikationsanbieter Freedom Telecom über 230 Millionen US$ im Süden des Landes. Geplant ist ein 3.100 Kilometer langes Datenkabel sowie ein Datenverarbeitungszentrum auf Top-Niveau. Ab Ende 2027 soll die zusätzliche Kapazität für den internationalen Datenverkehr auf der Achse Europa-Asien neue Geschäftsfelder in den Bereichen Datenverarbeitung- und Speicherung sowie KI schaffen. Bis 2027 dürfte auch die 5G-Netzabdeckung in Ballungsgebieten bis zu 75 Prozent erreichen.
Im Astana Hub winken IT-Unternehmen Steuervorteile
Kasachstans erste Adresse für Start-ups und IT-Firmen ist der Astana Hub. Sein Hauptsitz befindet sich in der gleichnamigen Hauptstadt, Daneben gibt es 14 regionale Filialen, sieben weitere sollen 2024 folgen. Jungunternehmer erwartet eine moderne Infrastruktur oder Inkubatorprogramme. Zu den steuerlichen Vorteilen zählt die Befreiung von folgenden Steuerarten:
- Körperschaftssteuer;
- Mehrwertsteuer beim Import bestimmter Waren und Dienstleistungen;
- Einkommenssteuer.
Für ausländische Fachkräfte greifen zudem vereinfachte Visaverfahren.
IT-Sphäre bietet Kooperationspotenzial für ausländische Unternehmen
Die Zahl der Unternehmen mit ausländischer Beteiligung im Astana Hub hat sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Allgemein lässt sich beobachten, dass die noch recht junge kasachische IT-Industrie um internationale Vernetzung bemüht ist. Für die kasachische Seite stehen dabei Wissenstransfer, die Erschließung neuer Märkte sowie die Investorenwerbung im Vordergrund.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | |
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Kasachische Unternehmen | 185 | 405 | 602 | 1.007 | 1.403 |
Unternehmen mit ausländischer Beteiligung | 5 | 18 | 67 | 216 | 394 |
Länder wie Saudi-Arabien, das vor kurzem zusammen mit Kasachstan das Al Farabi Innovation Hub mit Sitz in Riad gegründet hat, versprechen sich neben preiswerten IT-Dienstleistungen zudem einen besseren Zugang zu der noch nicht vollständig erschlossenen Wirtschaftsregion Zentralasien. Auch deutsche Akteure könnten das Momentum nutzen und sich in der Zukunftsbranche einbringen. Zu den deutschen Vorreitern zählt das IT-Unternehmen COMbridge, das die Suche nach qualifizierten und motivierten Arbeitskräften im Bereich Entwicklung im Mai 2022 nach Kasachstan geführt hat.
Fintech Kaspi.kz ist das erste kasachische Unicorn
Die Kooperationsfelder im Bereich IT beschränken sich aber nicht nur auf das Outsourcing von Dienstleistungen und die Rekrutierung von Fachkräften. Von Kasachstan lässt sich in Sachen IT durchaus auch etwas lernen. Das zeigt das Beispiel der Super-App Kaspi.kz, an der in Kasachstan fast kein Weg vorbeiführt: Nutzende haben dort beispielsweise Zugriff auf den größten Online-Marktplatz des Landes, können Zahlungen aller Art damit abwickeln oder Flug- und Zugtickets buchen. Auch alle wichtigen staatlichen und kommunalen Online-Dienstleistungen können über die App in Anspruch genommen werden. Das börsennotierte Unternehmen gilt mit einer Marktkapitalisierung von fast 24 Milliarden US$ (Stand: 11. September 2024) als erstes kasachisches Unicorn.
Name | Anmerkungen |
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Astana Hub | Größter Technologiepark des Landes mit Sitz in Astana; Ansprechpartner für Start-ups und IT-Industrie |
IT Sector Development Department | Abteilung im Ministerium für Digitales; Ansprechpartner für Internationale Kooperation, Export von IT-Dienstleistungen, IT-Ausbildung |
Department of Digitalization of Almaty City | Abteilung in der Stadtverwaltung Almaty für Digitales |
Astana Finance Days | jährlich stattfindende Konferenz zu Trends im Bereich Fintech und Digitalisierung des Finanzsektors; Turnus: jeweils im September |
Almaty Digital Week | jährlich stattfindende Konferenz zu Trends und Innovationen in der digitalen Welt und Start-ups; Turnus: jeweils im Februar |
Assoziation der IT-Unternehmen ITK | Branchenverband; fördert Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Regierung und bietet Plattform für den Erfahrungsaustausch |