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Mehr Frachtaufkommen lockt Schienenfahrzeugbauer nach Kasachstan
Als Teil des Mittleren Korridors, führt durch Kasachstan eine gefragte Transportroute zwischen Europa und China. Ausländische Akteure wollen nun rollendes Material dort herstellen.
30.01.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Der Frachtumschlag auf dem Mittleren Korridor ist zwischen 2021 und 2024 auf gut das Siebenfache angestiegen. Immer mehr internationale Logistiker passen ihre Lieferrouten zwischen Europa und China an. Aber auch der Handel mit Zentralasien floriert und stärkt die transkaspische Route. Die Weltbank schätzt, dass der Warenumschlag auf dem Mittleren Korridor bis 2030 sich mehr als verdoppelt und mindestens 12 Millionen Tonnen erreichen wird.
Dafür sind erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Transportmaterial nötig. Das gilt auch für Kasachstan, wo Lokomotiven und Waggons oft veraltet sind. Die Regierung ist darum bemüht, den boomenden Logistiksektor als Katalysator für weitere Branchen zu nutzen. Mit Erfolg: Internationale Hersteller von Schienenfahrzeugen sowie ihre Zulieferer weiten ihre Präsenz in Kasachstan mit eigenen Werken aus. Deutsche Firmen haben gute Chancen, sich bei Projekten ausländischer Unternehmen einzubringen.
Alstom erfüllt Großauftrag der kasachischen Eisenbahn
Der französische Spezialist für Schienenfahrzeuge Alstom ist seit 2010 auf dem kasachischen Markt aktiv und seit 2022 alleiniger Anteilseigner einer Montagefabrik für elektrische Lokomotiven. In den letzten Jahren wurden dort hunderte Loks für den lokalen Güter- und Passagierverkehr sowie den Export nach Aserbaidschan produziert. Im November 2024 erhielt Alstom den Zuschlag für die Lieferung von 117 E-Loks bis 2028. Die kasachische Eisenbahn (KTZ) kann für die Finanzierung auf einen zinsgünstigen Kredit der französischen Großbank Société Générale zurückgreifen, wie KTZ in seinem Webportal mitteilt.
Die neuen Zugpferde vom Typ KZ6A baut Alstom in seinen Hallen in Astana, die dafür erweitert werden. Die Loks sollen bis zu 9.000 Tonnen schwere Züge ziehen können, weniger Energie verbrauchen und die in die Jahre gekommenen VL-80-Maschinen ersetzen. Der vereinbarte Preis ist nicht bekannt. Anders sieht es bei den geplanten Servicezentren aus, die ab 2025 an den Standorten Astana, Almaty, Schu und Arys in Kasachstan geplant sind. Hier investiert Alstom 50 Millionen US-Dollar (US$), um die Wartung zu gewährleisten.
Kasachstan als regionales Produktions- und Service-Hub im Gespräch
Der zweite wichtige Player im kasachischen Schienenfahrzeugbau ist Wabtec, der ebenfalls über ein eigenes Werk in Astana verfügt. Im Oktober 2024 wurde bekannt, dass KTZ Lokomotiven im Wert von 405 Millionen US$ bei dem US-Unternehmen geordert hat. Im Rahmen von diesem und weiteren Aufträgen dürfte Wabtec bis 2027 insgesamt 240 Lokomotiven an KTZ liefern. Für den dazu anstehenden Ausbau der Produktion will das Unternehmen rund 200 Millionen US$ während der nächsten zehn Jahre investieren. Zudem entwickelt Wabtec seit 2024 digitale und umweltfreundliche Technologien für den Schienenverkehr in Astana. Langfristig könnte Kasachstan zum Produktions- und Wartungshub für Schienenfahrzeuge im GUS-Raum werden, so der Präsident von Wabtec bei Gesprächen mit dem kasachischen Premierminister im Herbst 2024.
Mit Kamkor Lokomotiw springt ein weiterer Akteur auf diesen Zug auf, schreibt das Branchenportal Railway Supply. Das Unternehmen, das bislang mit der Reparatur und Wartung von Lokomotiven sein Geld verdiente, kündigte kürzlich den Bau einer Montagefabrik für fast 100 Millionen US$ im Gebiet Akmola an. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie stehen noch aus. Ein für das Werk geeignetes Grundstück wurde bereits gefunden. Nach dem für 2025 erwarteten Baustart, könnten Ende 2026 die ersten Diesel- und Elektroloks dort vom Band laufen. Langfristig will Kamkor Lokomotiw auf kohlenstoffarme Technologien und mit Flüssigerdgas betriebene Loks setzen.
Fertigung von Güterwaggons vervielfacht
waren 2024 auf Kasachstans Schienenwegen unterwegs.
Aufgrund der hohen Nachfrage nach Transportleistungen zog die Produktion von Güterwaggons zuletzt deutlich an. Daten des staatlichen Statistikbüros Qazstat zufolge wurden landesweit 2.565 Waggons im Jahr 2024 hergestellt – eine Zunahme um nahezu das Fünffache gegenüber dem Vorjahr. Die Regierung schätzt, dass 2025 bereits 4.000 Waggons in Kasachstan gefertigt werden könnten. Als Hersteller sind Ziksto in Petropawl und KWK in Ekibastus wichtig. Weitere Akteure strömen auf den Markt. Ein Beispiel ist die Firma TexolTrans, die bis zu 600 Waggons jährlich in der Region Atyrau bauen will.
Wichtigster Abnehmer ist die staatliche KTZ, die insgesamt 38.000 Güterwaggons über die Gleise rollen lässt. Die restlichen rund 100.000 verteilen sich auf über 300 private Anbieter im Bereich Schienentransport.
Bewegung kommt auch in die Zulieferindustrie und Ersatzteilproduktion, in der kasachstanweit rund 600 Firmen aktiv sind. Beispielsweise produziert ein Unternehmen Federn für den Schienenfahrzeugbau seit Ende 2024 im Gebiet Kostanai.
Projekt | Realisierungszeitraum | Investitionen (in Mio. US$) | Unternehmen (Ort) |
---|---|---|---|
Produktion von Teilen für den Schienenfahrzeugbau, darunter Radkörper, Zahnräder, Rohachsen, Schmiedeprodukte, Werkzeuge | 2025 - 2026 | 168 | Railcast Systems (Ekibastus, Gebiet Pawlodar) |
Modernisierung einer Gießerei für Gusseisenteile für Lokomotiven und Waggons | 2025 | 71 | Wostokmaschsawod (Ust-Kamenogorsk, Gebiet Ostkasachstan) |
Produktion von offenen Güterwagen für den Transport von Schüttgut (600 Stück/Jahr) | 2025 | k.A. | Semipalatinski Maschinostroitelny Sawod (Semei, Gebiet Abai) |
Stadler liefert Personenwagen für über 2 Milliarden US$
Im Passagierverkehr stehen die Zeichen ebenfalls auf Expansion. Bis 2029 will KTZ den Bestand bei Personenwagen von derzeit 1.800 auf 3.000 Waggons aufstocken. Im Anforderungsprofil für die Neuanschaffungen stehen neben Komfort, moderner Technik und hohen Umweltstandards auch in Kasachstan erbrachte Lieferungen und Leistungen mit ganz oben. Dass sich KTZ Ende 2022 bei einem entsprechenden Großauftrag für die Offerte von Stadler entschied, ist daher gut nachvollziehbar.
Das schweizerische Unternehmen wird ab dem 2. Quartal 2025 Personenwaggons in Kasachstan produzieren und die Technik 20 Jahre lang warten. Den Lokalisierungsgrad, der anfänglich knapp 10 Prozent ausmachen wird, will Stadler bis 2029 auf über 35 Prozent hochfahren. Wer vor Ort produziert, hat auf lange Sicht also die besseren Lieferchancen. Das Auftragsvolumen liegt bei umgerechnet etwa 2,4 Milliarden US$ für über 500 Waggons, die bis 2030 auszuliefern sind. Knorr-Bremse steuert die Bremssysteme sowie Steuerungstechnologie bei. Laut dem Münchner Unternehmen sind beide Systeme für extreme Temperaturen von -50 bis +45 Grad Celsius ausgelegt.
Wichtige Messen rund um den Schienenfahrzeugbau
Kazakhstan Machinery Fair, Astana, 23. bis 25. April 2025
Themen: Maschinenbau sowie Be- und Verarbeitung von Metallen
Translogistica Kazakhstan, Almaty, 30. September bis 2. Oktober 2025
Themen: Transport, Logistik und Transportausrüstung