Um die Transportkapazitäten am Kaspischen Meer zu steigern, sind massive Investitionen nötig. Doch den ambitionierten Plänen stehen noch einige Schwierigkeiten im Weg. (Stand: 16.06.2023)
Der Mittlere Korridor, der von Asien über das Kaspische und Schwarze Meer nach Europa führt, ist insbesondere seit dem Ukrainekrieg eine Alternative zum Transport über Russland geworden. Doch um die Strecke durch Zentralasien und den Südkaukasus stärker nutzen zu können, muss Kasachstan seine Umschlagkapazitäten am Ostufer des Kaspischen Meeres ausbauen.
Vergleich von Transportrouten zwischen Europa und ChinaKorridor | Transport-medium | Verlauf | Länge in Kilometern | Transportdauer in Tagen |
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Nördlicher Korridor | Schiene | China – (Kasachstan) – Russland – Belarus – EU | 10.000 - 10.300 | 12 - 16 |
Mittlerer Korridor | Schiff, Lkw, Schiene | China – Kasachstan – Kaspisches Meer – Aserbaidschan – Georgien – Türkei – EU | 9.400 - 11.000 | 18 - 23 |
Südlicher Korridor | Schiff | China – Indischer Ozean – Mittelmeer – EU | 16.400 | 35 - 45 |
Quelle: TITR 2023
Das Transportaufkommen zwischen den Häfen Aktau und Baku über den Mittleren Korridor hat laut dem internationalen Verband Transkaspischer Internationaler Transportweg (TITR) von 4.900 TEU (20-Fuß-Standardcontainer) im Jahr 2015 auf 33.600 TEU im Jahr 2022 zugenommen. Die Warentransporte nach Gewicht betrugen 2022 insgesamt 1.485 Tonnen, ein Plus von 153 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Verband Transkaspischer Internationaler Transportweg (TITR)Der Verband TITR wurde 2013 von den staatlichen Eisenbahnunternehmen Kasachstans (Kazakhstan Temir Zholy (KTZh)), Aserbaidschans (Azerbaijan Railways) und Georgiens (Georgian Railway) gegründet, um den transkaspischen Transportweg zu entwickeln. Mittlerweile sind hier staatliche und privatwirtschaftliche Unternehmen aus allen am Mittleren Korridor beteiligten Ländern organisiert, unter anderem aus der Türkei, Armenien, der Ukraine, Rumänien und China. Einen einheitlichen Transportkostentarif, der in allen Ländern gilt, hat der Verband bisher nicht durchgesetzt. |
Aktau ist Kasachstans wichtigster Hafen
Die meisten Transporte über das Kaspische Meer werden über den Hafen Aktau abgewickelt. An ihn sind Seerouten nach Aserbaidschan, Russland, Turkmenistan und in den Iran angebunden. Im Hafen Aktau sind zwei Betreiber tätig.
Die Hafengesellschaft Aktau (Aktau Sea Commercial Port) gehört zu 100 Prozent dem kasachischen Staatsfonds Samruk Kazyna und wird durch die nationale Eisenbahngesellschaft Kazakhstan Temir Zholy (KTZh) verwaltet. Die Umschlagkapazität der von der Hafengesellschaft Aktau betriebenen Terminals liegt bei rund 11,8 Millionen Tonnen pro Jahr. Laut Unternehmensleitung ist dieser Teil des Hafens Aktau derzeit nur zu rund einem Drittel der Kapazität ausgelastet.
Dynamik des Containerumschlags im Hafen von Aktau von 2018 bis 2023 (in TEU)2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023* |
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2.489 | 14.324 | 17.969 | 27.624 | 30.708 | 7.470 |
* Januar bis April Quelle: Hafen Aktau 2023
Ein weiterer Hafenbereich wird vom 2015 gegründeten kasachisch-singapurischen Joint Venture Nordterminal (Aktau Marine North Terminal) betrieben. 60 Prozent der Anteile hält der Schiffseigner Inter Port Development PTE aus Singapur, weitere 30 Prozent das Logistikunternehmen der kasachischen Eisenbahn KTZh Express und 10 Prozent die Hafengesellschaft Aktau.
Im Nordterminal können pro Jahr rund 3 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen werden. Auch diese Kapazität wird derzeit nicht voll ausgenutzt. Der Betreiber wickelt etwa 65 Prozent seines Umschlags für den Export ab, 35 Prozent für den Import. Wichtigste Partner sind Logistikunternehmen im Iran, von wo rund 90 Prozent der Importe, hauptsächlich Baumaterialien und Baustoffe, stammen, und wohin rund 80 Prozent der Exporte, überwiegend kasachisches Getreide, gehen.
Neuer Hafen in Kuryk
Um Kasachstan fit zu machen für einen möglichen künftigen Anstieg der Nachfrage auf dem Mittleren Korridor, entsteht seit 2015 nahe der Ortschaft Kuryk, rund 70 Kilometer südlich von Aktau, der neue Hafen Kuryk. Auch hier sind zwei Betreiber tätig.
Die Hafengesellschaft Kuryk, eine 100-prozentige Tochter der kasachischen Eisenbahn KTZh, betreibt den Fährhafen und ein Logistikzentrum mit Gesamtumschlagkapazität von rund 4 Millionen Tonnen pro Jahr. Die tatsächliche Auslastung betrug in den vergangenen Jahren jeweils rund ein Drittel. Ein größeres, an den Fährkomplex angrenzendes Areal gehört dem privatwirtschaftlichen Investor Semurg Invest, der es unter dem Namen multifunktionales Terminal Sarzha entwickelt und derzeit mit möglichen Partnern die Erweiterung verhandelt.
Im Juli 2023 wird Semurg Invest ein erstes Getreideterminal mit einer Kapazität von 250.000 Tonnen pro Jahr in Betrieb nehmen. Weitere Terminals sind geplant. Bereits fertiggestellt hat Semurg Invest die Anbindung des neuen Hafengeländes an das Eisenbahnnetz Kasachstans, so dass die An- und Ablieferung von Waren nicht nur per Lkw, sondern auch per Bahn sichergestellt ist. Langfristig hat Semurg Invest auch den Bau einer Schiffswerft im Hafen Kuryk im Auge, um die veraltete Schiffsflotte auf dem Kaspischen Meer zu erneuern. Konkrete Pläne zur Umsetzung stehen noch aus.
Logistikakteure im Gebiet Mangystau am Kaspischen Meer in Kasachstan Betreibergesellschaft | Vorhandene Infrastruktur 2023 | Umschlagkapazitäten 2023 | Sonstiges |
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Hafengesellschaft Aktau (Aktau Sea Commercial Port), Hafen Aktau | - Terminals für Erdöl, Stückgut, Container und Getreide plus Fährterminal - Anbindung an Straßen- und Eisenbahnnetz - Circa 40 Hektar mit 80.000 Quadratmetern Lagerfläche und elf Piers | - 7,5 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr - 1,5 Millionen Tonnen Containerfracht pro Jahr - 0,8 Millionen Tonnen Getreide pro Jahr - 2 Millionen Tonnen pro Jahr durch Fährterminal | - Betreibt Teil des Seehafens Aktau - Mitglied in Sonderwirtschaftszone Aktau - Soll noch 2023 den Status eines internationalen Seehafens bekommen |
Nordterminal (Aktau Marine North Terminal), Hafen Aktau | - Terminals für Getreide, Stückgut und Container - Anbindung an Straßen- und Eisenbahnnetz | - 1,5 Millionen Tonnen Getreide pro Jahr - 1,5 Millionen Tonnen Stückgut - Lagerkapazität für Container auf 100.000 Quadratmetern | - Betreibt Teil des Seehafens Aktau - Mitglied in Sonderwirtschaftszone Aktau |
Hafengesellschaft Kuryk (Kuryk Port Development), Hafen Kuryk
| - Fährkomplex - Transport- und Logistikzentrum - Produktionskomplex - Anbindung an Straßen- und Eisenbahnnetz | - 4 Millionen Tonnen Gesamtkapazität | - Betreibt Teil des Seehafens Kuryk - Mitglied in Sonderwirtschaftszone Aktau
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Semurg Invest, Hafen Kuryk | - Getreideterminal - Anbindung an Straßen- und Eisenbahnnetz | - 250.000 Tonnen Getreide pro Jahr | - Entwickelt und betreibt Teil des Seehafens Kuryk - Mitglied in Sonderwirtschaftszone Aktau
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Sonderwirtschaftszone Seehafen Aktau | - Elf nicht zusammenhängende Subzonen auf 2.322 Hektar Fläche
| - | Unternehmen, die sich in der SEZ ansiedeln, sind befreit von: -Körperschafts- und Grundsteuer - Grundstückspacht - Mehrwertsteuer auf die Einfuhr von Waren - Zöllen auf die Einfuhr von Waren |
Quelle: GTAI-eigene Recherchen
Kasachstan fördert weitere Industrieprojekte am Kaspischen Meer
Im näheren Umkreis des Hafens Kuryk könnte sich in Zukunft auch Hyrasia Energy, kasachische Tochter der schwedisch-deutschen Svevind Energy Group, ansiedeln. Ab 2030 will das Unternehmen mit seinem Projekt Hyrasia One pro Jahr 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff in Kasachstan produzieren. Zum Projekt soll ein Logistik-Hub zur Lagerung und Verschiffung des Wasserstoffs gehören.
Sowohl das Hafengelände in Aktau als auch das neue Hafenprojekt in Kuryk liegen auf dem Territorium der Sonderwirtschaftszone Seehafen Aktau, die Investoren zahlreiche Steuererleichterungen einräumt. Derzeit sind 53 Unternehmen, überwiegend aus der verarbeitenden Industrie, registriert. Darunter befinden sich Firmen aus der Türkei, Großbritannien, Aserbaidschan, Singapur, China, mit Satex Chemie auch eine Firma aus Deutschland.
Investitionsprojekte in Aktau und KurykProjektträger/ Investor | Vorhaben | Informationen | Investitionssumme in Millionen US$ |
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Hafengesellschaft Aktau | Container-Hub | Bau eines neuen Container-Hubs auf einer Fläche von 19 Hektar im Südosten der bisherigen Hafenfläche, inklusive technischer Ausstattung, geplante Inbetriebnahme: 2025 | 44,8 |
Hafengesellschaft Aktau | Verlängerung Pier | Verlängerung des Container-Terminals von 400 Meter Länge um weitere 200 Meter, um mehr Schiffe gleichzeitig abzufertigen. Machbarkeitsstudie in Arbeit. | 41,6 |
Hafengesellschaft Aktau | Tieferlegung der Fahrrinne | Beseitigung von rund 1 Million Kubikmeter Festmaterial, um Fahrrinne zu vertiefen. Machbarkeitsstudie in Arbeit. | 25,3 |
Semurg Invest | Hafenausbau bis 2030 | - Erweiterung des Getreideterminals von derzeit 250.000 auf 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr - Terminal für Stückgut mit einer Kapazität von 1 Million Tonnen pro Jahr; geplante Inbetriebnahme: Ende 2023 - Terminal für verschiedene Güter mit einer Kapazität von 2 Millionen Tonnen pro Jahr - Terminal für Flüssiggüter wie Erdöl mit einer Kapazität von 5,5 Millionen Tonnen pro Jahr | 215 |
Semurg Invest | Schiffswerft | Bau und Ausstattung einer Werft zur Erweiterung der kasachischen Flotte für das Kaspische Meer | 300 - 400 |
Hyrasia Energy (Tochter von Svevind Energy Group) | Produktion von grünem Wasserstoff | - Windpark und Solarpark, Baubeginn 2027 - Produktion von 2 Millionen Tonnen grünem Wasserstoff ab 2030 | 50.000 |
Quelle: GTAI-eigene Recherchen
Herausforderungen für die transkaspische Route
Sowohl im Hafen Aktau als auch im Nordterminal kommt es derzeit immer wieder zu Rückstaus bei der Abfertigung von Waren in Richtung Europa. Gründe sind laut Auskunft der kasachischen Hafenbetreiber zum einen die begrenzte und veraltete Schiffsflotte auf dem Kaspischen Meer, die nur langsam und mit großem Aufwand modernisiert werden kann. Zum anderen verzögern ein marodes Eisenbahnnetz und fehlendes rollendes Material in Aserbaidschan und Georgien den Weitertransport per Schiene. Durch diese Probleme ist der gesamte Mittlere Korridor übers Kaspische Meer zurzeit noch recht unzuverlässig, da sie Lagerkosten, verzögerte Lieferzeiten und dadurch steigende Folgekosten verursachen. Angesichts der erprobten Routen über Russland beziehungsweise den Indischen Ozean ist dies für internationale Logistiker unattraktiv.
Zudem ist der Meeresspiegel im Kaspischen Meer in den vergangenen 30 Jahren um mehr als zwei Meter gesunken. Der Niedrigstand beeinflusst die Flora und Fauna im Kaspischen Meer, die Wasserversorgung der Bevölkerung in und um Aktau, die Energieversorgung und nicht zuletzt den Schiffsverkehr. Alle Investitionsprojekte in der Region gehen mit Umweltverträglichkeitsprüfungen und Machbarkeitsstudien einher. Doch welche Auswirkungen eine geplante Tieferlegung der Fahrrinne für den Schiffsverkehr um Aktau und Kuryk wie auch eine Zunahme des Schiffsverkehrs hätten, ist derzeit noch nicht absehbar.
Von Edda Schlager
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Berlin