Interview | Kasachstan | Rohstoffsicherung
"So werden wir hier das Rennen um kritische Rohstoffe verlieren"
Bisher fördert kein deutsches Unternehmen Rohstoffe in Kasachstan. Der Markt ist umkämpft und risikoreich. Die Berliner HMS Bergbau AG wagt jetzt erste Schritte zum eigenen Abbau.
10.09.2024
Von Edda Schlager | Berlin
Dennis Schwindt ist Vorstandsvorsitzender der Berliner HMS Bergbau AG, die weltweit vorwiegend Kohle handelt, insbesondere in Asien. In Kasachstan hat das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren mehrere Mehrheitsbeteiligungen an lokalen Bergbaugesellschaften erworben, die über Erkundungs- und Abbaulizenzen unter anderem für Kupfer, Lithium, Tantal und Niob verfügen. HMS Bergbau will mit eigener Anschubfinanzierung im einstelligen Millionenbereich die Lagerstätten erschließen und sich so Lieferquellen für dringend benötigte Rohstoffe sichern.
Warum ist Kasachstan ein interessanter Rohstoffmarkt?
Die kasachische Regierung will die vielen bereits zu Sowjetzeiten erkundeten Lagerstätten mit Hilfe von Investoren entwickeln. Sie orientiert sich dabei stark in Richtung Europa, sowohl als Liefermarkt als auch bei der Suche nach potenziellen Entwicklern. So will sich Kasachstan unabhängiger machen von China und Russland.
Welche Herausforderungen birgt Kasachstan?
Zum einen sind die geologischen Daten aus Sowjetzeiten nicht alle zentral verfügbar. Zum anderen entsprechen sie nicht den Berichtsstandards, die an internationalen Finanzmärkten anerkannt sind. Das erschwert eine externe Finanzierung. Wir müssen die Daten deshalb zunächst mit eigener Nachexploration verifizieren und in internationale geologische Berichtsstandards wie JORC (Australasian Joint Ore Reserves Committee) oder SAMREC (South African Mineral Reporting Codes) überführen. Erst damit können wir auf die Suche nach größeren Partnern und Investoren gehen, um die Lagerstätten weiter zu entwickeln.
Was heißt das strategisch für Ihr Unternehmen?
Um Lagerstätten einer bestimmten Größenordnung zu erschließen, braucht es hohe Investitionen – mehr als für ein Unternehmen unserer Größe sinnvoll. Wir werden nicht die Firma sein, die in Kasachstan ein Bergwerk oder einen metallurgischen Betrieb im Alleingang errichtet oder betreibt. Wir bereiten das Projekt so weit auf, dass es für Co-Investoren interessant wird.
Dennoch bleibt es ein Risikoprojekt. Kasachstan ist derzeit politisch stabil, aber welche Schwerpunkte die Regierung in fünf oder zehn Jahren setzt, ist schwer zu sagen. Auch geologische Risiken haben wir. Erst mit unserer Nacherkundung können wir schauen: Wie groß sind die Vorkommen? In welcher Konzentration liegen die Rohstoffe vor und lässt sich das wirtschaftlich erschließen? Und dann entscheiden wir, ob wir weitermachen.
Was wäre Ihr Ziel, wenn die erste Phase positiv verläuft?
Entwicklungsziel ist ein neues Geschäftsfeld. Wenn am Ende die Produktion für ein strategisches Mineral herauskommt, möchten wir dafür Abnahmerechte halten. Wir werden in Zukunft einen Kapitalbedarf haben, den wir nicht mehr alleine werden stemmen wollen. Dann werden wir sicher Partner mit eigenen Interessen aufnehmen. Wichtig ist uns aber, dass wir die Rohstoffe in Europa vermarkten können.
Aus Kasachstan heißt es, deutsche Unternehmen seien zu zögerlich beim Erschließen des Rohstoffmarktes. Wie sehen Sie das?
Beim Entwickeln von Lagerstätten konkurrieren wir mit Unternehmen aus China, Russland, Australien, Kanada und Südkorea, also mit Firmen, die sofort viel Geld in ein Projekt investieren. Wir können es aber nur so machen, wie wir mit gebotener kaufmännischer Vorsicht in der Lage sind. Wir können die Entwicklungsschritte nicht abkürzen. Dass chinesische Unternehmen schneller sind, macht uns im Wettbewerb natürlich Sorge. Allerdings gehen sie aus meiner Sicht damit teils kaum überschaubare Risiken ein.
Wie bewerten Sie die deutsche Risikobereitschaft?
Obwohl alle nach strategischen Mineralien rufen, ist diese nicht besonders groß – weder bei staatlichen Finanzorganisationen, noch bei verbrauchenden Unternehmen. Die Kreditanstalt für Wideraufbau hat zwar Förderprogramme für kritische Rohstoffe. Die setzen aber einen europäischen Bezug sowie eine garantierte Abnahme voraus, und sie fangen erst ab einer bestimmten Risikostufe an. Ich verstehe die Vorsicht der Banken. Doch das kollidiert mit den chinesischen Akteuren, die größere Risiken eingehen und bereit sind, mehr Geld bereitzustellen. Deutsche Batteriehersteller, Automobilkonzerne und Zulieferer sind es gewohnt, Rohstoffe bestimmter Qualität just-in-time zu bekommen. Sie sind jedoch nicht bereit, schon ein, zwei Schritte früher in die Wertschöpfungskette einzutauchen und die damit verbundenen Risiken mitzunehmen. So werden wir das Rennen an der einen oder anderen Stelle immer wieder verlieren.
Was erwarten Sie sich von Abkommen, die die EU mit Kasachstan im Rahmen von Global Gateway geschlossen hat?
In der bisherigen Ausführung: Nicht viel. Die Abkommen der EU sind gut gemeint, doch meist recht wirkungslose Mechanismen, da sie sehr bürokratisch daherkommen und viel zu spät im Risiko sind. Die Förderbedingungen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung verlangsamen Projekte oft. Die detaillierten Berichtserfordernisse verzögern die Projektentwicklung nochmals. Wir als Mittelständler haben keinen Apparat, der das bearbeiten kann. Insofern wäre eine unbürokraterischere, frühzeitig einsetzende Projektfinanzierung der EU durchaus wünschenswert.
Heißt für Sie?
Am Ende müssen wir als Unternehmen Geld in die Hand nehmen und es machen. Man kann Unternehmen nicht per Institution auffordern, Projekte umzusetzen. Es braucht Firmen mit Unternehmergeist und einem gewissen Risikoappetit.
Was kann Kasachstan selbst tun, um für deutsche Unternehmen zugänglicher zu werden?
Die oberste Regierungsebene mit Präsident, Premierminister, Ministern, KazakhInvest und dem kasachischen Botschafter hier in Deutschland ist sehr aktiv. Bei den Behörden darunter würden wir uns mehr Effizienz wünschen. Ansonsten hoffen wir, dass Kasachstan Durchhaltevermögen beweist bei der strategischen Ausrichtung nach Westen. Die ist vollkommen richtig, wenn es sich insbesondere China nicht einfach ausliefern möchte. Dann braucht Kasachstan einen anderen starken Handelspartner. Und das kann die EU nach wie vor sein.