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Deutschland lässt kritische Rohstoffe in Zentralasien liegen

Skepsis hält deutsche Unternehmen vom schwierigen Rohstoffmarkt Zentralasien ab. Die Konkurrenz ist schon bei frühen Wertschöpfungsstufen groß. Mehr Risikofreude ist gefragt.

Von Edda Schlager | Berlin

Kasachstan rollt Deutschland gerade den roten Teppich aus: "Der Rohstoffsektor bietet sehr gute Entwicklungschancen", so der kasachische Vize-Premierminister Roman Sklyar bei einer Sitzung des Deutsch-Kasachischen Wirtschaftsrats am 28. August 2024 in Berlin. "Und wir laden deutsche Investoren ein, bei der Entwicklung mitzuwirken." Der kasachische Botschafter in Deutschland, Nurlan Onzhanov, konkretisierte: "Kasachstan bietet drei Ebenen der Zusammenarbeit im Rohstoffsektor: als Beschaffungsmarkt, bei der Erschließung von Lagerstätten und bei der Entwicklung von Wertschöpfungsketten." Beide Diplomaten wollen deutsche Unternehmen dazu bewegen, in den vor einem Boom stehenden Rohstoffsektor des Landes zu investieren.

Kaum Interesse deutscher Investoren

Die Deutschen allerdings reagieren bisher verhalten auf die Offerten. Denn tatsächlich gibt es kaum noch deutsche Unternehmen, die im Auslandsbergbau tätig sind. Deutschland importiert pro Jahr zwar Rohstoffe im Wert von rund 200 Milliarden Euro, doch das politische Signal für Investitionen fehlt bisher. Ein schon länger angekündigter Rohstofffonds der Bundesregierung ist bisher nicht gestartet. Dieser ist als Eigenkapitalinstrument angelegt, mit dem die KfW sich künftig durch eigene Investitionen an Rohstoffprojekten entlang der gesamten Wertschöpfungskette kritischer mineralischer Rohstoffe beteiligen könnte.

Deutsche Unternehmen mit hohem Bedarf an kritischen Rohstoffen aus der Automobil- oder die Luft- und Raumfahrtindustrie setzen bisher weiterhin auf den Einkauf veredelter Produkte, weniger aber auf Direktkäufe von Rohstoffen bei Produzenten oder den noch früheren Einstieg in Wertschöpfungsketten.

Als deutscher Pionier in Kasachstan hat die Berliner HMS Bergbau AG nun begonnen, durch Mehrheitsbeteiligungen an kasachischen Bergbaugesellschaften Lagerstätten für Kupfer, Lithium, Niob und Tantal zu erschließen. "So wollen wir uns den Zugriff auf diese Rohstoffe sichern, um sie später auch nach Deutschland zu liefern", sagt Dennis Schwindt, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens. Dieses deutsche Vorhaben ist im kasachischen Bergbau bisher ein Einzelfall.

Ein Vertreter des kasachischen Ministeriums für Industrie und Bauwesen riet am Rande des Wirtschaftsratstreffens in Berlin: "Große deutsche Konzerne können veredelte Rohstoffe ohne globale Zwischenhändler direkt bei uns kaufen und in die Metallurgie investieren.“ Weniger Chancen sieht er für Mittelständler mit geringem finanziellen Spielraum.

Enorme Rohstoffvorkommen, Potenzial bei Förderung und Verarbeitung

Kasachstan verfügt nicht nur über große Vorkommen an Öl, Uran, Kohle und Eisenerz, sondern auch an kritischen und strategischen Metallen. Von den derzeit 34 durch den Critical Raw Materials Act (CRMA) der EU als strategisch und kritisch deklarierten Rohstoffen könnte Kasachstan laut der Investitionsförderungsagentur KazakhInvest heute schon 19 liefern. 

Das Land will unabhängiger von Rohstoffexporten werden und deshalb auch die Weiterverarbeitung ausbauen. Von den kritischen und strategischen Rohstoffen wird vor Ort bisher lediglich Kupfer zu Kupferkathoden und Kupferstangen weiterverarbeitet. Und aus Aluminium werden vor Ort Baustoffe und aus Beryllium Vorprodukte für Elektronik hergestellt.

Konkurrenz bei Rohstoffhandel ist groß

Wichtigste Exportpartner sind China und Russland. Aber auch australische, britische, kanadische und südkoreanische Unternehmen beziehen aus Kasachstan kritische Rohstoffe. Und sie wollen in die Rohstoffförderung und Metallurgie investieren, um sich den Zugang zum Beschaffungsmarkt langfristig zu sichern.

Auch wenn kaum zu erwarten ist, dass Deutschland in naher Zukunft mit umfangreichen Investitionen in die Rohstoffförderung in Kasachstan einsteigt, ist Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), von einer Rohstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und Kasachstan überzeugt: "Kasachstan ist für uns interessant, weil es alternative Bezugsquellen für Metalle zu Lieferungen aus China bietet."

Deutschland setzt auf Abnahmeverträge

Die internationale Konkurrenz ist laut Buchholz zwar sehr groß, dennoch hätten deutsche Firmen gute Chancen: "Die Stärke deutscher Unternehmen ist es, dass sie zuverlässige langfristige Abnahmeverträge bieten. Diese können im Rahmen der Rohstoffstrategie der Bundesregierung durch Ungebundene Finanzkredite (UFK-Garantien) abgesichert werden."

Das sieht Kanat Kudaibergen anders. Der Kasache ist geschäftsführender Partner von GreyWolf Management, einer Consultingfirma im kasachischen Bergbausektor. Ihm zufolge ist Deutschland zu langsam. "Die deutschen Unternehmen müssen verstehen, dass sich der Weltmarkt verändert hat, es gibt eine höhere Nachfrage nach weniger Ressourcen."

Konkurrenz geht in Vorleistung

In Kasachstan seien viele internationale Rohstoffhändler aktiv: Glencore und Open Minerals aus der Schweiz beispielsweise, die Noble Group aus Hongkong, Trafigura aus den Niederlanden sowie zahlreiche Händler aus China wie China Nonferrous Metal Mining Group (CNMC), China National Machinery Import and Export Corporation (CMC) oder China Minmetals Corporation. 

Deshalb gebe es keinen Bedarf für Abnahmeverträge, so Kudaibergen. "Globale Händler wie Glencore und Noble Group gehen so weit, Vorschüsse zu zahlen. Trafigura macht dies selbst dann, wenn Förderanlagen noch nicht gebaut sind. So binden sie die Produzenten an sich und fixieren den Preis." Kudaibergen empfiehlt auch Deutschland, in die gesamte Wertschöpfungskette zu investieren. "Das würde sich für deutsche Unternehmen lohnen."

Politische Unterstützung nimmt zu

Die deutsche Politik war schon einmal bereit, Unternehmen den Einstieg in den Rohstoffmarkt Kasachstan zu erleichtern. Im Jahr 2012 schlossen beide Länder eine Rohstoffpartnerschaft – die aber im Sande verlief. Undurchsichtige Geschäftspraktiken auf kasachischer Seite und sinkende Rohstoffpreise verhinderten schließlich die Umsetzung konkreter Projekte. Deutschland erschwerte für mehrere Jahre die Vergabe von Exportkreditgarantien für Vorhaben in Kasachstan, erleichterte diese aber 2023 wieder. Die negativen Erfahrungen damals beteiligter deutscher Unternehmen wirken jedoch bis heute nach.

Die EU nimmt nun ganz Zentralasien als Beschaffungsmarkt für kritische Rohstoffe in den Blick und schloss im Jahr 2022 im Rahmen von Global Gateway mit Kasachstan eine strategische Partnerschaft zu Rohstoffen, Batterien und grünem Wasserstoff. Im Jahr 2024 folgte eine Rohstoffpartnerschaft mit Usbekistan. Die ebenfalls durch Global Gateway unterstützte Entwicklung des sogenannten Mittleren Korridors von Zentralasien durch den Südkaukasus nach Europa soll die notwendigen Transporte erleichtern.  

Auch die europäischen Finanzinstitutionen wagen neue Schritte. So hat die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) jüngst 3 Millionen Euro in eine der größten Graphitlagerstätten weltweit in Zentralkasachstan investiert und Anteile erworben. Weitere europäische Initiativen dieser Art im Finanzsektor wären zu begrüßen, ebenso der schnelle Start des genannten deutschen Investitionsfonds für Rohstoffe.

Projektvorschläge für Investoren zur Entwicklung von Nickel-Kobalt-Vorkommen in Kasachstan

Projekt

Initiierendes Unternehmen

Gebiet

Potenzial

Projektkosten in Millionen US$

Bau einer hydrometallurgischen Anlage für die Herstellung von Nickel- und Kobaltkathoden

 

Belogorskoye LLP

 

Abay 

Nickelkathoden: 6 Tonnen pro Jahr
Kobaltkathoden: 250 Tonnen pro Jahr

 

99,9

Gewinnung und Verarbeitung von Nickel-Kobalt-Erzen der Kempirsay-Lagerstättengruppe

KazMetalGroup

Aktobe 

Nickelsulfat: 29,7 Tonnen
Kobaltsulfat: 1,8 Tonnen

514

Abbau und Verarbeitung von Nickel-Kobalt-Erzen in der Lagerstätte Bugetkol

KMG Sary Arka LLP

Aktobe 

Nickel: 251.221 Tonnen
Kobalt: 13.675 Tonnen

574,7

Quelle: KazakhInvest 2024

Projektvorschläge für Investoren zur Entwicklung von Vorkommen Seltener Erden in Kasachstan

Projekt

Initiierendes Unternehmen

Gebiet

Potenzial*

Projektkosten in Millionen US$

Abbau und Verarbeitung von Seltenerdmetallen aus der Kundybay-Lagerstätte

Kundybai Mining JSC

Kostanay

Seltene Erden enthaltendes Erz: 3 Millionen Tonnen pro Jahr

1.4

Exploration von Seltenerdmetallen und Gold im Gebiet Tulkusai

TulkusayGold LLP

Kostanay

Gold: 10 Tonnen (P1+P2); Seltene Erden: 15.000 Tonnen (P1+P2)

noch nicht bekannt

Entwicklung einer großen Lagerstätte für Seltene Erden in Talairyk

Phoenix Mining LLP

Kostanay

Yttriumoxid: 4.290 Tonnen (P1);

Selteneerd-Oxid: 15.600 Tonnen (P1); 197.000 Tonnen (P2)

noch nicht bekannt

Entwicklung des Aksoran-Feldes

Yessil-Mining LLP

Akmola und Nord-Kasachstan

Wolfram in Scheelitkonzentrat: 5 Tonnen pro Jahr; Molybdän (Zwischenprodukt): 227 Tonnen pro Jahr

300

Entwicklung der Wolfram- und Wismutlagerstätten des südlichen Zhaur-Feldes

Joint Venture Sary Arka Tungsten LLP

Karagandy

Wolframtrioxid (WO3): 199 Tonnen (C2);

Molybdän: 13 Tonnen (C2);

Wismut: 6 Tonnen (C2)

71

Bau einer Bergbau- und Verarbeitungsanlage in der Molybdän-Wolfram-Lagerstätte Drozhilovskoye

Kazakh-Russian Mining Company LLP

Kostanay

Molybdän: 263.000 Tonnen;

Wolfram: 64.300 Tonnen

88

Erschließung der Wolfram-Molybdän-Erzlagerstätten Nördliches Katpar und Oberes Kairakty

JSC Tau-Кen Samruk National Mining Company

Karagandy

Wolframtrioxid (WO3): 1.400.000 Tonnen (beide Lagerstätten zusammen)

1.000

Entwicklung der Niob-, Tantal- und Zirkon-Lagerstätte Borsyksay

Phoenix Mining LLP

West-Kasachstan

Nioboxid: 12.000 Tonnen (С1) und 100.000 Tonnen (P1)

noch nicht bekannt

* C1: erkundete Reserven, durch Probebohrungen bestätigt; P1: wahrscheinliche Reserven: laut geologischen Analysen wahrscheinlich vorhanden; P2: mögliche Reserven: laut geologischen Daten potenziell vorhanden, aber nicht ausreichend bestätigtQuelle: KazakhInvest 2024

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