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Landwirtschaft 4.0 gewinnt in Kolumbien an Bedeutung
Der Agrarsektor in Kolumbien gilt seit Jahren als stabiler Wachstumstreiber. Neue Initiativen sollen helfen, die Branche zu digitalisieren. Deutsche Firmen gehen dabei vorneweg.
16.06.2023
Von Janosch Siepen | Bogotá
Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in Kolumbien. Im Jahr 2022 trug der Sektor laut vorläufigen Zahlen 8,3 Prozent zur Entstehung des Bruttoinlandsprodukts bei. Und die weiteren Aussichten sind positiv: Zwischen 2022 und 2026 soll die Branche real jährlich um etwa 3 Prozent wachsen, so der britische Informationsdienstleister Economist Intelligence Unit. Doch Kolumbiens Agrarsektor ist noch deutlich weniger produktiv als die Landwirtschaft in Ländern mit ähnlichen Boden- und Klimabedingungen in der Region, stellt die lateinamerikanische Entwicklungsbank CAF fest. Smarte Technik aus dem Ausland kann helfen.
Bodenanalysen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz
Für die vielen Kleinbauern mit begrenztem Kapital sind besonders Softwarelösungen interessant. Künstliche Intelligenz (KI) kann beispielsweise bei der Bodenanalyse genutzt werden und helfen, den Düngemitteleinsatz zu optimieren. Das KI-Programm Watson des IT-Riesen IBM kam in Kolumbien bereits bei über 5.000 Bodenanalysen zum Einsatz. Die kolumbianische Forschungseinrichtung Agrosavia entwickelte diverse Computerprogramme, unter anderem zur Auswertung von Geodaten. Von deutscher Seite bietet das Programm Valora Maíz von Bayer kolumbianischen Landwirten die Möglichkeit, die Maisanbaudichte auf Basis von Umweltdaten zu bestimmen.
Drohnen für Kontrolle und Pflanzenschutz
Auch Hardware kann die Landwirtschaft in Kolumbien effizienter machen. Boden- und Wettersensoren, Satellitenfotografie sowie Drohnen helfen dabei, Anbaugebiete zu überwachen. Der Klimawandel macht solche Anwendungen mittelfristig relevanter, denn durch ihn nehmen extreme Wetterereignisse in Kolumbien voraussichtlich zu und beeinträchtigen die landwirtschaftliche Produktivität. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) arbeitet im Bundesstaat Meta an Pilotprojekten, um mithilfe von Drohnen Ernteschäden durch Überflutung oder Brände einfacher festzustellen. Ein Projekt der CAF und des Massachussetts Institute of Technology testet den Einsatz von Drohnen zur Prognose und Überwachung von Erdrutschen im Bundesstaat Putumayo.
Die Flugroboter lassen sich auch zum Pflanzenschutz einsetzen. Der Chemiekonzern BASF bildete im Rahmen seines Programms „Drones in Agriculture“ knapp 400 kolumbianische Landwirte dazu aus, Fluggeräte bei der Schädlingsbekämpfung zu nutzen. Bislang greifen die Landwirte hier zum größten Teil noch auf einfache Spritzgeräte zurück. Drohnen dagegen seien 50-mal schneller und benötigten 90 Prozent weniger Wasser, sagen Unternehmensvertreter. Insgesamt soll der weltweite Markt für landwirtschaftliche Drohnen bis 2030 um etwa ein Fünftel wachsen, so der Marktforscher Allied Market Research.
Bedeutung von Nachhaltigkeit bei Anbau und Verarbeitung von Lebensmitteln steigt
Weitere Chancen dürften sich beim Thema nachhaltige Agrarindustrie ergeben. Marktforschungsunternehmen schätzen, dass sich die Nachfrage nach biologischen Betriebsmitteln wie Biopestiziden und weiteren ökologischen Produkten in der lateinamerikanischen Landwirtschaft bis 2029 deutlich erhöhen wird. Gerade der Anbau von Avocados, Bananen und Kaffee - wichtigen Exportschlagern Kolumbiens - könnte die Nachfrage vorantreiben.
Das deutsche Unternehmen Henkel verfolgt in Kolumbien schon jetzt Maßnahmen, um die landwirtschaftliche Produktion umweltfreundlicher zu machen. Der Konzern implementiert im Bundesstaat Bolívar Standards für die nachhaltige Gewinnung von Palmöl und hat seine Produktion zu 100 Prozent auf erneuerbare Energie umgestellt.
Messe (Stadt) | Beschreibung |
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Agroexpo (Bogotá) | Wichtige zweijährig stattfindende Landwirtschaftsmesse |
Expo Agrofuturo (Medellín) | Bedeutende Agrarmesse mit rund 350 Ausstellern |
Cafés de Colombia Expo (Bogotá) | Wichtige Kaffeemesse im Land und der Region |
Porkaméricas (Cartagena) | Messe für Schweinezucht an der Karibikküste |
Conferencia internacional sobre Palma de Aceite (Cartagena) | Internationale Veranstaltung der Palmölbranche |
Landwirtschaft wichtig für Exporte
Die Agrarwirtschaft ist ein wichtiger Devisenbringer Kolumbiens. Der Sektor steht für 7 Prozent der Gesamtexporte des Landes. Vor zehn Jahren waren es erst 4 Prozent. Kaffee, Bananen, Blumen und Palmöl sind die wichtigsten Exportprodukte, hier zählt Kolumbien zu den fünf größten Exporteuren weltweit. Zunehmend relevant werden auch nicht-traditionelle Agrarprodukte wie exotische Früchte und Avocados. Diese werfen in der Regel höhere Margen ab.
Schlechte Netzabdeckung und fehlendes Kapital bremsen Fortschritt
Trotz der vielversprechenden Tendenzen steht die Branche noch vor zahlreichen Herausforderungen. Aufwendige Technologien sind für die vielen kolumbianischen Kleinbetriebe meist zu teuer, so eine Studie des Zentrums für Industrie 4.0 (C4IR). Ein weiteres Hindernis ist die schlechte Netzabdeckung im ländlichen Raum: Hier verfügen nur knapp 29 Prozent der Haushalte über einen Internetanschluss, in den großen Städten dagegen 70 Prozent. Die schlechte Netzqualität macht zudem stärkere Antennen nötig.
Auch die relativ geringen ausländischen Direktinvestitionen im Sektor bremsen die Entwicklung. Internationale Geber finanzieren aber eine Reihe von Projekten. So sieht das Vorhaben CSICAP des Green Climate Fund und der CAF 100 Millionen US-Dollar (US$) für die Erneuerung und Stärkung der Klimaresilienz der kolumbianischen Landwirtschaft vor. Die Summe soll klimabeständige Technologien fördern, beispielsweise die genetische Verbesserung von Pflanzen.
Kolumbien plant Agrarreform
Allerdings rückt die Landwirtschaft stärker in den Fokus der Politik. Der Haushaltsplan für 2023 sieht für den Sektor mehr als 60 Prozent mehr Mittel vor als 2022. Die zusätzlichen Gelder sollen unter anderem eine umfassende Agrarreform ermöglichen. Die Regierung möchte Landflächen kaufen und an benachteiligte Landwirte verteilen. Deutsche und kolumbianische Politikvertreter besprachen im Januar 2023 eine mögliche Zusammenarbeit bei der Reform.
Präsident Gustavo Petro beabsichtigt zudem, das Land unabhängiger von Düngemittelimporten zu machen. Kolumbiens Abhängigkeit treibt die Produktionskosten mitunter in die Höhe. Ende 2022 hatte die Interamerikanische Entwicklungsbank bereits Konzeptstudien für eine Fabrik zur Produktion von nachhaltigen Düngemitteln im Land ausgeschrieben.
Kontakt | Beschreibung |
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Ministerio de Agricultura y Desarrollo Rural (Minagricultura) | Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung |
Kolumbianischer Bauernverband | |
Kolumbianisches Landwirtschaftsinstitut | |
Informations- und Kommunikationsnetz des Agrarsektors Kolumbiens | |
Kolumbianische Gesellschaft für landwirtschaftliche Forschung | |
Ländervertretung Kolumbiens der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen | |
Ländervertretung Kolumbiens des Interamerikanischen Instituts für landwirtschaftliche Kooperation |