Branchen | Kolumbien | Bauwirtschaft
Marktchancen
Obwohl der Hochbau als auch der Infrastrukturbau im vergangenen Jahr um rund ein Viertel einbrachen, wird für 2021 nur mit einer langsamen Erholung gerechnet.
18.05.2021
Von Edwin Schuh | Bogotá
Kein starkes Wachstum 2021 erwartet
Kaum ein Sektor der kolumbianischen Wirtschaft war 2020 so stark von der Pandemie betroffen wie die Bauwirtschaft. Aufgrund des landesweiten Lockdowns brach die Bauaktivität vor allem im 2. Quartal stark ein (-40,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal). Obwohl die Einschränkungen nach und nach gelockert wurden, litt die Bauwirtschaft unter geringeren Investitionen und der Aufschiebung neuer Projekte. Insgesamt brach der Sektor 2020 um 27,7 Prozent ein - deutlich stärker als die kolumbianische Gesamtwirtschaft (-6,8 Prozent). Dabei waren der Hochbau und der Infrastrukturbau in etwa gleichem Maße rückläufig.
Kennziffer | 2019 | 2020 | Veränderung 2020/19 *) |
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Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon | 17.386 | 11.164 | -27,7 |
Wohnungsbau | 8.425 | 5.449 | -27,2 |
Infrastrukturbau | 5.457 | 3.448 | -28,9 |
Wert der erbrachten Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen | 3.549 | 2.29 | -27,3 |
Genehmigte Baufläche stark gesunken
Mittelfristig gestaltet sich die Auftragslage im Hochbau als schwierig. Im Gesamtjahr 2020 fiel die für den Wohnungsbau freigegebene Fläche um ein Viertel auf 13,3 Millionen Quadratmeter. Im Wirtschaftsbau (Büro-, Gewerbe-, Industriebau) wurden 3,4 Millionen Quadratmeter an Baufläche genehmigt, rund 33 Prozent weniger als im Vorjahr. Aufgrund des niedrigen Ausgangswertes des Vorjahres erwartet die kolumbianische Kammer der Bauwirtschaft CAMACOL (Cámara Colombiana de la Construcción) dennoch positive Wachstumszahlen in 2021. Demzufolge sollen der Hochbau um 5,2 und der Infrastrukturbau um 6,9 Prozent zulegen. Beide Werte sind nach den starken Einbrüchen 2020 allerdings ernüchternd. In einem optimistischen Szenario sieht CAMACOL immerhin Zuwächse von bis zu 10 Prozent für beide Unterbereiche der Bauwirtschaft.
Von der 2020 genehmigten Baufläche entfiel 38,9 Prozent auf den sozialen Wohnungsbau VIS (Vivienda de Interés Social). Dieser Anteil war aufgrund der staatlichen Sozialprogramme im Zuge der Pandemie höher als in der Vergangenheit. Die Baukammer CAMACOL prognostiziert daher für 2021 einen Anstieg der Verkäufe von Sozialwohnungen um 7,6 Prozent auf 135.040 Einheiten. Allerdings kritisiert die Baukammer die aktuell im Kongress diskutierte, geplante Steuerreform. Nach Einschätzung der Kammer könnte die Reform den Bau von VIS-Wohnungen auf nur 26.000 Einheiten jährlich reduzieren.
Deutsche Firmen vor allem als Zulieferer tätig
Die Bauwirtschaft in Kolumbien bietet deutschen Unternehmen trotz der aktuellen Lage zahlreiche Chancen, da das Land auf ausländische Maschinen, Spezialmaterialien und Know-how angewiesen ist. Im Hochbau sind Bosch, Keuco, Duravit und Grohe wichtige Ausstatter für Hotels, Kliniken und im Luxuswohnsegment. Unternehmen wie Liebherr, Kaeser oder Peri liefern vor allem im Tiefbau Baumaschinen, Kränen und Gerüsten. Zudem besteht eine große Nachfrage nach Ingenieursdienstleistungen und Beratung, vor allem für größere Infrastrukturprojekte. Das Planungs- und Consultingbüro der Deutschen Bahn (DB Engineering & Consulting) eröffnete deshalb kürzlich eine Niederlassung in Kolumbien.
Interessante Geschäftsmöglichkeiten bestehen bei geplanten Großprojekten im Infrastrukturbereich, obwohl deutsche Firmen hier meist als Zulieferer zum Zuge kommen - weniger als Großauftragnehmer. Bei dem Infrastrukturprogramm "Vierte Generation von Konzessionen 4G" (Cuarta Generación de Concesiones), das 2014 anlief und in den kommenden Jahren fertig gestellt werden soll, beteiligte sich kein deutsches Bauunternehmen an den Ausschreibungen. Von den 29 Teilstrecken des Programms wurden zahlreiche Projekte an namhafte internationale Baufirmen wie Sacyr, Grupo Ortiz, Iridium, OHL (alle Spanien), Vinci (Frankreich), MECO (Costa Rica), Shikun Binui (Israel), Strabag (Österreich) oder Mota Engil (Portugal) vergeben, zumeist in Konsortien mit lokalen Baufirmen.
Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Projektträger |
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Fünfte Generation von Infrastrukturkonzessionen (5G) | 14,4 | 17 Autobahnen, 3 Schifffahrtsprojekte, 1 Zugstrecke, 5 Flughafenprojekte; siehe Projektliste | |
Vierte Generation von Infrastrukturkonzessionen (4G) | 13,4 | Insgesamt 29 Autobahnprojekte; Baufortschritt 54 Prozent (Stand: April 2021); 8 Projekte sollen bis Ende 2021 in Betrieb sein | |
Metrolinie 1 Bogotá | 4,3 | Bau und Betrieb vergeben an China Harbour Engineering Company, Xi'an Metro Company (beide China) und Bombardier (Kanada); Bau startete im November 2020; Inbetriebnahme 2028 geplant | |
Flughafensystem Bogotá 2050 (Sistema Aeroportuario de Bogotá SAB 2050) | 2,7 | Bestandteil des Programms 5G (siehe oben); Studien; Ausbau der Kapazität von 40 Mio. auf 80 Mio. Passagiere jährlich geplant | Nationale Infrastrukturagentur ANI; Bauunternehmen Odinsa |
Regionalbahn Regiotram del Norte (Bogotá - Zipaquirá) | 1,5 | Machbarkeitsstudien | |
Kläranlage Canoas (Bogotá) | 1,2 | Wartet auf Umweltlizenz; Vergabe 2022 und Inbetriebnahme 2026 geplant; soll 70 Prozent des Abwassers der Hauptstadt klären; Projektinformationen | |
Regiotram del Occidente (Bogotá - Facatativá) | 1,1 | Bau und Betrieb im Dezember 2019 an China Civil Engineering Construction Corporation (CCECC) vergeben; Inbetriebnahme 2023 geplant | |
Metrolinie 3 (Medellín) | 0,9 | Technische Studien; Finanzierung (30 Prozent Stadt Medellín und 70 Prozent Zentralregierung) aufgrund von Coronapandemie unsicher |
Neues Infrastrukturprogramm
Mitte 2020 gab die kolumbianische Regierung das Folgeprogramm "Fünfte Generation von Konzessionen (5G)" bekannt. Anders als das 4G-Programm umfasst die neue Initiative nicht nur Autobahnprojekte, sondern auch den Ausbau von Flughäfen, Schifffahrtswegen und einer Zugstrecke. Die Ausschreibung der Projekte soll noch 2021 anlaufen, dürfte aber einige Jahre in Anspruch nehmen. Insbesondere die Flughäfen und Schifffahrtswege erfordern mehr Technologie und werden daher interessant für deutsche Firmen sein.
Auch im öffentlichen Nahverkehr bestehen Geschäftschancen, obwohl bei dem derzeitigen Megaprojekt Metrolinie 1 in Bogotá ein chinesisches Konsortium den Zuschlag erhielt. Von deutscher Seite her hatte sich Siemens im Konsortium mit Strukton (Niederlande) und ICA (Mexiko) erfolglos beworben. Ein zweites Großprojekt in Bogotá, die Regionalbahn Regiotram del Occidente, ging ebenfalls an eine chinesische Baufirma. Dennoch besteht Hoffnung auf eine deutsche Beteiligung bei den noch ausstehenden Zuschlägen der Projekte Metrolinie 3 in Medellín und der Regionalbahn Regiotram del Norte in Bogotá.