Bericht Wirtschaftsumfeld | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Fachkräfteanwerbung aus Kolumbien
In Lateinamerika ist Kolumbien eines der wichtigsten Länder für die Fachkräftevermittlung nach Deutschland. Passende Vereinbarungen bestehen bereits - und die Nachfrage steigt.
06.09.2024
Von Janosch Siepen | Bogotá
Deutschland und Kolumbien verhandeln derzeit über ein Migrationsabkommen, um kolumbianischen Fachkräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der kolumbianischen Arbeitsverwaltung SPE besteht bereits seit einigen Jahren eine Vereinbarung zur Fachkräftevermittlung nach Deutschland. Bedingung ist, dass es in Kolumbien keinen Fachkräftemangel in den Berufen gibt, für die Deutschland um Arbeitskräfte wirbt.
Bilaterales Projekt vermittelt kolumbianische Fachkräfte nach Deutschland
Ein wichtiges Vermittlungsinstrument ist dabei das Rekrutierungsprojekt "TEAM" der BA und der SPE, mit der Auslandshandelskammer (AHK Kolumbien) als Partner. Im Jahr 2022 wurden im Rahmen der Vermittlungsabsprache mit Unterstützung durch die AHK Kolumbien 30 Fachkräfte vermittelt, 2023 waren es 60. Derzeit betreut die AHK 233 Fachkräfte. Laut Daniela Schwarzbach, Projektleiterin für Fachkräftevermittlung bei der AHK, besteht großes Potenzial in diversen Berufsgruppen. "Im Rahmen des Azubi-Projekts, bei denen Kandidaten auf eine deutsche Berufsausbildung sprachlich vorbereitet werden, haben wir bereits Kandidaten für Industriemechanik, Konstruktionsmechanik, Mechatronik und Zerspanungsmechanik vorbereitet", sagt Schwarzbach. "Dieses Jahr werden wir Unternehmen unterstützen, auch Kandidaten für die Ausbildungsberufe Berufskraftfahrer, Chemikanten, Elektroniker für Betriebstechnik, Elektroniker für Automatisierungstechnik und Fachkräfte für Hafenlogistik vorzubereiten."
Unternehmen werben Fachkräfte aus Kolumbien an
Diverse Unternehmen und Einrichtungen haben bereits Fachkräfte aus Kolumbien angeworben, darunter Deutschlands größter Vermietungskonzern Vonovia (Elektroniker:innen und Gärtner:innen) sowie durch private Anbieter die Stadt Hanau (Erzieher:innen) und ein Krankenhaus in Neumünster (Operationstechnische Assistent:innen).
Interessierte Unternehmen können sich direkt an die Bundesagentur für Arbeit wenden. Diese hat regionale Servicestellen für Arbeitgeber, die bei Anfragen an den jeweiligen Ansprechpartner der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) verweisen.
Um den Prozess zu verschlanken, versucht die AHK auch über die regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK) direkt mit interessierten Unternehmen in Kontakt zu treten. Denn ein Problem sind die langwierigen Anerkennungsprozesse und die hohen bürokratischen Hürden. Entsprechende Maßnahmen können bis zu 18 Monate dauern. Die Vermittlung einer Fachkraft kostet im Schnitt zwischen 10.000 und 13.000 Euro, so Aussagen der AHK.
Vonovia hat die Erfahrung gemacht, dass nach der Weiterbildung im Unternehmen und der Anerkennung der Qualifikation durch die IHK die Mitarbeitenden in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden konnten. Die kolumbianischen Fachkräfte hatten in Kolumbien Deutsch bis zum A2 Sprachniveau gelernt und eine Prüfung abgelegt und wurden nach der Einreise von der IHK begleitet. Vonovia habe bei Behördengängen und der Wohnungssuche geholfen, hieß es aus dem Unternehmen. Zu Beginn hatte SPE die Fachkräfte unter anderem über soziale Medien angeworben.
Gute Erfahrungen mit kolumbianischen Mitarbeitenden
Die Kandidaten sind sehr motiviert und anpassungsfähig. "Kolumbianer sind Feelgood-Manager", sagt Schwarzbach. "Aber sie sind keine Einzelkämpfer und man sollte sie nicht allein in die deutsche Provinz vermitteln." Schwarzbach empfiehlt Unternehmen, schon früh eine Bindung zu den Fachkräften aufzubauen. "Zum Beispiel einmal im Monat einen Jour Fixe zwischen einem Unternehmensvertreter und der Fachkraft vereinbaren." Das helfe, die Person kennenzulernen und langfristig an das Unternehmen zu binden. Es gebe Unternehmen, die bereits die dritte Kohorte rekrutiert haben und über WhatsApp-Gruppen das Leben in Deutschland kommunizieren. "Da sind die Fachkräfte schon vorintegriert, bevor sie eigentlich ankommen."
Brain Drain wird vermieden
Laut Schwarzbach hat die zuständige kolumbianische Behörde eine klare Vorstellung davon, wie eine faire Fachkräftevermittlung aussieht. "Die kolumbianische Arbeitsverwaltung hält die schützende Hand über die Vereinbarung und möchte über alles informiert werden", sagt Schwarzbach. Das Berufsprofil Pflegekräfte soll beispielsweise auf 300 bis 400 vermittelte Personen begrenzt werden. Hier sei die Nachfrage bislang am größten. "Gleichzeitig ist es Kolumbien daran gelegen, nicht nur aus den kolumbianischen Metropolen zu vermitteln, sondern auch aus den ländlichen Regionen, wo die Informalität noch höher ist."