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Klimastrategie mit vielen Fragezeichen
Kuwait will bis 2060 klimaneutral werden. Dennoch strebt das Emirat vor allem den Ausbau des Öl- und Gassektors an. Erneuerbare Energien kommen zu kurz.
09.03.2023
Von Robert Espey | Dubai
Im November 2022 kündigte der kuwaitische Außenminister Salem al-Sabah am Rande der United Nations Climate Change Conference (COP 27) in Ägypten an, Kuwait werde 2050 im Öl- und Gassektor CO₂-neutral sein. Das gesamte Land soll im Jahr 2060 Klimaneutralität erreichen, so der Minister. Wie Kuwait diese Ziele schaffen will, ist aber völlig unklar.
Emissionsziele unvereinbar mit Pariser Abkommen
Kuwait ist der UN-Rahmenübereinkunft über Klimaänderungen (UN Framework Convention on Climate Change/UNFCCC) im Jahr 1995 beigetreten, hat das Kyoto Protokoll 2005 und das Pariser Klimaabkommen 2018 ratifiziert. Im Rahmen der UNFCCC legte Kuwait zwei nationale Berichte (National Communications/NC) vor, den ersten Bericht im Jahr 2012 (NC1), den zweiten 2019 (NC2). Kuwait veröffentlichte 2015 eine Erklärung über Beiträge zum Klimaschutz (Nationally Determined Contributions/NDC), im Oktober 2021 folgte ein Update. Die hier formulierten Emissionsziele sind mit den Zielen des Pariser Abkommens nicht vereinbar.
Die NDC-Planung sieht für 2035 eine Reduktion des CO₂-Ausstoßes um 7,4 Prozent gegenüber dem "Business As Usual"-Szenario (BAU) vor. Das BAU-Szenario veranschlagt für 2016 die CO₂-Emissionen mit 86,3 Millionen Tonnen und kalkuliert mit einem Anstieg bis 2035 auf 142,3 Millionen Tonnen. Die angestrebte Reduktion um 7,4 Prozent ergäbe für 2035 eine Absenkung um 10,5 Millionen auf 131,8 Millionen Tonnen.
Die CO₂-Reduzierung soll vor allem durch energieeffizientere GuD-Kraftwerke (Gas- und Dampfturbinen) und eine starke Senkung des Ölanteils am Energiemix zugunsten von Gas erreicht werden. Als weitere Maßnahmen nennt der NDC-Bericht unter anderem die Nutzung erneuerbarer Energien, Effizienzsteigerungen im Stromnetz, CCS-Projekte (Carbon Capture Storage) und den Anbau von Mangrovenwäldern.
Indikator | 2019 | 2009 |
---|---|---|
Treibhausgasemissionen (in Tonnen CO₂-Äquivalent pro Kopf) | 32,5 | 36,6 |
Treibhausgasemissionen (Anteil weltweit in %) | 0,3 | 0,2 |
Emissionsintensität (in Tonnen CO₂-Äquivalent pro Millionen US$ BIP) | 1.003,6 | 973,6 |
Erneuerbare Energien (Anteil am Primärenergieangebot in %) | 0,1 *) | 0,0 **) |
Starker Anstieg der Öl- und Gasproduktion geplant
Kuwait hält an seinen langfristigen Plänen zur Ausweitung der Öl- und Gasproduktion fest. Das ursprüngliche Kapazitätsziel für 2040 wurde jedoch von 4,75 Millionen auf 4 Millionen bpd (barrel per day) gesenkt. Bis 2025 soll die Kapazität von derzeit etwa 3 Millionen auf 3,5 Millionen bpd wachsen.
Die Gasförderung soll bis 2030 eine Kapazität von 113 Millionen Kubikmeter pro Tag erreichen. In den letzten Jahren war die Gasförderung allerdings rückläufig. Nach OPEC-Angaben sank die Gasproduktion zwischen 2018 und 2021 von durchschnittlich 48,6 Millionen auf 34,9 Millionen Kubikmeter pro Tag. Die für Öl und Gas genannten Ziele schließen die Produktion in der mit Saudi-Arabien geteilten "Neutralen Zone" ein.
Kuwait kann seinen Gasbedarf nicht durch eigene Förderung decken und importiert deshalb seit 2009 LNG (Liquefied Natural Gas). Ein neuer LNG-Terminal wurde Mitte 2021 eröffnet und arbeitet seit Februar 2022 im Vollbetrieb. Die Anlage kann jährlich bis zu 22 Millionen Tonnen LNG verarbeiten.
Erneuerbare Energien weiterhin unbedeutend
Der Ölsektor will durch verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien seine CO₂-Emissionen senken. Die Kuwait Oil Company (KOC) hat 2015 im Umm-Gudair-Ölfeld eine 10 Megawatt PV-Anlage (Fotovoltaik) in Betrieb genommen. Die Kuwait National Petroleum Company (KNPC) gab 2020 den Plan auf, ein 1,5-Gigawatt-PV-Kraftwerk zu bauen. Für das 1,2-Milliarden-US$-Projekt lagen seit Frühjahr 2019 Angebote von Unternehmen aus China, Spanien und Griechenland vor.
Derzeit läuft eine KOC-Ausschreibung für ein auf 50 Millionen US$ kalkuliertes Windprojekt. Laut Projektdatenbank MEED Projects haben sich fünf ausländische Firmen präqualifiziert, darunter die Unternehmen Eno Energy aus Rostock und Vensys Energy aus Neunkirchen. Die anderen möglichen Anbieter sind China Power, Vestas (Dänemark) und Elcnor (Spanien). Die Bewerbungsfrist wurde bis 20. März 2023 verlängert.
Das Energy Transformation Committee der KOC veranstaltete im Januar 2023 ein erstes Kick-off-Meeting mit Worley Consulting (Australien). Dabei wurde mit Worley eine Vereinbarung über eine Durchführbarkeitsstudie zum Bau eines großen Solar- und/oder Windkraftwerks getroffen, das die KOC versorgen soll.
Im Februar 2023 schrieben KNPC und Kuwait Integrated Petroleum Industries Beratungsleistungen aus, die die Nutzung erneuerbarer Energien beim Betrieb ihrer Anlagen evaluieren. Fünf ausländische Firmen wurden zur Abgabe von Angeboten aufgefordert, darunter Technip aus Frankreich und Worley. Unter anderem sollen Durchführbarkeitsstudien erstellt werden.
Erneuerbare Energien haben in Kuwait mit aktuell 70 Megawatt einen Anteil von 0,3 Prozent an den Kraftwerkskapazitäten. Der Beitrag zur Stromerzeugung ist verschwindend gering. Die offizielle Statistik weist für 2021 die Solarstromproduktion mit lediglich 0,2 Millionen Megawattstunden aus. Die gesamte Stromerzeugung wird mit 81 Millionen Megawattstunden angegeben.
Als Ziel für 2020 hatte Kuwait einen Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von 5 Prozent anvisiert. Für 2030 werden 15 Prozent angestrebt. Gemäß Planungen der Regierung müssten zur Realisierung dieser Quote bis 2030 die Solar- und Windkraftkapazitäten auf 4,5 bis 5 Gigawatt steigen.
Der Großteil der kalkulierten Solar- und Windkraftkapazitäten entfällt auf das Shagaya-Projekt, das im Jahr 2014 nach langem Planungsvorlauf gestartet war. Die 1. Phase schloss 2018 mit einem 50-Megawatt-CSP-Kraftwerk (Concentrated Solar Power), einer 10-Megawatt-PV-Anlage und einem 10-Megawatt-Windkraftwerk ab. Betreiber der 1. Phase ist das Ministry of Electricity, Water and Renewable Energy (MEW) zusammen mit dem Kuwait Institute for Scientific Research. Fichtner wurde als Berater engagiert.
Die nächste Ausbaustufe des Shagaya-Projekts soll über eine Kapazität von 3 Gigawatt verfügen. Alle Technologien (PV, CSP, Wind) sind im Gespräch. Die Realisierung soll durch private Investoren erfolgen, die mit dem MEW einen Stromabnahmevertrag über 25 Jahre schließen. Ein Beratervertrag wurde im Sommer 2022 mit Ernst & Young unterzeichnet.
In Kuwait sind weiterhin keine Projekte zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in Planung. Anfang 2021 hat ein staatlich geförderter Think Tank, die Kuwait Foundation for the Advancement of Sciences, ein Papier mit dem Titel "Towards a Hydrogen Strategy for Kuwait" vorgelegt. Dort wird eine parallele Entwicklung von blauer und grüner Wasserstoffproduktion vorgeschlagen. Zur Herstellung von grauem beziehungsweise blauem Wasserstoff muss Kuwait aufgrund zu geringer Gasvorkommen auf Öl oder Ölerzeugnisse zurückgreifen. |