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Wirtschaftsumfeld | Litauen | Wirtschaftsstruktur

Logistikbranche sticht aus litauischer Wirtschaftsstruktur hervor

Noch liegen die Arbeitskosten in Litauen auf einem vergleichsweise geringen Niveau. Nirgendwo in der EU steigen sie jedoch so schnell wie in dem baltischen Land.

Von Niklas Becker | Helsinki

Litauen ist mit 2,7 Millionen Einwohnern im europäischen Vergleich zwar klein, aber gleichzeitig der größte Absatzmarkt unter den drei baltischen Ländern. Anders als in Estland und Lettland kommen in Litauen auch Regionen abseits der Hauptstadt eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung zu. Das Land profitiert von einer direkten logistischen Anbindung an Polen.

Seit dem EU-Beitritt im Jahr 2004 hat die litauische Volkswirtschaft eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg zwischen 2004 und 2023 preisbereinigt um 73,7 Prozent. Damit wuchs Litauens Wirtschaft stärker als die der anderen beiden baltischen Staaten. Hier lag der Zuwachs bei rund 50 Prozent.

 

2,7 Mio.

Personen lebten 2023 im Land.

Quelle: Vereinte Nationen 2024

72 Mrd.

Euro betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023.

Quelle: Eurostat 2024

24.988

Euro machte das BIP pro Kopf damit 2023 aus.

Quelle: Internationaler Währungsfonds 2024

Rang 43

belegte das Land 2023 unter den deutschen Exportzielen.

Quelle: Destatis 2024

Rang 34

nimmt das Land im Corruption Perceptions Index 2023 ein (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2024

0,2 %

betrug die Analphabetenquote im Jahr 2021.

Quelle: Weltbank 2024

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt

Deutlichster Zuwachs der Arbeitskosten im EU-Vergleich

Litauen verliert aus Sicht der deutschen Investoren im Land an Attraktivität. Das zeigt die von der Deutsch-Baltischen Handelskammer (AHK Baltikum) im Frühjahr 2024 durchgeführte Konjunkturumfrage. Nur bei zwei der insgesamt 25 Standortkriterien sehen die befragten Firmen im Land eine Verbesserung. Bei 18 Faktoren habe sich die Situation verschlechtert. 

Am deutlichsten fällt der Rückgang bei der Verfügbarkeit von Fachkräften aus. Es ist zugleich das am schlechtesten bewertete Standortkriterium. Im Schnitt vergaben die Unternehmen die Schulnote 3,13. Das Kriterium Arbeitskosten landet mit einer 3,0 auf dem 24. Platz. Mehr als jeder zweite befragte Betrieb nannte die Arbeitskosten sowie den Fachkräftemangel zudem als Risiko für die zukünftige Unternehmensentwicklung.

Zwar liegen die litauischen Arbeitskosten weiterhin unter dem EU-Durchschnitt (2023: 14,80 Euro pro Arbeitsstunde versus 31,60 Euro), sie steigen allerdings merklich an. Und das deutlich stärker als in allen anderen EU-Staaten. Zwischen 2020 und 2023 legten sie in Litauen nach Zahlen von Eurostat um 43,7 Prozent zu - Europäischer Spitzenwert. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt lag der Zuwachs bei 12,5 Prozent. Estland verzeichnete einen Anstieg um 28,9 und Lettland um 23,2 Prozent. Und: Laut Prognosen der Europäischen Kommission werden die litauischen Arbeitskosten auch 2024 und 2025 deutlicher steigen als die estnischen und lettischen. 

SWOT-Analyse Litauen

S

Stärken Strengths

  • Gute Ostseelage zwischen Polen, Lettland, Estland, Nordeuropa und GUS
  • EU-, Euroraum- und Nato-Mitglied
  • Sieben Freihandelszonen mit deutlichen Steuervergünstigungen
  • Im EU-Vergleich noch niedrige Arbeitskosten bei hoher Produktivität
  • Verfügbarkeit von EU-Fördermitteln
W

Schwächen Weaknesses

  • Kleiner Binnenmarkt mit rund 2,7 Mio. Einwohnern
  • Zunehmender Fachkräftemangel
  • Hohe Abhängigkeit von Energieimporten
  • Starke Bedeutung von Industrien mit geringer Wertschöpfung
  • Unprofessionelle öffentliche Ausschreibungen 
O

Chancen Opportunities

  • Investitionen der Industrie zur Verbesserung der Energieeffizienz
  • Weiterentwicklung der Industrie durch ausländische (auch deutsche) Investoren
  • Verbesserte Schienenanbindung durch Rail-Baltica-Projekt
  • Regierungsziele zum Aufbau eigener Stromproduktion
  • Potenzial zum Nearshoring und als Beschaffungsmarkt
T

Risiken Threats

  • Steigendes Ausmaß der Schattenwirtschaft
  • Abhängigkeit von EU-Fördermitteln
  • Berufsausbildung teilweise am Markt vorbei
  • Stromnetz ist Teil des russischen BRELL-Systems (Abkopplung ist für Frühjahr 2025 geplant)
  • Druck auf Wettbewerbsfähigkeit durch anhaltende Lohnsteigerungen

Das Ausmaß der Schattenwirtschaft in Litauen wächst weiter. Laut von der Stockholm School of Economics in Riga veröffentlichtem "Shadow Economy Index for the Baltic Countries" lag der Anteil 2023 bei 26,4 Prozent des BIP. Es ist der höchste litauische Wert seit Beginn der Veröffentlichung 2009. Außerdem fällt das Ausmaß in Litauen damit erstmals größer aus als in Lettland (22,9 Prozent; Estland 17,9 Prozent).

Heimische Energieproduktion rückt in den Fokus

Deutlich an Bedeutung gewinnt der litauische Energiesektor. Im Jahr 2023 importierte Litauen die Hälfte seines Strombedarfs. Ab 2030 will das Land allerdings 70 Prozent seines Bedarfs durch die heimische Produktion decken und langfristig sogar Strom an andere EU-Länder exportieren. In Zukunft ist daher mit verstärkten Investitionen in die Energieproduktion - vor allem in die erneuerbaren Energien - zu rechnen. Dabei rückt vor allem die Offshore-Windenergie stärker in den Fokus. Ein Unterseekabel könnte die litauischen Offshore-Parks direkt mit Deutschland verbinden. Dieses Kabelprojekt befindet sich allerdings noch in einem sehr frühen Stadium. 

Schätzungen zufolge werden für Litauens Energiewende Investitionen von mehr als 70 Milliarden Euro benötigt. Unterstützung beim Aufbau heimischer Stromerzeugungskapazitäten bekommt Litauen von der EU. Anfang Dezember 2023 unterzeichnete das baltische Land eine neue Vereinbarung mit der Europäischen Kommission, die zusätzliche Fördermittel im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität in Höhe von 1,75 Milliarden Euro sichert; 550 Millionen Euro davon sind für Investitionen in erneuerbare Energiequellen vorgesehen.

Eine überdurchschnittlich große Rolle spielt in Litauen der Logistiksektor. Mehr als jeder zehnte Euro wird von diesem Wirtschaftszweig generiert. In keinem anderen EU-Land kommt der Logistikbranche in den letzten Jahren konstant eine so große Bedeutung zu. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen profitiert Litauen von seiner geografischen Lage zwischen Polen, Lettland, Estland, Nordeuropa und den GUS-Staaten. Aber auch die litauischen Logistikfirmen haben großen Anteil an dieser Entwicklung: Sie haben sich auf internationale Transporte spezialisiert. So zählt beispielsweise die Unternehmensgruppe Girteka mit Sitz in Vilnius zu den größten Logistikfirmen in Europa. 

Bedeutung der Wirtschaftszweige in Litauen Anteile in Prozent

Sektoren

Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022

Anteil an den Beschäftigten 2022

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

4,4

5,4

Verarbeitendes Gewerbe

17,9

15,6

Energieversorgung

2,4

0,9

Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen

0,8

0,9

Baugewerbe

6,9

8,2

Verkehr und Lagerei 

11,4

7,9

Information und Kommunikation 

4,4

4,1

Quelle: Statistics Lithuania 2024; Eurostat 2024

Zu den bedeutendsten Sektoren im litauischen verarbeitenden Gewerbe zählt die Nahrungsmittelherstellung. Auch die Holzindustrie und die Möbelherstellung sowie die Chemieindustrie haben eine große Bedeutung. Aus deutscher Sicht sind zudem die Metallindustrie sowie der Maschinenbau sehr interessant: Litauen eignet sich aufgrund seiner geografischen Lage, gut ausgebildeter Fachkräfte sowie weiterhin niedrigerer Arbeitskosten als in Deutschland als Beschaffungsmarkt für deutsche Unternehmen. 

Auch Regionen abseits der Hauptstadt spielen eine Rolle

Litauens Hauptstadtregion ist in Bezug auf die wirtschaftliche Bedeutung die unangefochtene Nummer 1. Anders als in den beiden anderen baltischen Staaten liegt Vilnius nicht an der Ostsee. Zudem haben in Litauen auch andere Regionen eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung. In Estland und Lettland ist das weniger der Fall. 

Die Stadt Kaunas beheimatet eine Reihe von Produktionsbetrieben. Dort ist unter anderem der deutsche Automobilkonzern Continental ansässig. In der Hafenstadt Klaipėda befindet sich Litauens Terminal für Flüssigerdgas (LNG). Dieses hat spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine für alle Länder in der Region eine große Bedeutung, da es die Gasversorgung der Länder gesichert hat. 

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