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Geber finanzieren Überlandleitungen und Solarstromanlagen
Madagaskars Stromversorgung muss dringend ausgebaut werden. Das gilt sowohl für das Jirama-Netz als auch für netzungebundene Lösungen. Geschäftschancen sind vorhanden.
14.03.2023
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Madagaskars Stromsektor dürfte deutschen Unternehmen in den kommenden Jahren regelmäßig Geschäftsmöglichkeiten bieten. Dazu zählen die technische Beratung, Zulieferung von technischen Komponenten sowie der Aufbau von Inselnetzen in entlegenen Regionen. Der Bedarf an Investitionen ist hoch, denn die Insel im Indischen Ozean zählt weltweit zu den Ländern mit geringer Stromversorgung. Schätzungen variieren, nur zwischen 17 und 23 Prozent der Menschen sollen Zugang zu Strom haben. Auf dem Land liegt die Rate noch deutlich darunter.
Investitionsstau aufgrund der politischen Krise
Die von 2009 bis 2014 andauernde politische Krise hat auch die Weiterentwicklung des Stromsektors in Madagaskar verzögert. Die seit dem Jahr 2019 amtierende Regierung unter Präsident Andry Rajoelina tut sich schwer, dringende Reformen und Investitionen im Sektor durchzuführen. Fortschritte bei der Stromversorgung sind aber unerlässlich, angesichts eines Bevölkerungswachstums von jährlich etwa 700.000 Menschen und großem Nachholbedarf bei der Elektrifizierung.
Die größten Investitionen im Stromsektor werden von ausländischen Geberorganisationen finanziert, wie der Weltbank, der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) und der Europäischen Investitionsbank (EIB). Derzeit fließen Gelder vor allem in den Bau von Überlandleitungen sowie in die Solarstromversorgung in ländlichen Gebieten. Wegweiser für die von der Regierung geplanten Aktivitäten im Energiesektor ist das im September 2015 veröffentlichte Lettre de Politique de l’Énergie de Madagascar 2015-2030 (NPE), dass die Elektrifizierung von 70 Prozent der Bevölkerung bis 2030 zum Ziel erklärt. Laut der NPE-Strategie sollen bis zum Jahr 2030 etwa 3.400 Megawatt an Wasserkraft installiert sein.
Der marode staatliche Stromversorger Jirama ist der größte Einkäufer von Komponenten und Dienstleistungen. Jirama ist für alle Bereiche (Erzeugung, Übertragung und Verteilung) zuständig und betreibt Kraftwerke mit einer Erzeugungskapazität von etwa 550 Megawatt, davon etwa 160 Megawatt Wasserkraft. Die Kapazität thermischer Energie liegt derzeit bei rund 390 Megawatt und soll aufgrund der hohen Kosten reduziert werden.
Projektbezeichnung | Investitionssumme | Projektstand | Projektträger |
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Sahofika Wasserkraftwerk (200 Megawatt; MW) | 895 Mio. US$ | Geplant; ein Stromabnahmevertrag mit der madagassischen Regierung wurde 2021 unterzeichnet | Konsortium: Nouvelle Energie Hydroélectrique de l’Onive (NEHO) mit Anteilseignern Eranove, Eiffage (beide Frankreich) und Neo Themis (Marokko) |
Volobe Wasserkraftwerk IPP (120 MW) | 300 Mio. Euro | Geplant; angestrebter Baubeginn ist 2023 | Konsortium: Compagnie Générale d’Hydroélectricité de Volobe (CGHV) mit Anteilseignern Axian Group, SN Power (Norwegen), Africa50 und Colas (Frankreich) |
(Stromübertragungsleitung von Toamasina nach Antananarivo) | 203 Mio. Euro | Geplant; Ausschreibungen wurden veröffentlicht | |
(Stromübertragungsleitung von Antsirabé nach Antananarivo) | 100 Mio. Euro | Geplant; Ausschreibungen könnten ab 2024 veröffentlicht werden |
Der Staat öffnet sich auch für privates Engagement in Form von Independent Power Producer (IPP) oder Public-private-Partnership (PPP). Zwei größere Wasserkraftwerke, Sahofika und Volobe, die in das Jirama-Netz einspeisen sollen, werden derzeit von IPP-Konsortien geplant und sollen von diesen auch gebaut und betrieben werden. Sie kommen jedoch nur langsam voran. Gleiches gilt für kleinere Wasser- und solarbetriebene Anlagen. Derartige Anlagen, die ins Netz einspeisen sollen, werden von Jirama ausgeschrieben, ab einer gewissen Größe auch vom Energieministerium MEH.
Off-Grid-Lösungen spielen eine wichtige Rolle
Weil das Jirama-Stromnetz nur über eine geringe Ausbreitung verfügt, spielt die Entwicklung von Mini-Grids (vor allem in Dörfern) und Isolated Grids (in den größeren Regionalstädten) eine wichtige Rolle. Bei beiden soll ein Markt für private Investitionen entwickelt werden, mit Unterstützung von Gebern wie der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Agence française de développement (AFD). Problematisch sind die in Madagaskar immer noch hohen Gestehungskosten: Bei Mini-Grids kommt es immer wieder zu Ausschreibungen seitens der Agence de Développement de l'Electrification Rurale (ADER) für mehr als 100 Dörfer. Diese Größenordnung macht die Projekte auch für ausländische Investoren interessant.
Bevorzugt werden komplette Lösungen inklusive Finanzierung, Installierung und Betrieb im Rahmen von PPP (Build-Operate-Transfer (BOT)-Verfahren). Anbieter sind überwiegend kleinere Unternehmen zum Teil aus dem Ausland, bei denen Kapital das größte Problem ist. Auch die deutschen Anbieter Africa Greentec und Autarsys sind in diesem Bereich präsent. Führend ist die zur Axian-Group gehörende WeLight, die im Januar 2023 eine Finanzierung über 19 Millionen Euro von der EIB und anderen Finanziers für die Entwicklung von mehr als 120 Mini Grids erhalten hat.
Eine Nummer größer als Mini-Grids sind die Isolated Grids in den größeren Regionalstädten wie Toliara (im Südwesten) und Mahajanga (im Nordwesten). Die dortigen überwiegend von thermischen Kraftwerken mit einer Größe von fünf bis zehn Megawatt gefütterten Netze sollen mit dem zusätzlichen Einspeisen von Solarstrom hybridisiert werden. Private kapitalstarke Unternehmen wie Tozzi Green und die Filatex-Gruppe investieren als Independent Power Producer in Solarparks.
Photovoltaik-Anlagen anstelle von Dieselgeneratoren
Auch Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Tourismus und Bergbau, wollen vermehrt ihre Dieselgeneratoren durch Photovoltaik-Aufdachanlagen ersetzen. Gefragt sind Gesamtkonzepte inklusive Finanzierung und Betrieb. Auch hier unterstützt die GIZ unter anderem mit technischen Studien und Beratung. Interessant sind in diesem Zusammenhang Fördermöglichkeiten für deutsche Zulieferer im Rahmen des Project Development Programs (PDP) seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Solarpanels sowie Inverter und Batterien für Photovoltaik-Anlagen können zollfrei nach Madagaskar importiert werden.
Für Unternehmen, die im madagassischen Energiesektor aktiv werden möchten, ist lokale Präsenz wichtig. Aufgrund der geringen Marktgröße sind viele Firmen über einen lokalen Partner präsent, der über gute Beziehungen in die Institutionen des Stromsektors verfügt. In Madagaskar etablierte lokale Akteure sind unter anderem Henri Fraise Fils & Cie., Electricité de Madagascar (EDM) und Oceantrade. Nur wenige ausländische Unternehmen sind mit einem eigenen Büro vor Ort, wie die französische Schneider Electric.
Bezeichnung | Anmerkungen |
Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Portal der Exportinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz | |
Staatliche Investitionsfördergesellschaft; Ansprechpartner: Menja Andriamampianina | |
Energieministerium koordiniert die Entwicklung und die operativen Tätigkeiten im Bereich Energie | |
Agence de Développement de l’Electrification Rurale (ADER) | Staatliche Agentur für die Förderung der ländlichen Elektrifizierung |
Staatlicher Stromversorger | |
Stromregulierungsbehörde |