Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Markets International 4/24 I Malaysia I Interview

"Kein Nullsummenspiel"

Der Handelsminister von Malaysia, Zafrul Aziz, besuchte im März 2024 Deutschland. Im Exklusivinterview erklärt er, warum Malaysia ein guter Standort für deutsche Unternehmen ist. Und was es für ein Freihandelsabkommen mit der EU braucht.

Von Niklas Mahlke | Berlin

 

Reger Austausch: GTAI-Redakteur Niklas Mahlke (rechts) im Gespräch mit Malaysias Handelsminister Zafrul Aziz. Reger Austausch: GTAI-Redakteur Niklas Mahlke (rechts) im Gespräch mit Malaysias Handelsminister Zafrul Aziz. | © Minister’s Office/MITI Malaysia

Herr Minister, welchen Eindruck nehmen Sie von Ihrer Deutschlandreise mit?

Zafrul Aziz: Der Premierminister und ich haben uns in den vergangenen Tagen mit 28 Unternehmen getroffen. Viele von ihnen sind schon seit etwa 50 Jahren in Malaysia ansässig. Es gibt aber auch einige, die sich jetzt Länder der ASEAN-Region anschauen, weil sie weg von China wollen. Ein Ziel unseres Besuches war es, diese Unternehmen zu treffen. Wir konnten in Malaysia aufgrund der Handelsspannungen zuletzt große Investitionsströme verzeichnen und feststellen, dass das Interesse europäischer, insbesondere deutscher sowie amerikanischer Unternehmen gestiegen ist.

 

Warum sollten sich deutsche Unternehmen für Malaysia entscheiden? 

Wenn Sie europäische Investoren nach den größten Vorteilen Malaysias befragen, dann sagen sie: Der erste Vorteil ist die Verfügbarkeit von Energie und die Bewegung hin zu sauberer Energie. Nummer zwei ist Talent. Unsere Bevölkerung spricht hauptsächlich Englisch und hat Erfahrung in den relevanten Sektoren. Drittens hat die ASEAN-Region eine Bevölkerung von 680 Millionen Menschen. Es ist die wirtschaftlich am schnellsten wachsende Region der Welt. Die Unternehmen gehen also dorthin, um die Lieferkette neu auszurichten und zu diversifizieren. Nicht um ihr Chinageschäft zu schließen, sondern ihre Aktivitäten in ASEAN zu erweitern. 

In welchen Industrien sehen Sie mögliche Synergien zwischen deutschen und malaysischen Unternehmen?

Wir sind schon mehr als 50 Jahre in der Halbleiterindustrie tätig. Wir haben einen Weltmarktanteil von 14 Prozent und gehören zu den fünf größten Akteuren der Welt. Deshalb kommen große Unternehmen wie Intel zu uns, und natürlich auch deutsche Unternehmen wie Infineon. Ich habe einige Unternehmen aus dem Automobilsektor getroffen, darunter Volkswagen und BMW, die beide eine große Präsenz in Malaysia haben. Sie treiben dort Forschung und Entwicklung und wollen Malaysia zu einem Hub für Elektrofahrzeuge machen, weil ein großer Teil der Lieferkette schon vorhanden ist. Ein weiterer Sektor, in dem wir stark aufgestellt sind, ist die Medizintechnik – zum Beispiel ist die deutsche B. Braun in Malaysia vertreten.

Die EU hat sich Klimaneutralität bis 2050 zum Ziel gesetzt. Ein Baustein dafür ist ein CO2-Preis für importierte Güter, der Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM. Bereiten malaysische Unternehmen sich darauf vor?

Ja, die EU ist da frühzeitig auf uns zugekommen. Das betrifft aktuell etwa zwei, drei Prozent unserer Waren, Tendenz steigend. Für die größeren Unternehmen ist es einfacher, aber die kleineren Unternehmen müssen sich vorbereiten, sonst werden sie verlieren. Denn es geht nicht nur um den Marktzugang, sondern auch um die Lieferkette. Einige Sektoren sind besser vorbereitet als andere. Wir müssen also beim Kapazitätsaufbau und auch beim Übergang dazu helfen. Aber: Malaysia hat ebenfalls ein Netto-Null-Ziel bis 2050.

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Malaysia liegen seit zwölf Jahren auf Eis. Was muss passieren, damit das Freihandelsabkommen weiter verhandelt werden kann?

Seit dem vergangenen Jahr haben wir wieder Sondierungsgespräche geführt, um bestehende Lücken in der Handels- und Investitionspolitik zu ermitteln und um über Möglichkeiten nachzudenken, die beide Seiten bei einer Wiederaufnahme der Verhandlungen nutzen können. In diesen zwölf Jahren haben sich die EU und Malaysia weiter auseinanderentwickelt: was den raschen technologischen Fortschritt in der EU angeht, außerdem Handel und Investitionen. Aber wir sind zuversichtlich, dass diese Unterschiede in Bereiche von gemeinsamem Interesse umgewandelt werden können, in denen wir zusammenarbeiten können. Wir glauben, dass ein Freihandelsabkommen kein Nullsummenspiel ist. Im Wesentlichen sollte ein Freihandelsabkommen nicht nur die Vorteile für bestimmte Segmente des Unternehmensökosystems untersuchen, wie multinationale Konzerne, sondern auch die Frage beantworten, wie kleine und mittlere Unternehmen von der Symbiose und den Synergien mit ihren EU-Kollegen lernen und profitieren können.

Offensichtlich gibt es von der EU-Seite ein enormes Interesse daran, ein Freihandelsabkommen zu unterzeichnen, ähnlich wie das bei Vietnam und Singapur schon der Fall ist. Würden Sie sagen, Malaysia ist genauso interessiert?

Die Zunahme des Handels zwischen der EU und Vietnam hat Vietnam zum wichtigsten Partner der EU in der Region für den Warenhandel werden lassen. Es ist der zweitwichtigste ASEAN-Partner der EU für den Handel mit Waren und Dienstleistungen nach Singapur. Als Land mit einer Außenhandelsquote von 147 Prozent ist für uns jede Gelegenheit, unsere Märkte zu vergrößern und zu erweitern, von Vorteil. Wie bereits erwähnt, müssen wir jedoch sicherstellen, dass das Freihandelsabkommen sowohl der EU als auch Malaysia gleichermaßen zugutekommt

Große Pläne 

Malaysias New Industrial Masterplan 2030 (NIMP 2030) ist die aktuelle Industriestrategie der malaysischen Regierung. Das Strategiepapier definiert fünf Prioritätssektoren: Luft- und Raumfahrt, Chemie, Elektronik und Elektrotechnik, Pharmazeutik und Medizintechnik. Um diese und andere Sektoren auszubauen, setzt das Land insbesondere auf ausländische Direktinvestitionen.

Auch mit der National Energy Transition Roadmap (NETR) verfolgt die malaysische Regierung ambitionierte Ziele: Bis zum Jahr 2035 soll der Erneuerbarenanteil der installierten Kapazität beim Strommix 40 Prozent, im Jahr 2050 sogar 70 Prozent betragen. Die benötigten Investitionen für die Energiewende bis 2050 werden auf etwa 253 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Regierung will dafür auch vermehrt ausländische Direktinvestitionen anziehen.

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