Rechtsbericht | Marokko | Gesellschaftsrecht
Gesellschaftsrecht in Marokko
Die maßgeblichen rechtlichen Vorschriften sind das HGB, Gesetz Nr. 17/1995 (geändert durch Gesetz Nr. 20/2005) und Gesetz Nr. 5/1996 (geändert durch Gesetz Nr. 24/2010).
05.05.2022
Von Jakob Kemmer, Sherif Rohayem, Niko Sievert
Marokkanische Mitgesellschafter sind grundsätzlich nicht erforderlich und ausländische Unternehmen können sich zu 100 Prozent an inländischen Unternehmen beteiligen.
Aktiengesellschaft
Gründung
Die S.A. entspricht im Prinzip einer deutschen Aktiengesellschaft und ist im Gesetz über Aktiengesellschaften (Gesetz Nr. 17-95 in der durch Gesetz Nr. 78-12 geänderten Fassung - AktG) geregelt. Das Mindestkapital beträgt 300.000 MAD, falls die Aktien an der Börse gehandelt werden, sind es drei Millionen MAD (Art. 6 AktG). Gemäß Art. 1 Abs. 3 AktG sind zur Gründung einer SA mindestens fünf Gesellschafter erforderlich, deren Haftung auf die Einlage beschränkt ist (Art. 1 Abs. 3 AktG). Sie ist vom Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister eine juristische Person, infolgedessen sie Trägerin von Rechten und Pflichten ist, klagen und verklagt werden kann (Art. 7 AktG). Es gibt zwei organisatorische Modelle für die Führung und Kontrolle einer S.A:
- die société à conseil d'administration, geregelt in den Art. 39 bis 76 AktG, sowie
- die société à directoire et à conseil de surveillance, geregelt in den Art. 77 bis 105 AktG.
Organe der Aktiengesellschaft
Beiden Alternativen gemein ist die Existenz einer Gesellschafterversammlung (assmemblée générale). Diese wählt in jedem Fall die Mitglieder des Verwaltungsrates (conseil d’administration). Die Mitglieder des Verwaltungsrates (zwischen drei und 12 beziehungsweise 15 bei einer börsennotierten AG, Art. 39 Abs. 1 AktG) werden als administrateurs bezeichnet und für einen Zeitraum von maximal drei Jahren (durch Gesellschaftsvertrag) beziehungsweise maximal sechs Jahren (durch die ordentliche Gesellschafterversammlung) bestellt, Art. 40 und 48 AktG. Auch juristische Personen können als administrateur bestimmt werden und werden dann durch eine von ihr zu bestimmende natürliche Person, welche den gleichen Pflichten unterliegt wie sonstige administrateurs, vertreten (Art. 42 AktG). Die administateurs wählen gemäß Art. 63 AktGG einen Präsidenten (président du conseil d’administration).
Innerhalb des Organisationsmodells des Verwaltungsrats kann dieser die Geschäftsführung selbst ausüben. In diesem Fall des zweigliedrigen Systems übernimmt die Geschäftsführung der Präsident (président de conseil d’administration) und wird dann als président directeur général bezeichnet (Art. 67 AktG). Ihm können sogenannte directeurs généraux zur Seite gestellt werden. Letztere können, müssen aber nicht dem Verwaltungsrat angehören oder Aktionäre sein. Dabei ist zu beachten, dass die Zahl der Verwaltungsratsmitglieder, die keine Funktion als président oder directeur général wahrnehmen, oder die Angestellte der S.A. sind, größer sein muss, als die Zahl derer, die solche Positionen bekleiden (Art. 67 Abs. 1 Alternative 1 AktG).
Alternativ dazu kann die Geschäftsführung an einen directeur général übertragen werden (Art. 67 Abs. 1 Alternative 2 AktG). Das AktG überantwortet dem Verwaltungsrat sowohl Leitungs- als auch Kontrollaufgaben, so dass er daher als Mischform des im deutschen Aktienrecht bekannten Vorstand und Aufsichtsrat angesehen werden kann. Vorbehaltlich der Befugnisse der Gesellschafterversammlung gibt der Verwaltungsrat die unternehmerischen Leitlinien vor und wacht über deren Umsetzung (Art. 69 AktG).
Dieses Organisationsmodell, geregelt in den Art. 77 ff. AktG, entspricht im Wesentlichen dem aus dem deutschen Recht bekannten Aufbau einer Aktiengesellschaft: Der Aufsichtsrat (conseil de surveillance) ernennt und kontrolliert den Vorstand (directoire), dem die Leitung und Geschäftsführung der S.A. übertragen ist (Art. 78 und 79 AktG und Art. 102 und 104 AktG). Mitglieder des Aufsichtsrats müssen Aktionäre sein (Art. 84 AktG). Neben natürlichen Personen kann auch eine juristische Person Aufsichtsratsmitglied sein (Art. 88 AktG).
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Die S.A.R.L. ist vergleichbar mit einer deutschen GmbH und unterliegt dem Gesetz Nr. 5-96, geändert durch das Gesetz Nr. 20-19 vom 26. April 2019 über Personengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Joint Ventures (GesG). Es ist möglich, eine Ein-Mann-Gesellschaft zu gründen (Art. 44 Abs. 1 GesG), diese darf dann aber keine weitere Ein-Mann-Tochtergesellschaft gründen (Art. 49 GesG). Die maximale Anzahl der Gesellschafter beträgt 50. Wird diese Zahl überschritten, muss die S.A.R.L. in eine S.A. umgewandelt werden (Art. 47 Abs. 1 GesG).
Mit der Gesetzesüberarbeitung durch Loi no. 24-10 ist kein Mindestkapital mehr erforderlich (zuvor war ein Mindestkapital von 10.000 MAD vorgesehen (Art. 46 Abs. 1 GesG a.F.). Gemäß dem neu gefassten Art. 46 GesG können die Gründer über die Höhe des Stammkapitals frei entscheiden. Dieses müssen sie in gleichwertige Gesellschaftsanteile aufteilen.
Zweigniederlassungen
Anders als die eigenständigen Gesellschaftsformen S.A. und S.A.R.L. haben Zweigniederlassungen keine eigene Rechtspersönlichkeit. Die ausländische Gesellschaft haftet also vollumfänglich für die Verbindlichkeiten der Zweigniederlassung. Die Zweigniederlassung (succursale) muss im Handelsregister registriert werden (Art. 41 HGB). Die Registrierung gleicht der von S.A. und S.A.R.L. Zudem wird sie in steuerlicher Hinsicht wie eine eigenständige marokkanische Gesellschaft behandelt, nur die Gründungskosten sind etwas niedriger.
Repräsentanz
Eine Repräsentanz kann, wie üblich, keine eigene geschäftliche Tätigkeit entfalten (insbesondere also keine Einnahmen erzielen) und dient vornehmlich der Kontaktpflege mit den Kunden vor Ort, zur Anbahnung von Geschäftsabschlüssen oder dem Sammeln von Informationen.