Rechtsbericht | Marokko | Rechtsverfolgung
Rechtsverfolgung in Marokko
Einen ersten Überblick über die Rechtsverfolgung in Marokko erhalten Sie hier.
05.05.2022
Von Jakob Kemmer, Sherif Rohayem, Niko Sievert
Gerichtsverfahren
Die wesentlichen Bestimmungen finden sich in der Zivilprozessordnung (Code de Procédure Civile - ZPO) sowie für Handelssachen im Gesetz Nr. 53-95 zur Errichtung der Handelsgerichte (Loi instituant les juridictions de commerce - LJC).
Die prozesseinleitende Klageschrift muss von einem zugelassenen Rechtsanwalt verfasst und unterzeichnet sein, somit besteht vor den Handelsgerichten Anwaltszwang (Art. 13 LJC). Vor den Zivilgerichten besteht jedoch kein Anwaltszwang, vergleiche Art. 31 ZPO.
Grundsätzlich ist eine Klage bei dem Gericht des Wohnsitzes/Sitzes des Beklagten einzureichen. Falls der Beklagte keinen Wohnsitz in Marokko hat, kann die Klage auch beim Gericht des Wohnsitzes/Sitzes des Klägers eingereicht werden (Art. 27 ZPO). Für Handelsstreitigkeiten gilt gemäß Art. 10 LJC die gleiche Zuständigkeitsverteilung. Für Firmen ist der Sitz der beklagten Gesellschaft maßgebend. Gemäß Art. 12 LJC können die Parteien bezogen auf die örtliche Zuständigkeit eine Gerichtsstandvereinbarung treffen; hierfür ist Schriftform erforderlich. Fraglich ist indes, ob eine solche Gerichtsstandvereinbarung auch ein ausländisches Gericht zum Gegenstand haben kann.
Die Art. 155 bis 165 ZPO regeln die sogenannte Procédure d’Inconction de payer, am ehesten vergleichbar mit dem deutschen Urkundsprozess. Es handelt sich dabei um ein beschleunigtes Verfahren, bei dem der Anspruch auf Geldzahlung lautet und das angerufene Gericht aufgrund eines Schuldtitels oder Schuldanerkenntnisses entscheidet. Zum Ausgleich des eingeschränkten Rechtsschutzes für den Beklagten sind an die Beweiskraft des Schuldtitels hohe Anforderungen gestellt.
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
Die Anerkennung ausländischer Urteile ist in den Art. 430 und 431 ZPO geregelt. Bevor die Entscheidung eines ausländischen Gerichts in Marokko vollstreckt werden kann, muss sie gemäß Art. 430 ZPO in einem Exequaturverfahren für vollstreckbar erklärt werden. Zuständig ist das erstinstanzliche Gericht, also das Gericht, das zuständig gewesen wäre, wäre der Rechtsstreit in Marokko ausgetragen worden. Zwar prüft das marokkanische Gericht nicht die Verbürgung der Gegenseitigkeit, das ausländische Gericht muss aber auch nach marokkanischen Maßstäben zuständig gewesen sein und es müssen (wie üblich) die wesentlichen Verfahrensgrundsätze eingehalten worden sein. Zudem prüft das marokkanische Gericht, ob das ausländische Urteil mit dem ordre public in Einklang steht.
Im Bereich des Vertriebsrechts ist dies in der Regel nicht der Fall, so dass man davon ausgehen kann, dass ausländische Urteile aus diesem Rechtsgebiet in Marokko nicht für vollstreckbar erklärt werden.
Schiedsgerichtsbarkeit
Marokko ist Mitglied des International Center for Settlement of Investment Disputes (ICSID), der Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards von 1958 und der Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States von 1965. Grundsätzlich werden Schiedsklauseln daher von den marokkanischen Gerichten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anerkannt. Etwas anderes gilt hier (wie oben bereits erwähnt) im Bereich des Vertriebsrechts, da die gesamten Handelsvertreterregelungen dem ordre public unterliegen.
Zudem hält das marokkanische Prozessrecht eigene Vorschriften zur Anerkennung ausländischer Schiedssprüche vor, Art. 327/46 ff. ZPO.
Schließlich ist noch der Deutsch-Marokkanische Vertrag über Rechtshilfe und Rechtsauskunft in Zivil- und Handelssachen zu erwähnen.