Branchen | Niederlande | Chemische Industrie
Markttrends
Umweltgerechte Chemieprodukte gewinnen rasch an Bedeutung.
05.01.2022
Von Torsten Pauly | Berlin
Chemiemarkt ist einer der größten Europas
In den Niederlanden fallen etwa 12 Prozent des gesamten europäischen Umsatzes mit chemischen Erzeugnissen an. Diese Angabe macht der kontinentale Branchenverband cefic. Der niederländische Anteil ist damit annähernd so hoch wie der französische (14 Prozent), obwohl dort fast viermal so viele Einwohner leben.
Auch der Transithandel mit chemischen Erzeugnissen spielt in den Niederlanden eine große Rolle. Laut Statistikamt CBS waren 2020 etwa 37 Prozent des entsprechenden Außenhandels nicht für den eigenen Binnenmarkt, sondern zur Weiterleitung in andere Länder bestimmt.
Basischemikalien sind wichtigstes Segment
Etwa 66 Prozent des Marktumsatzes in Höhe von 61 Milliarden Euro (2019) entfallen auf Basischemikalien. Dabei wiederum sind anorganische Grundstoffe und Chemikalien (44 Prozent) sowie Kunststoffe in Primärform (38 Prozent) die bedeutendsten Sparten. Eine große Rolle spielt auch die Mineralölverarbeitung, insbesondere im Raum Rotterdam, da der dortige Hafen der größte für Rohölimporte in der Europäischen Union (EU) ist.
Der hohe Anteil von Basischemikalien und Mineralölerzeugnissen bringt große Umsatzschwankungen mit sich, da deren Absatz stark von der Gesamtkonjunktur abhängt. So war der kalendertagbereinigte Umsatz mit chemischen Erzeugnissen 2020 wegen der Coronakrise um 10,1 Prozent gesunken. Ab dem Frühjahr 2021 gab es aber eine kräftige Erholung, sodass der Index im dritten Quartal um 37,6 Prozent höher war als im selben Vorjahreszeitraum.
NACE Rev.2 | Sparte | 2018 | 2019 | Veränderung 2019/18 |
---|---|---|---|---|
19 | Mineralölverarbeitung, Kokerei | 37.252 | 35.835 | -3,8 |
20 | Chemie, darunter | 63.766 | 60.945 | -4,4 |
20.1 | Basischemikalien, darunter | 42.285 | 39.968 | -5,5 |
20.14 | anorganische Grundstoffe und Chemikalien | 20.521 | 17.692 | -13,8 |
20.16 | Kunststoffe in Primärformen | 14.359 | 15.170 | 5,6 |
20.15 | Düngemittel | 2.371 | 2.441 | 3,0 |
20.3 | Farben | 3.122 | 3.220 | 3,1 |
20.5 | Sonstige chemische Erzeugnisse | 6.241 | 5.136 | -17,3 |
21 | Pharmazeutika, davon | 6.107 | 6.868 | 12,5 |
Auch der niederländische Markt für Arzneimittel zählt zu den größten Europas. Im Jahr 2019 lag der Umsatz bei 6,9 Milliarden Euro. Laut dem laut europäischem Pharmaverband efpia lagen die Niederlande beim Umsatzvolumen in der EU 2019 an sechster Stelle.
Gute Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum
Eine Chance und Herausforderung ist die klimaschonende Produktion. Der Umbau in der niederländischen Wirtschaft insgesamt eröffnet vielen Chemieerzeugern gute Wachstumschancen, etwa durch die Forcierung der Wasserstoffenergie und der CO2-Speicherung. Die Voraussetzungen zur Entwicklung neuer Produkte sind dank der hohen Forschungs- und Innovationskraft gut. Auch in der Chemieindustrie selber wird es in den kommenden Jahren große Veränderungen geben. Der Chemieverband VCNI hält eine Reduzierung des branchenweiten Ausstoßes von Treibhausgasen um 90 Prozent bis 2050 für möglich. Dies eröffnet auch deutschen Lieferanten von Umwelttechnik und energieeffizienten Ausrüstungen hervorragende Geschäftschancen. Der Verband VCNI sieht in der Entwicklung nachhaltiger Produkte und in Lösungen für die Kreislaufwirtschaft aber auch hervorragende Wachstumschancen für seine Mitglieder.
Investitionen eröffnen gute Geschäftschancen
Eines der größten Investitionsvorhaben ist eine Raffinerie für Biokraftstoffe des finnischen Mineralölkonzerns Neste in Rotterdam. Exzellente Auftragsmöglichkeiten verspricht auch der stark forcierte Ausbau der Wasserstoffwirtschaft. Hierzu finden sich Großprojekte in vielen Landesteilen, etwa in Südholland und insbesondere in Rotterdam, aber auch in weiteren Provinzen wie Zeeland, Gelderland, Nordbrabant und Limburg. Das mit 9 Milliarden Euro teuerste Wasserstoffprojekt befindet sich jedoch in Noord-Nederland. Damit einher gehen weitere Investitionen, etwa in die Stickstofferzeugung in Zuidbroek in Noord-Nederland.
Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkung/Ansprechpartner |
Wasserstoffanlage in Noord-Nederland | 9.000 | Planung | Realisierung bis 2030 geplant, https://www.provinciegroningen.nl/fileadmin/user_upload/Documenten/Beleid_en_documenten/Documentenzoeker/Klimaat_en_energie/Energie_transitie/Investeringsplan_Waterstof_Noord_-_Nederland_2020.pdf |
Bioraffinerie von Neste in Rotterdam | 1.500 | Planung | Neben nachhaltigen Kraftstoffen sollen auch Rohstoffe für die Chemieindustrie erzeugt werden https://www.neste.com/en |
Bioraffinerie von UPM in Rotterdam | 550 | Planung | Geplante jährliche Kapazität: 500.000 t; https://www.upm.com/ |
Stickstoff-Anlage in Zuidbroek | 502 | Planung | Investor ist Gasunie https://zuidbroek.gasunie.nl/het-project |
Öffentliche Ausschreibungen publizieren die Niederlande auf dem Portal Expertisecentrum Aanbesteden.
Importbedarf ist sehr hoch
Als großer Produktionsstandort führen die Niederlande auch viele chemische Erzeugnisse ein. Im Jahr 2020 hat sich der entsprechende Import auf 43,8 Milliarden Euro summiert. Die größte Bedeutung hatten dabei Industriechemikalien (37 Prozent), gefolgt von Kunststoffen in Primärform (13 Prozent) und Waschmitteln und Kosmetika (11,8 Prozent). Darüber hinaus beziehen die Niederlande sehr viele Arzneimittel aus dem Ausland. Dieser Import hat 2020 etwa 30,7 Milliarden Euro erreicht.
Deutschland ist dabei das wichtigste Bezugsland, aus dem 2020 etwa 21 Prozent aller chemischen und 17,4 Prozent aller pharmazeutischen Importe gekommen sind. Wichtigste Sparte bei den deutschen Chemielieferungen waren dabei die Industriechemikalien mit einem Anteil von 28,4 Prozent. Bedeutend waren ferner Kunststoffe in Primärform (16,7 Prozent) und als Halbwaren (11,3 Prozent).