Wenn eine internationale Zuständigkeit der norwegischen Gerichte gegeben ist, muss die klagende Partei ermitteln, welches konkrete Gericht zuständig ist. Die Grundlagen für den Aufbau wie auch für den Instanzenzug des norwegischen Gerichtssystems legen diese beiden norwegischen Justizgesetze:
Der Gerichtsaufbau der ordentlichen Gerichte, die für den deutschen Dienstleistungsempfänger als relevanteste Gerichte anzusehen sind, stellt sich nach § 1 Domstolloven sowie § 4-1 Tvisteloven wie folgt dar:
- In 20 Amtsgerichtsbezirken gibt es teilweise mehrere Amtsgerichte (Tingrett / District Courts)
- 6 Landgerichte (Lagmannsrett / Courts of Appeal): je eines in den Landgerichtsbezirken Borgarting in Oslo, Eidsivating in Hamar, Agder in Skien, Gulating in Bergen, Frostating in Trondheim, Hålogaland in Tromsø
- Oberster Gerichtshof (Hoyesterett / Supreme Court).
Die örtliche Zuständigkeit der Amts- und Landgerichte ist geregelt in der Forskrift om inndelingen av rettskretser og lagdømmer. Das norwegische Recht kennt keine eigenständigen Fachgerichtsbarkeiten, wie etwa die deutsche Arbeits-, Finanz-, Sozial- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit. Als Spezialgerichte gibt es in Norwegen aber u.a. das norwegische Arbeitsgericht (Arbeidsretten), das bei tarifvertraglichen Fragen anzurufen ist sowie das norwegische Sozialgericht (Trygderetten), das bei sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten zuständig ist.
Eine wichtige Besonderheit der norwegischen Gerichtsbarkeit ist, dass prinzipiell zunächst ein Schlichtungsverfahren vor dem sogenannten Vergleichsgericht (Forliksråd) durchlaufen werden muss. Diese Vergleichsgerichte sind nicht mit Berufsjuristen, sondern nur mit Laienrichtern (jeweils drei sog.--sogenannte lekdommere, unterstützt von drei Beisitzern, den varamedlemmer) besetzt, die von der kommunalen Vertretung berufen werden. Die Aufgabe dieser historisch bis auf das Jahr 1795 zurückgehenden Institution der alternativen Streitbeilegung besteht darin, einen Lösungsversuch im Wege eines gegenseitigen Ausgleichs zu finden. Regelungen des Verfahrens vor dem Vergleichsgericht enthält das sechste Kapitel (§§ 6-1 bis 6-14) Tvisteloven. Informationen zu weiteren Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung bietet der Abschnitt außergerichtliche Streitbeilegung dieses Länderberichts.
Die Grundregel über die sachliche Zuständigkeit in Norwegen enthält § 4-1 Tvisteloven. Hiernach ist grundsätzlich das Amtsgericht sachlich zuständig, wenn nicht laut Gesetz das Vergleichsgericht oder Landgericht zuständig ist (§ 4-1 Tvisteloven).
Die Zuständigkeit des Vergleichsgerichts richtet sich nach § 6-2 Tvisteloven. Hiernach kann sich das Vergleichsgericht grundsätzlich mit allen Verfahren, die sich nach den allgemeinen Verfahrensregelungen oder den Regelungen für geringfügige Forderungen richten, befassen. Ausgenommen sind u.a.--unter anderen Familiensachen, Streitigkeiten mit der öffentlichen Hand, Rechtsstreitigkeiten um Patente, Warenzeichen und Designs und Schiedssprüche (§ 6-2 Absatz 1 Tvisteloven). Auch sind beispielsweise solche Rechtsstreitigkeiten ausgenommen, deren Streitwert sich auf mindestens 125.000 NOK (Stand März 2018 etwa 13.000 Euro) beläuft und in denen beide Parteien anwaltlich vertreten sind. Das Gleiche gilt, sofern ein außergerichtliches Schiedsverfahren nach dem siebten Kapitel Tvisteloven durchgeführt wurde (§ 6-2 Absatz 2 Tvisteloven). Wird die Klage entgegen § 6-2 Tvisteloven direkt beim Amtsgericht eingereicht, wird die Sache an das örtlich zuständige Vergleichsgericht verwiesen (§ 4-2 Tvisteloven).
Das Landgericht ist erstinstanzlich zuständig, sofern es gesetzlich vorgesehen ist (§ 4-1 Absatz 3 Tvisteloven).
Die Regeln über die örtliche Zuständigkeit in Norwegen enthalten vornehmlich §§ 4-3 bis 4-8 Tvisteloven.
Demnach richtet sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem Beklagten und ist in Norwegen bei natürlichen Personen am Ort ihres Wohnsitzes, bei Unternehmen am Ort des Hauptsitzes, wie er sich aus der Registrierung ergibt (§ 4-4 Tvisteloven).
Daneben gibt es auch in Norwegen besondere Gerichtsstände, die vom Kläger gewählt werden können (§ 4-5 Tvisteloven):
- bei Grundstücken deren Belegenheitsort
- bei Verträgen der Leistungsort
- bei Schadensersatz der Ort der schädigenden Handlung oder des Schadenseintritts
- bei Beschäftigungsverhältnissen der Ort der Diensterbringung
- bei Seeverhältnissen der Ort, in dessen Hafen das Schiff registriert ist
- bei Verbraucherverträgen der allgemeine Gerichtsstand des Verbrauchers
- bei Versicherungsverträgen der allgemeine Gerichtsstand des Versicherungsnehmers.
Schließlich ermöglicht § 4-6 Absatz 1 Tvisteloven eine freie Gerichtsstandsvereinbarung seitens der Parteien. Wird jedoch durch die Gerichtsstandsvereinbarung die internationale Zuständigkeit norwegischer Gerichte erweitert beziehungsweise beschränkt oder werden dadurch Verbraucherrechte in Bezug auf den Rechtsstand geschmälert, schreibt das norwegische Recht zwingend Schriftform vor (§ 4-6 Absatz 2 Tvisteloven).
Bei der Suche nach dem zuständigen Gericht kann das Gerichtsportal DOMSTOLEN zu Hilfe genommen werden.
Die norwegischen Vergleichsgerichte (Forliksråd) haben auch örtlich vorgegebene Zuständigkeiten. Auf einer Internetseite zu den Vergleichsgerichten (Forliksråd Og Namsmenn) kann ein alphabetisch nach Orten geordnetes, aktualisiertes Mitgliedsverzeichnis (Oppdatert medlemsliste ) mitsamt ausführlicher Kontaktangaben abgerufen werden.