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Wirtschaftsumfeld | Palästinensische Gebiete | Wirtschaftliche Entwicklung

Die palästinensische Wirtschaft steht am Abgrund

Das Bruttoinlandsprodukt droht 2024 um mindestens 16 Prozent zu fallen. Für eine mögliche Erholung wird die Schaffung von Arbeitsplätzen ein Schlüsselfaktor sein.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Angesichts des anhaltenden Krieges ist die Produktion im Gazastreifen praktisch zum Stillstand gekommen. Im Westjordanland leiden fast alle Unternehmen erheblich unter den Kriegsfolgen.

Wirtschaftsleistung bricht 2024 erneut ein

Laut einer gemeinsamen Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des palästinensischen Zentralamts für Statistik (PCBS) wird das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Palästinensischen Gebiete 2024 voraussichtlich um 16 Prozent sinken. Nach Angaben der Weltbank schrumpfte das palästinensische BIP bereits 2023 im Jahresergebnis um 5,5 Prozent. Gegenüber 2022 bedeutet diese Prognose einen Absturz um rund 21 Prozent.

Es könnte noch schlimmer kommen: Die Prognose beruht auf der optimistischen Annahme, dass der Gaza-Krieg im August 2024 endet. Aktuell droht der Krieg jedoch an der israelisch-libanesischen Grenze zu eskalieren.

Die bisher vorliegenden Statistiken für 2024 bestätigen den steilen Abwärtstrend. Laut der palästinensischen Autonomiebehörde ging die Wertschöpfung der Industrie in den ersten fünf Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 21,7 Prozent zurück. Zur Industrie zählen neben der Warenproduktion auch der Bergbau und die Gewinnung von Steinen und Erden, die Wasserwirtschaft sowie die Energieversorgung.

Die Wareneinfuhren gingen im selben Zeitraum um 22 Prozent zurück. Die Schrumpfung zeigt den starken Nachfragerückgang der gewerblichen Wirtschaft und der Privathaushalte.

Gazas Wirtschaft schrumpft auf ein Sechstel, der gewerbliche Sektor liegt am Boden

Die Analyse der ILO und des PCBS  stellt die Wirtschaftsleistung 2024 einem hypothetischen Szenario ohne Ausbruch des Kriegs gegenüber. Demnach liegt das BIP des Gazastreifens (ohne Westjordanland) nur bei 16,5 Prozent des Wertes, der ohne Krieg zu erwarten wäre.

Die offizielle palästinensische Statistik zeigt, dass selbst dieser niedrige Wert vor allem durch Leistungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialsektor erzielt wird. Die gewerbliche Wirtschaft dagegen erlitt noch stärkere Einbußen und liegt praktisch brach.

Damit ist der Beitrag des Gazastreifens zur gesamten Wertschöpfung der Palästinensischen Gebiete abgestürzt. Gaza stellt rund 40 Prozent aller Einwohner der palästinensischen Gebiete – ohne die israelischen Siedler. Dennoch erwirtschaftete es nach Angaben des PCBS im Jahr 2022, dem letzten Vorkriegsjahr, nur 17 Prozent des gesamten palästinensischen BIP. Das lag vor allem an einer Blockade Israels seit 2007.

Der Krieg hat die Lage weiter verschärft. Daten des PCBS zufolge sank der BIP-Beitrag des Gazastreifens in den ersten sechs Monaten des Krieges auf nur noch 3,5 Prozent.

Wann der Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Gebiets beginnen kann, ist schwer vorherzusehen. Die Studie von ILO und PCBS empfiehlt möglichst viele arbeitsplatzschaffende Maßnahmen zu ergreifen. Im Juni 2024 lag die Arbeitslosenquote in Gaza bei 79,1 Prozent.

Die Westbank braucht dringend Arbeitsplätze

Nicht ganz so katastrophal wie in Gaza aber dennoch gravierend ist die Wirtschaftslage in der Westbank. Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges entzog Israel palästinensischen Pendlern die Erlaubnis, zu ihren Arbeitsplätzen bei israelischen Arbeitgebern zu gelangen. Davon waren schätzungsweise 160.000 Menschen im Westjordanland betroffen.

Zwar schafft es israelischen Medienberichten zufolge ein kleiner Teil von ihnen, die Grenze auch ohne Erlaubnis zu überschreiten, jedoch hat die Grenzschließung die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellen lassen. Laut Studie der der ILO und PCBS lag die Arbeitslosenquote im Westjordanland im Juni 2024 bei fast 32 Prozent. Die Rezession lähmt zudem die unternehmerische Initiative. Rund 76 Prozent der befragten Firmen aus der Westbank gaben an, vor dem Krieg in die Wege geleitete neue Projekte abgebrochen zu haben.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist auch in der Westbank dringend geboten. Das ließe sich durch großangelegte Infrastrukturprojekte oder städtebauliche Maßnahmen relativ schnell erreichen. Allerdings wären für solche Vorhaben neben einer israelischen Zustimmung massive Hilfsmittel und Investitionen aus dem Ausland unerlässlich.

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