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Wirtschaftsumfeld | Palästinensische Gebiete | Wirtschaftsentwicklung

Waffenruhe gibt Hoffnung – auch für Palästinas Wirtschaft

Der Krieg hat auch die Wirtschaft in Gaza und im Westjordanland hart getroffen. Selbst im besten Fall wird der Wiederaufbau lange dauern und erhebliche Anstrengungen brauchen. 

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Mitte Januar 2025 haben Israel und die palästinensische Hamas eine Feuerpause vereinbart, die am 19. Januar in Kraft getreten ist. Ob sie zu einem dauerhaften Ende des Krieges führen wird, bleibt abzuwarten. Unklar ist zudem, wie die politische Lage in Gaza aussehen wird, wenn es zu einem dauerhaften Kriegsende kommt.

Der Wiederaufbau des Gazastreifens und seiner Wirtschaft wird nicht nur Frieden, sondern auch Ressourcen und viel Zeit erfordern. Im Westjordanland sind die Kriegsauswirkungen ebenfalls massiv. Ohne eine Verbesserung im israelisch-palästinensischen Verhältnis wird sich die tiefe Krise der Wirtschaft in der Westbank fortsetzen.

Gazas Wirtschaftsleistung geht um mehr als 80 Prozent zurück

Im Jahr 2024 hat der Gaza-Krieg die palästinensische Wirtschaft mit voller Wucht getroffen. Die verheerenden Folgen, die der Konflikt bereits im 4. Quartal 2023 nach sich gezogen hatte, vertieften sich weiter. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Palästinensischen Gebiete brach 2024 um 28,3 Prozent ein, nachdem es 2023 um 5,5 Prozent nachgegeben hatte. Das geht aus Angaben des Palästinensischen Zentralamts für Statistik (Palestinian Central Bureau of Statistics, PCBS) hervor.

Die Kriegshandlungen haben den Gazastreifen auch in ökonomischer Hinsicht zu einem Katastrophengebiet gemacht. Sein BIP gab 2024 gegenüber dem Vorjahr um 82,6 Prozent nach. Die Zerstörungen nahmen weiter zu. Nach Angaben der Weltbank waren im Oktober 2024 nur 12 Prozent der privatwirtschaftlichen Unternehmen physisch unbeschädigt. Allerdings hat die weitgehende Zerstörung der Energieinfrastruktur und des Straßennetzes selbst deren Tätigkeit weitgehend behindert.

Weitere 22 Prozent der Unternehmen in Gaza waren im Oktober 2024 beschädigt, 66 Prozent komplett zerstört. Die Weltbank schätzt, dass Gaza im 1. Halbjahr 2024 nur 3,5 Prozent zum BIP der Palästinensischen Gebiete beitrug, obwohl dort rund 40 Prozent der Bevölkerung leben.

Mit 1,9 Millionen Menschen sind 90 Prozent der Bewohner des Gazastreifens Binnenflüchtlinge, die ausschließlich dank humanitärer Hilfe überleben können. Auf dem freien Markt wurden Produkte für die meisten Verbraucher unerschwinglich. Die Lebenshaltungskosten in Gaza lagen 2024 laut dem PCBS beim 3,3-Fachen des Standes von 2023.

Schwerwiegende Wirtschaftsschäden in der Westbank

Angesichts der Zerstörungen in Gaza entfiel 2024 nahezu das gesamte palästinensische BIP auf die Westbank. Allerdings erlitt die Wirtschaft auch dort schwere Einbußen. Nach Angaben des PCBS ging die Wirtschaftsleistung des Westjordanlandes 2024 real um 16,4 Prozent zurück.

Das hatte großenteils mit einer Verschärfung der ohnehin gespannten Beziehungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde (Palestinian National Authority) zu tun. Die israelische Regierung hatte nach dem Ausbruch des Krieges verfügt, dass palästinensische Arbeitspendler nicht mehr nach Israel einreisen durften. Diese Regelung blieb 2024 bestehen. Nach Angaben des PCBS hatten vor dem Krieg 167.000 Palästinenser in Israel und in den israelischen Siedlungen im Westjordanland gearbeitet. Schätzungen zufolge waren rund 140.000 bis 150.000 von ihnen in Israel beschäftigt, der Rest in den Siedlungen.

Entwicklung der palästinensischen Wirtschaft 2024Reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent *)
Kennziffer

Palästinensische Gebiete insgesamt

Westbank

Gazastreifen

BIP-28,3-16,4-82,6
Wertschöpfung der Industrie-33,0-30,0-90,0
Wertschöpfung der Bauwirtschaft-46,0-38,0-98,0
Wertschöpfung des Dienstleistungssektors-27,0-17,0-81,0
Wertschöpfung des Agrarsektors-32,0-17,0-91,0
Arbeitslosenquote (in % der Erwerbspersonen)51,235,080,0
* Schätzungen.Quelle: Palestinian Central Bureau of Statistics 2024

Ein kleiner Teil der von den Arbeitsplätzen in Israel Ausgesperrten gelangt immer noch über die durchlässige Grenze zu ihren Arbeitsplätzen. Allerdings schätzen israelische Medien ihre Zahl auf nur etwas mehr als 20.000. Somit entgeht mindestens 120.000 bis 130.000 Palästinensern ihr Einkommen. Die Arbeitslosigkeit im Westjordanland ist 2024 nach PCBS-Angaben auf 35 Prozent gestiegen. Im letzten Vorkriegsjahr 2022 hatte sie 14 Prozent betragen.

Die israelische Regierung lässt bisher nicht erkennen, dass die Aussperrung nur vorübergehend ist. Vielmehr versucht sie, Arbeitskräfte in Übersee anzuwerben, um die palästinensischen Mitarbeiter zu ersetzen. In ökonomischer Hinsicht wäre eine Rückkehr der Arbeitskräfte aus den Palästinensischen Gebieten zwar auch für Israel günstiger. Israel begründet die Aussperrung aber mit Sicherheitsüberlegungen.

Drei Szenarien für 2025

Das PCBS hat im Dezember 2024 drei Szenarien für die Wirtschaftsentwicklung der Palästinensischen Gebiete 2025 veröffentlicht: ein Basisszenario, ein optimistisches und ein pessimistisches. Jedes der drei Szenarien beruht auf verschiedenen Annahmen über die Entwicklung des Konflikts und über die israelischen Einschränkungen der palästinensischen Wirtschaftstätigkeit.

Die Veröffentlichung von drei Szenarien zum Jahresende ist nicht neu. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Prognosen, die sich aus jedem Szenario ergeben, diesmal besonders groß.

Wirtschaftsprognose für die Palästinensischen Gebiete 2025 Reale Veränderung gegenüber 2024 in Prozent
Kennziffer

Basisszenario 

Optimistisches Szenario 

Pessimistisches Szenario 

BIP

0,6

19,6

-5,5

Wertschöpfung der Industrie

-8,0

1,9

-14,8

Wertschöpfung der Bauwirtschaft

-3,3

74,2

-21,4

Wertschöpfung des Dienstleistungssektors

-1,4

7,7

-6,6

Wertschöpfung des Agrarsektors

6,2

58,0

-5,9

Privater und öffentlicher Verbrauch 

6,7

24,6

1,2

Arbeitslosenquote (in % der Erwerbspersonen)

39,2

43,3

53,0

Quelle: Palestinian Central Bureau of Statistics 2024

Das Basisszenario geht von einer unveränderten politischen und sicherheitspolitischen Situation - Stand Jahresende 2024 - aus. Diese Annahme bedeutet unter anderem, dass es in Gaza bei dem nahezu vollständigen ökonomischen Stillstand bleiben würde.

Das optimistische Szenario unterstellt ein Ende des Gaza-Kriegs und eine Aufstockung der ausländischen Hilfe zur Unterstützung des Wiederaufbaus des Gazastreifens, einschließlich der Infrastruktur. Gleichzeitig geht das Szenario von einer allmählichen Rückkehr der palästinensischen Arbeitnehmer an ihre Arbeitsplätze in israelischen Unternehmen aus. Für dieses Szenario erwartet das PCBS für 2025 eine Erholung des BIP um 19,6 Prozent. 

Unter dem pessimistischen Szenario kommt es unter anderem zu weiteren israelischen Abriegelungen und Beschränkungen des Personen- und Warenverkehrs auch in der Westbank. Ferner befürchtet das PCBS weitreichende Schäden an der dortigen Infrastruktur durch israelische Militäraktionen. In diesem Fall erwarten die Statistiker einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,5 Prozent.  

Die Spannweite der drei Prognosen zeigt die existenzielle Abhängigkeit der Palästinensischen Gebiete von externen Faktoren. 

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