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Erneuerbare Energien: Neue Förderung - alte Herausforderungen
Die polnische Regierung will den Ausbau der erneuerbaren Energien mit weiteren Zuzahlungen vorantreiben. Einige lang erwartete Reformen hängen aber fest.
30.01.2023
Von Christopher Fuß | Warschau
Landwirte und Energiegenossenschaften erhalten Unterstützung bei Investitionen in Fotovoltaik, Windkraft, Biogas oder Wasserkraft. Polens Landwirtschaftsministerium hat gemeinsam mit dem Klimaministerium einen neuen Fördertopf aufgesetzt. Im Rahmen des Programms "Energie für das Dorf" (Energia dla wsi) erhalten Interessenten bis zu 4,3 Millionen Euro an Zuschüssen für neue Anlagen und für angeschlossene Energiespeicher. Darüber hinaus stehen Kredite in Höhe von bis zu 5,3 Millionen Euro je Projekt zur Verfügung. Die Mittel stammen aus dem europäischen Modernisierungsfonds.
Das Förderprogramm "Energie für das Dorf" hat ein Gesamtvolumen von 212 Millionen Euro. Polens staatlicher Umweltfonds NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) zahlt das Geld in mehreren Tranchen aus. Die erste Runde startete bereits am 25. Januar 2023 und läuft bis Dezember 2023.
Biogas könnte besonders profitieren
Ein Ziel der neuen Fördermaßnahme ist es, die Energieversorgung auf dem Land zu verbessern. Dank erneuerbarer Energien könnten Landwirte ihre Kosten senken, ohne die Produktion drosseln zu müssen, sagt das Landwirtschaftsministerium. Außerdem erhalten die Bauern neue Einnahmequellen, wenn sie die Energie verkaufen.
Gleichzeitig hofft das Ministerium, mit dem neuen Programm die Energiegenossenschaften zu stärken. Lokale Erzeugergemeinschaften sollen dabei helfen, dass Strom und Wärme auf dem Land billiger werden. Auch Genossenschaften in der Gründungsphase können die Förderung beantragen. Wichtig: Kraftwerke dürfen nur den Eigenbedarf der Mitglieder decken.
Das Klimaministerium wiederum sieht "Energie für das Dorf" als einen Baustein, um Biogas in Polen voranzutreiben. Aktuell produzieren die über 140 landwirtschaftlichen Biogasanlagen in Polen zwischen 300 Millionen und 500 Millionen Kubikmeter Biogas im Jahr. Klimaministerin Anna Moskwa schätzt das Potenzial für Biogas mit bis zu 8 Milliarden Kubikmetern jährlich um ein Vielfaches höher.
Förderung für erneuerbare Energien in Mehrfamilienhäusern
Während "Energie für das Dorf" die Landbevölkerung anspricht, nimmt Polens Wirtschaftsministerium mit einem neuen Programm für Fotovoltaik die Ballungsräume in den Fokus. Über 100 Millionen Euro sollen dabei helfen, mehr Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Mehrfamilienhäusern zu installieren. Wirtschaftsminister Waldemar Buda kündigte Zuschüsse für Wohnungsgenossenschaften und Eigentümergemeinschaften an. Die staatliche Bank BGK (Bank Gospodarstwa Krajowego) übernimmt bis zu 50 Prozent der Kosten von neuen Paneelen. Geld gibt es auch bei der Modernisierung bestehender Aufbauten und für den Einsatz von Wärmepumpen oder Energiespeichern. Anträge nimmt BGK ab dem 1. Februar 2023 entgegen.
Eigentümer dürfen mit dem gewonnenen Strom Gemeinschaftsräume wie Flure oder Waschkeller versorgen. Die restliche Energie geht ins Netz. Das bedeutet auch: Eine Fotovoltaikanlage darf leistungsstärker sein, als es für den Betrieb der Gemeinschaftsräume nötig wäre. Branchenportale wie gramwzielone.pl loben, dass die Vergütungen für die Netzeinspeisung günstiger ausfallen als bei früheren Programmen.
Die neue Förderung für Fotovoltaik könnte dem Prosumenten-Markt weitere Impulse geben. Hinter diesem Begriff verbergen sich Stromerzeuger, die einen Großteil der produzierten Energie selbst verbrauchen. Das rasante Wachstum der installierten Fotovoltaikleistung in Polen geht überwiegend auf Prosumenten zurück. Die Paneele stehen in der Regel auf Hausdächern oder auf Firmenhallen.
Diskussion um Bau großflächiger Solaranlagen
Gleichzeitig entstehen Fotovoltaikparks. Der staatliche Energieversorger PGE Energia Odnawialna will 2023 sein Portfolio dank einiger Riesenprojekte von 4,6 auf 200 Megawatt ausbauen. Andere Staatsunternehmen wie PKN Orlen und Tauron verfolgen laut Tageszeitung Rzeczpospolita ähnlich ambitionierte Pläne.
Mittelfristig könnte aber ein Reformprojekt aus dem Wirtschaftsministerium den Markt für große Fotovoltaikanlagen ausbremsen. Das geplante Gesetz sieht vor, dass Installationen mit einer Leistung von über 1 Megawatt im örtlichen Flächennutzungsplan vorgesehen sein müssen. Bislang reichte hier ein Bauvorbescheid. Es kann Jahre dauern, einen Flächennutzungsplan zu ändern oder zu erstellen. Branchengrößen wie Tauron sowie der Thinktank Instytut Jagielloński befürchten darum, Investitionsprojekte könnten sich in die Länge ziehen.
Das Klimaministerium ist mit dem Vorschlag ebenfalls unzufrieden. Statt der installierten Leistung solle der Netzanschluss ausschlaggebend sein. Fotovoltaikanlagen am Mittelspannungsnetz würden demnach nur einen Bauvorbescheid benötigen.
Windkraft kommt nicht in Schwung
Es ist nicht der einzige Reibungspunkt beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Polen. Seit Jahren gehen kaum neue Windkraftanlagen ans Netz. Der Grund: Ein Gesetz von 2016 schreibt vor, dass der Abstand vom Windrad zur nächsten bebauten Fläche mindestens die zehnfache Turbinenhöhe betragen muss. Eigentlich wollte Polen das Gesetz lockern. Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds sind an eine Reform der Abstandsregeln geknüpft.
Laut einem Gesetzesentwurf vom Herbst 2022 sollte die Mindestdistanz zwischen Windrad und bebauter Fläche auf bis zu 500 Meter schrumpfen. 10 Prozent des erzeugten Stroms würden an die jeweilige Gemeinde gehen. Wegen Differenzen im Regierungslager hängt das Projekt fest. Die Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna berichtet unter Berufung auf Stimmen aus dem Regierungslager, eine Abstimmung im Parlament könnte im Februar 2023 erfolgen. Einige Abgeordnete machen sich für einen Mindestabstand von 700 Metern stark.
Ein weiteres Gesetz, das den Bau direkter Stromleitungen zwischen einem regenerativen Kraftwerk und einem Abnehmer ermöglicht, hängt weiter im Kabinett fest. Insbesondere die Netzregulierungsbehörde URE (Urząd Regulacji Energetyki) lehnt Direktverbindungen ab. Unternehmen aus der Industrie drängen auf eine schnelle Lösung. Sie wollen Kosten sparen und ihre CO2-Bilanz verbessern.