Special | Polen | EU-Förderung
Förderung im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität
Polens Regierung freut sich über gute Nachrichten der Europäischen Kommission. Die Gelder des Wiederaufbaufonds fließen. Für einige Projekte dürften die Mittel aber zu spät kommen.
25.03.2024
Von Christopher Fuß | Warschau
Die Europäische Kommission gibt die erste Tranche für Polen aus dem europäischen Wiederaufbaufonds frei. Voraussichtlich bis April 2024 erhält das Land rund 6,3 Milliarden Euro. Damit endet, zumindest vorerst, ein jahrelanger Streit über den Zustand des polnischen Rechtstaates. Die mittlerweile abgewählte Regierung Polens unter Führung der PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość) hatte sich 2022 in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission dazu verpflichtet, einige umstrittene Eingriffe in das Justizwesen zurückzunehmen.
Doch dann scheiterten die Reformbemühungen an einem Streit innerhalb der alten Regierungskoalition und an Bedenken des Staatspräsidenten Andrzej Duda. Die Mittel für Polen blieben damit blockiert - abgesehen von einem Vorschuss in Höhe von 5 Milliarden Euro.
Versprechungen reichen der Europäischen Kommission
Nach dem Regierungswechsel im Dezember 2023 präsentierte der neue Justizminister Adam Bodnar seinen Plan über die Zukunft des polnischen Justizwesens in Brüssel. Diese Präsentation gefiel der Kommission so gut, dass sie ihre Blockade aufhob - ein Vertrauensbeweis gegenüber der neuen Regierung Polens, die deutlich EU-freundlicher ist, als ihre Vorgängerin. Offen bleibt, wie das Justizministerium die Reformpläne gegen den Widerstand des Staatspräsidenten und des PiS-nahen Verfassungsgerichts durchsetzen will, zumal einige Initiativen auf eine Verfassungsänderung hinauslaufen.
Polen kann bis zu 59,8 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds abrufen. Dabei handelt es sich um Zuschüsse in Höhe von 25,3 Milliarden Euro und um Niedrigzins-Kredite in Höhe von 34,5 Milliarden Euro. Ursprünglich wollte Polens Regierung nicht den gesamten Kreditrahmen ausreizen. Doch das änderte sich, als 2022 die Zinsen an den Kapitalmärkten stiegen. Außerdem beantragte Polen zusätzliche Wiederaufbaumittel über das Instrument RePowerEU. Hinter diesem Titel verbirgt sich eine Initiative der Europäischen Kommission, um den Energiesektor nach Russlands Großangriff auf die Ukraine zu stärken.
Das zuständige Ministerium für europäische Fonds rechnet damit, bis Ende 2024 rund 23 Milliarden Euro über unterschiedliche Tranchen zu erhalten. Die Zeit drängt, denn ein Großteil der Gelder verfällt nach August 2026. Polens staatlicher Entwicklungsfonds PFR (Polski Fundusz Rozwoju) hat deshalb Projekte aus der Staatskasse vorfinanziert und geriet dabei an seine Grenzen. Einige Programme hatten bereits Zahlungsschwierigkeiten, beispielsweise die Renovierungsprämie für Einfamilienhäuser "Saubere Luft" (Czyste Powietrze). Der staatliche Umweltfonds NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) konnte Anträge nicht bearbeiten, weil das Geld fehlte. Diese Schwierigkeiten könnten nun der Vergangenheit angehören.
Auswertung zahlreicher Anträge läuft
Ein wichtiger Nutznießer der neuen Gelder sind die Städte und Gemeinden. Wrocław und Krakau wollen neue Straßenbahnlinien über den Wiederaufbaufonds finanzieren. Laut Staatssekretär Piotr Malepszak helfen die Mittel auch dabei, Bahnlinien zwischen Wrocław in Südwestpolen und der Hafenstadt Szczecin sowie zwischen Warschau und Katowice zu verbessern.
Das regionale Eisenbahnverkehrsunternehmen POLREGIO hofft auf Zuschüsse, um 98 moderne Personenzüge einkaufen zu können. Vor diesem Hintergrund hat sich das Unternehmen auf eine Ausschreibung von CUPT beworben (Centrum Unijnych Projektów Transportowych) - eine staatliche Vergabestelle für EU-Gelder. Es geht um über 480 Millionen Euro. Die Ergebnisse der Ausschreibung stehen noch nicht fest. Ähnliches gilt auch bei einer Ausschreibung des CUPT für emissionsfreie Überlandbusse. Das Budget des Kaufprämienprogramms beläuft sich auf 370 Millionen Euro. Hier warten 36 Anträge von Kommunen auf eine Antwort.
Große Unternehmen konnten sich bis November 2023 auf insgesamt 440 Millionen Euro Kaufprämien für Roboter und ähnliche Maschinen bewerben. Die Gewinner sollten in Kürze feststehen. Darüber hinaus haben Internetanbieter wie das Unternehmen Orange dank des Wiederaufbaufonds damit begonnen, Glasfasernetze in ländlichen Gegenden zu verlegen.
Neue Ausschreibungen stehen bevor
Im 2. Quartal 2024 wollen die staatliche Wirtschaftsagentur PARP (Polska Agencja Rozwoju Przedsiębiorczości) und das nationale Forschungszentrum NCBR (Narodowe Centrum Badań i Rozwoju) Fördergelder für Projekte in der Kreislaufwirtschaft ausschreiben. Es geht um insgesamt 165 Millionen Euro. Die Gelder sollen Firmen dabei helfen, neue Recyclingtechnologien zu entwickeln, unter anderem im Abwassersektor.
Das meiste Geld aus Polens Wiederaufbaufonds fließt nach den Plänen der Regierung in den Energiesektor. Im Laufe des Jahres 2024 starten Zuschussprogramme für Wasserstoffinvestitionen. Außerdem wird der Übertragungsnetzbetreiber PSE (Polskie Sieci Elektroenergetyczne) den Bau neuer Leitungen mit 400 Kilovolt über den Wiederaufbaufonds finanzieren. Kredite sollen außerdem den Energieversorgern dabei helfen, emissionsfreie Kraftwerke zu bauen. Bis zu 4,8 Milliarden Euro stehen beispielsweise für geplante Offshore-Windparks bereit.
Über geplante und laufende Ausschreibungen aus dem Wiederaufbaufonds informiert das Ministerium für europäische Fonds auf einer Sonderseite.
Einige Projekte vor dem Aus
Der enge Zeitplan könnte einigen Vorhaben zum Verhängnis werden. Wie die Unternehmensberatung CRIDO in einer Untersuchung festhält, drohen vor allem die Investitionen im Gesundheitswesen zu scheitern. Das Gesundheitsministerium will medizinische Versorgungszentren modernisieren. Laut CRIDO befinden sich die Projekte in einem frühen Stadium - und werden möglicherweise nicht bis August 2026 fertig. Dann bliebe Polen auf den Kosten sitzen, sofern das Gesundheitsministerium die Vorhaben überhaupt ausschreibt.
Hinzu kommt: Jede Tranche ist daran geknüpft, dass Polens Regierung weitere Reformen umsetzt. Einige sorgen bereits heute für kontroverse Diskussionen, zum Beispiel neue Gebühren auf Verbrennerfahrzeuge.
Laut Katarzyna Pełczyńska Nałęcz, der Ministerin für europäische Fonds, laufen Verhandlungen mit der Europäischen Kommission. Polen will Gelder umwidmen und neue Fristen durchsetzen.